Montag, 31. August 2009

Erstem Stadtrat-Piraten ist noch mulmig

Die Piratenpartei erzielt in Nordrhein-Westfalen kommunale Achtungserfolge, eine eigene formiert sich in Kanada. Ein Superhacker hofft auf Mindeststrafe von 15 Jahren, warum Teenies nicht twittern - das und mehr im Überblick.

Sie traten nur bei einer der drei Landtagswahlen an, bei der Kommunalwahl in NRW nur in zwei Städten, trotzdem feiert die Piratenpartei einen Doppelerfolg: Sowohl in Aachen als auch in Münster gelang es der Newcomer-Partei wie bereits berichtet, in die Stadtparlamente einzuziehen. Mit 1,7 und 1,6 Prozent reichte es für jeweils ein Mandat - und es hätte vielleicht sogar noch mehr werden können. Denn immerhin waren die Piraten nicht einmal in diesen beiden Städten flächendeckend angetreten. In Münster standen sie in 18 von 33 Stimmbezirken auf dem Wahlzettel, in Aachen sogar nur in 8 von 32. Dort holten sie dann aber auch in jedem möglichen Bezirk über sechs Prozent. Unterm Strich haben die Piraten in den beiden Universitätsstädten im Vergleich zur Europawahl ein wenig zugelegt. Damals erhielten sie 1,7 Prozent (Aachen) und 1,1 Prozent (Münster), konnten jedoch jeweils in der gesamten Stadt gewählt werden.

Trotz allem bleibt die Partei nach dem Wahlsonntag auf dem Niveau einer Splitterpartei. Das verdeutlicht auch das Ergebnis aus Sachsen. Dort war die Piratenpartei im Rahmen der Landtagswahlen angetreten und konnte in Dresden 3,4 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen, landesweit kam sie auf 1,9 Prozent und verfehlte damit klar den Einzug ins sächsische Landesparlament.

Der sächsische Kandidat Michael Winkler sagte der dpa, für eine Partei, die vor einem Jahr nahezu unbekannt gewesen sei, könne sich das Ergebnis sehen lassen. Die Sachsen-Wahl sei ein "Wegbereiter für die Bundestagswahl". Wahlforscher halten einen Einzug in den Bundestag aber für unwahrscheinlich. Die 2006 gegründete Piratenpartei Deutschland hat derzeit rund 6800 Mitglieder.

Marco Langenfeld
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Er wohnt noch bei seinen Eltern und kennt Kommunalpolitik bislang nur aus Zeitung und Internet. Dennoch will der erste gewählte Abgeordnete der Piratenpartei Akzente im Münsteraner Stadtrat setzen.

Marco Langenfeld ist erst vor drei Monaten zur Piratenpartei gestoßen. Am Sonntag ist der 22-Jährige schon in den Stadtrat von Münster eingezogen. Der Kfz-Mechatroniker kann es am Tag darauf immer noch nicht ganz fassen und schüttelt lächelnd den Kopf. «Da ist mir schon ein bisschen mulmig.» Mit 1,55 Prozent der Wählerstimmen hat er einen Sitz im Stadtparlament geentert, wo keine Fünf-Prozent-Hürde mehr gilt. Ein Parteifreund hat es in Aachen mit 1,7 Prozent geschafft. Beide sind die bundesweit ersten gewählten Mandatsträger der Piratenpartei.

Der Münsteraner Stadt-Pirat stürzt sich jetzt in die Lokalpolitik. «Ich werde mich richtig einarbeiten», kündigt er an. Er will sich mit seiner Partei beraten und absprechen. Einer allein könne nicht so viel bewirken, meint der große, dunkelhaarige Mann - er hat sich über die Rechte des Stadtverordneten schon informiert. Kommunalpolitik kennt er bislang nur aus Zeitung und Internet. Ein Thema liegt dem frischgebackenen Parlamentarier besonders am Herzen: Er ist gegen die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, etwa am Bahnhof von Münster oder in Bussen.

Fünf Jahre Zeit

Die Themen der Piratenpartei kreisen um die Informationsgesellschaft. Unter anderem fordert sie bessere Kontrollrechte des Einzelnen in Bezug auf die Nutzung seiner Daten, mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Seit der Europawahl sei die Mitgliederzahl auf etwa 7000 gesprungen, berichtet der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Jens Seipenbusch, ein Physiker, der in einer EDV-Abteilung der Universität Münster arbeitet. Das Gesetz der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderpornografie, das erstmals die Sperrung von Internet-Seiten vorsieht, hat den Zustrom verstärkt.

Im Herbst beginnt der Piratenvertreter in Münsters Stadtrat eine Ausbildung zum Kfz-Meister. Derzeit wohnt Marco Langenfeld bei seinen Eltern. Fürs Einarbeiten in die Lokalpolitik will er sich Unterlagen schicken lassen. «Ich weiß, dass es nicht einfach ist, habe aber fünf Jahre Zeit.» (Ulrike Hofsähs)

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