Mittwoch, 5. August 2009

Das Gefängnis der Piraten

Somalische Seeräuber in kenianischer Haft
Wenn somalische Seeräuber europäischen Marinen ins Netz gehen, landen sie in Kenias sicherster Haftanstalt. Die Anwälte der Piraten sagen, es gebe keine unabhängigen Untersuchungen.
VON ILONA EVELEENS
Im kenianischen Gefängnis haben sie kaum Kontakt zur Außenwelt: Vermeintliche somalische Piraten, hier vor einem Gericht im Jemen.

MOMBASA taz | Man sagt, das Shimo la Tewa ist das einzige Gefängnis in Kenia, aus dem ein Ausbruch unmöglich ist. Es liegt in der Hafenstadt Mombasa, unweit vom Meer. Die Wellen schlagen gegen Felsen, böiger Wind beugt die Palmen. Im schnellen Wechsel folgt Sonnenschein auf Regenwolken, es ist Monsun über dem Indischen Ozean.

Für rund 120 Insassen des Shimo la Tewa ist das Wetter ziemlich egal. Als vermeintliche somalische Piraten warten sie auf ihren Prozess. "Sie sind isoliert und haben keinen Kontakt zu den anderen Gefangenen oder der Außenwelt", erzählt Hussein Khaled von der islamischen Menschenrechtsorganisation Muhuri. "In Kenia werden eigentlich nur Häftlinge unter Terrorverdacht isoliert."

Seit eine Frau das Gefängnis leitet, werden die Gefangenen besser behandelt. Muhuri hat ein kleines Büro bekommen, um die Häftlinge in Shimo la Tewa betreuen zu können. "Aber es ist uns noch nicht gelungen, mit den somalischen Insassen zu sprechen", klagt Hussein Khaled. "Die befinden sich in einem abgeschlossenen Teil des Gefängnisses, von somalisch sprechenden Aufsehern bewacht."

Die wenigen Kontakte, die die Somalier mit der Außenwelt haben, sind die Begegnungen mit ihren Anwälten. "Faire Prozesse für somalische Piraten sind unmöglich in Kenia", meint Francis Kadima, der 34 der mutmaßlichen Seeräuber verteidigt. "Kenia hat ein Abkommen mit der EU, den USA und Kanada unterschrieben, wonach deren Marine gefangene Piraten den kenianischen Behörden übergeben können, um ihnen in Kenia den Prozess zu machen. Aber keiner weiß, was genau in dem Abkommen steht. Die ganze Sache stinkt."

Der Anwalt hat sein Büro im stickigen Erdgeschoss eines Gebäudes in der Altstadt von Mombasa, nicht weit vom Meeresufer. Schon im 14. Jahrhundert war die Hafenstadt ein Zentrum für Händler aus Persien, der arabischen Welt, Indien und China. Im Rhythmus der Monsunwinde, die in einer Jahreszeit Segelschiffe von der arabischen Halbinsel und dem indischen Subkontinent Richtung Ostafrika treiben und in der anderen wieder zurück, brachten die Händler Elfenbein und Sklaven aus Afrika nach Asien.

Mombasa in Kenia, die Insel Sansibar im heutigen Tansania, aber auch somalische Hafenstädte sowie das arabische Küstenreich Oman waren an diesem Handel beteiligt, der die beiden Kontinente miteinander verband, lange bevor Europa eine Rolle spielte. Heute ist diese Route weiterhin wichtig für den Welthandel zwischen Afrika und Asien und auch für die Öltanker, die durch den Golf von Aden ins Rote Meer Richtung Mittelmeer fahren. Mehr als 20.000 Schiffe im Jahr gibt es - reiche Beute für Piraten.

Die europäischen Länder, die jetzt die Gewässer vor Somalia patrouillieren und gefangene somalische Piraten in Kenia absetzen, greifen der kenianischen Justiz und dem Gefängniswesen finanziell unter die Arme, um die Kosten der Piratenprozesse zu decken. Aber Anwalt Kadima glaubt, dass trotz dieser finanziellen Unterstützung die kenianische Justiz die Prozesse nicht bewältigen wird.

"In Kenias Justiz insgesamt gibt es einen Rückstau von mehr als 860.000 Gerichtsverfahren, die auf ihre Eröffnung warten", erklärt er. "Wir haben einen großen Mangel an Richtern. Kenianer haben kein Vertrauen in das Justizsystem, und die Gefängnisse sind übervoll." Prozesse in Kenia können sich jahrelang hinziehen. Vor Kurzem erst wurden zehn Somalier verurteilt, die schon im Jahr 2000, als Piraterie noch selten war, ein Schiff gekapert hatten.

Von einer unabhängigen Untersuchung der Vorwürfe gegen abgelieferte Piraten durch Kenias Justiz könne keine Rede sein, sagt Anwalt Kadima, denn das Beweismaterial liefern die europäischen Marinebesatzungen, die die Häftlinge abliefern, gleich mit. "Das Niveau des Rechtsweges in den Ländern, die hier Piraten abliefern, ist viel besser als bei uns. Aber auf einmal finden diese Länder, dass für somalische Piraten Kenias Justizsystem ausreicht."

Dem Anwalt gelang es erst nach Monaten, einen Richter davon zu überzeugen, den Somaliern den Kontakt zu ihren Familien zu erlauben. Diese hatten bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung von dem Verbleib ihrer Angehörigen. Wer die Anwälte bezahlt, ist auch noch unklar. Die Länder, deren Marinen die Somalier auf hoher See verhafteten, kommen dafür nicht auf.

Hassan Greeve, ein ehemaliger Polizist, der jetzt für eine Gefangenenhilfsorganisation arbeitet, sieht das alles sehr abgeklärt. "Der Westen hat keine Lust, sich mit den Problemen Somalias zu beschäftigen, und ist froh, gegen etwas Geld die Prozesse auf Kenia abschieben zu können", meint er. Er findet, dass die Rechte der inhaftierten Somalis verletzt werden. "Es fängt schon damit an, dass die Länder, die sie hier abliefern, sie als Piraten abstempeln. Mit diesem Wort sind die Menschen schon vorverurteilt." Gerechtigkeit, glaubt er, würde nur ein internationales Tribunal bringen.

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