Dienstag, 4. August 2009

Wächter in der Zwickmühle

Von Marvin Oppong

Die Organisation Transparency International gilt als schärfster Korruptionswächter der Welt - doch nur wenige wissen, dass sie unter anderem von Staat und Konzernen finanziert wird. Ein Lehrstück über die Frage: Wie viel Nähe darf ein Kontrolleur zu Kontrollierten haben?

Wenn es um die eigenen Ansprüche geht, ist man bei Transparency International ziemlich klar: Die Aufgabe der Anti-Korruptions-Abteilung sei es, die beteiligten Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Schaffung von Transparenz zusammen zu bringen, heißt es auf der Web-Seite der Organisation. Und auch Peter Eigen hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie er sich den Kampf gegen Korruption vorstellt: "Von Anfang an wollten wir uns mit den korrupten Akteuren dieser Welt an einen Tisch setzen", schreibt der Gründer von Transparency International (TI) in seinem Buch.

TI-Gründer Peter Eigen: "Mit den korrupten Akteuren an einen Tisch setzen"
Tatsächlich hat Eigen es geschafft, TI seit seiner Gründung vor 16 Jahren zur weltweit größten Nichtregierungsorganisation (NGO) auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung zu machen. Gleich in 90 Ländern gibt es Büros der Vereinigung. Den Erfolg hat der Gründer auch seinem Mitstreiter Hansjörg Elshorst zu verdanken - Ex-TI-Chef und Vorsitzender des deutschen Beirats. Ohne Elshorst hätte gefehlt, worauf keine Organisation verzichten kann: Geld.

Es war Elshorst, der damals als Geschäftsführer die Töpfe der von ihm mitbegründeten und zu 100 Prozent staatlichen Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) angezapft hat: Als TI vor seiner offiziellen Gründung eine Konferenz mit Weltbankern organisierte, erklärte er sich bereit, diese zu finanzieren. "9900 Mark konnte er eigenmächtig aus dem GTZ-Etat für einen solchen Zweck bewilligen", schreibt Eigen in seinem Buch "Das Netz der Korruption". Mit dieser Zusage lud man 20 Gäste in eine Villa bei Berlin ein. Doch die Konferenz fand nie statt - weil der Staatssekretär im Entwicklungsministerium die Auszahlung verbot. Dennoch besorgte Elshorst Eigen in der Folge einen Beratervertrag der GTZ und gewährte TI eine Mietbürgschaft in Höhe von 70.000 Mark.

GTZ unterstützt mit großen Summen

Doch damit nicht genug: Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen hat die GTZ Transparency bei der Gründung außerdem mit einem Geldbetrag "in hoher fünfstelliger bis sechsstelliger Höhe" versorgt. Ein GTZ-Sprecher bestätigte, TI in der Gründungsphase durch eine Eigenmaßnahme unterstützt zu haben. Details ließen sich jedoch nicht mehr nachvollziehen.

Pikant ist das, weil Elshorst als GTZ-Chef über Mittelvergaben wesentlich mitentscheiden konnte. Zudem gehörte die Förderung deutscher Vereine nicht zur Kernaufgabe der GTZ. Elshorst teilte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE jedoch nur mit, etwas gegen Korruption zu tun sei "offensichtlich auch im Interesse der GTZ" gewesen. Er habe nicht "aus Freundschaft zu Peter Eigen gehandelt".

Tatsächlich hat die GTZ die Organisation über Jahre mit großen Summen unterstützt: "Von der GTZ-Zentrale flossen zwischen 1998 und 2008 insgesamt rund 590.000 Euro an Einrichtungen von TI", teilte Transparency auf Anfrage mit. Dieses Geld sei für Aktivitäten in Lateinamerika und Afrika und für Arbeit zu "politischer Finanzierung" verwendet worden. Gleichzeitig sind Transparency und die GTZ auch Partner im Potsdam Centrum für Politik und Management an der Universität Potsdam, wo Elshorst Professor ist. Und ausgerechnet an diesem Zentrum wurde TI-Deutschland-Geschäftsführer Christian Humborg bei einem Professor promoviert, der wiederum wiederholt als GTZ-Gutachter tätig war. Das sind enge Verflechtungen für eine Organisation, die sich der Transparenz verschrieben hat.

Obendrein hat TI Millionen aus deutschen Entwicklungsgeldern erhalten: "Das Bundesentwicklungsministerium hat die Arbeit von Transparency International im Zeitraum von 2001 bis 2008 mit insgesamt rund 5,1 Millionen Euro unterstützt", teilte eine Ministeriumssprecherin mit. Gleichzeitig förderten nationale Entwicklungsagenturen, darunter wieder die GTZ, Projekte, die von TI alleine umgesetzt wurden oder bei denen TI alleiniger Vertragspartner war. Diese hatten in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt ein Volumen von 15,8 Millionen Euro - viel Geld für eine kleine Organisation. TI habe "gar nicht die personellen Kapazitäten, um entsprechende Gegenleistungen in Form von Projekten zu erbringen", sagt ein Ex-GTZler. Die großzügige finanzielle Unterstützung mit Entwicklungsgeldern berge zudem die Gefahr, dass TI weniger kritisch hinsehe, wenn in diesem Bereich Missstände auftreten.

Nähe zur Wirtschaft stößt auf Kritik

Bei Transparency weist man das zurück: Die GTZ habe etwas gegen Korruption tun wollen und könne im Rahmen ihrer Satzung unterstützen was sie wolle, sagt TI-Gründer Eigen. "Selbstverständlich" habe man ausreichend Kapazitäten, um die Projekte ausreichend umzusetzen.

Doch es ist vor allem die Nähe zur Wirtschaft, die Zweifel an der Unabhängigkeit von TI nährt. Denn die Finanzierung erfolgt zu einem großen Teil aus Spenden von Großkonzernen. In der deutschen Zweigstelle summieren sich die Mitgliedsbeiträge der sogenannten korporativen Mitglieder im vergangenen Jahr auf insgesamt 88.400 Euro - bei 254.353 Euro Gesamtertrag. Förderbeiträge und Spenden von Firmen machten weitere 24.300 Euro aus.

Transparency sieht darin kein Problem: "Wir erhalten von keinem Unternehmen mehr als zehn Prozent unserer jährlichen Einnahmen", heißt es da. Um Mitglied zu werden, müssen sich Unternehmen in einer nicht mit Sanktionen verknüpften Erklärung zu "hohen ethischen Standards im Geschäftsverkehr" verpflichten. Insgesamt 45 Unternehmen und Institutionen wie die GTZ, Allianz, BASF oder die Deutsche Bahn, wo TI-Geschäftsführer Humborg knapp zwei Jahre tätig war, haben diese imagewirksame Möglichkeit bisher genutzt.

Doch neben den Firmengeldern scheint es Transparency auch mit der Unabhängigkeit seiner Mitarbeiter nicht so genau zu nehmen. So sitzt etwa das Vorstandsmitglied Caspar von Hauenschild im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG - und bezieht gleichzeitig Ruhegeld von der HypoVereinsbank. Und TI-Geschäftsführer Humborg hatte bis vor kurzem mehr als fünf Prozent seines Vermögens in SAP-Aktien investiert - gleichzeitig ist der Software-Konzern mit 491.000 Euro seit 2003 einer der größten Spender der Organisation.

All das ist nicht verwerflich. Aber es wirft die Frage auf, wie unabhängig eine Organisation sein kann, die so eng an die Firmen gebunden ist, die sie überwachen will.

Dazu kommt: Trotz der hehren Ansprüche ist man wenig zimperlich, wenn es um Spenden geht: Auch von den US-Rüstungskonzernen Lockheed Martin und Northrop Grumman sowie den Erdölmultis Shell und ExxonMobil nahm Transparency Geld an. Und das, obwohl den Firmen von Umweltschützern und Menschenrechtlern die Finanzierung von Bürgerkriegen, Waffenhandel sowie die Zerstörung der Lebensgrundlagen in Ölfördergebieten vorgeworfen wird.

"Dass nicht alle Engel sind, ist klar"

Auch die derzeitige deutsche TI-Vorsitzende Sylvia Schenk war als Anwältin in der Frankfurter Kanzlei Ashurst tätig. Dort beriet sie den Finanzinvestor Advent International bei einem 865-Millionen-Euro-Deal mit dem französischen Konzern Lagardère, dem Teile des Rüstungsherstellers EADS gehören. Advent ist in Deutschland unter anderem an der Kerntechnikfirma Nukem beteiligt und macht in einem Konsortium Geschäfte mit der Carlyle Group. Diese investiert in Rüstung und wurde immer wieder wegen ihrer Verstrickungen mit der Regierung Bush kritisiert. Schenk wollte hierzu keine Stellung nehmen und berief sich auf ihre anwaltliche Schweigepflicht.

"Das Grundproblem ist relativ klar: Eine Anti-Korruptions-Organisation kann die Korruption nicht erfolgreich bekämpfen, wenn sie sich von denen, die bestechen, abhängig macht", sagt Hans See, langjähriger Aktivist gegen Wirtschaftskriminalität. Die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen TI und Wirtschaftsunternehmen seien selbst ein Fall für Transparency - "wenn diese Organisation das wäre, was sie zu sein vorgibt".

Ein Vorwurf, den man bei Transparency selbst nicht gelten lässt: Die Finanzierung durch Großkonzerne sei "als Risikofaktor bewusst", sagt Gründer Peter Eigen. "Denn natürlich erwartet der, von dem man Geld nimmt, dass man ihn auch gut behandelt." Trotzdem müsse das Geld ja irgendwo herkommen: "Wenn wir das nur von den Öffentlichen Stellen nehmen, wird man uns vorwerfen, dass wir von denen abhängig sind", sagt Eigen - und lässt keinen Zweifel an seinem Ansatz: "Man muss versuchen, eine Koalition zwischen denen herzustellen, die gegen Korruption sind. Das die nicht alle Engel sind ist klar."

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