Dienstag, 4. August 2009

EU knickt gegenüber Iran ein

Widerspruch zum harten Kurs

von Benjamin Dierks (Berlin) und Najmeh Bozorgmehr (Teheran)

Trotz der Kritik am Umgang Teherans mit seinen Kritikern scheut die EU einen ernsten diplomatischen Konflikt mit dem Iran. Sowohl die schwedische EU-Ratspräsidentschaft als auch einzelne EU-Staaten nehmen an der Amtseinführung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad teil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen gab bekannt, sie wolle "angesichts der Begleitumstände der umstrittenen Wiederwahl" Ahmadinedschads auf das übliche Glückwunschschreiben verzichten.

An der offiziellen Bestätigung Ahmadinedschads durch den iranischen Führer Ayatollah Ali Chamenei nahm am Montag allerdings auch ein deutscher Vertreter teil. Man habe nach enger Abstimmung mit den EU-Partnern einen niedrigrangigen Diplomaten geschickt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Schweden schickte seinen Botschafter in Teheran, Magnus Wernstedt. Dieser wird als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft auch zur Vereidigung Ahmadinedschads am Mittwoch vor dem iranischen Parlament erscheinen. Deutschland berät die Teilnahme an der Zeremonie noch mit anderen EU-Staaten.

Das Verhalten der EU steht in deutlichem Widerspruch zum harten Kurs, den Brüssel noch Anfang Juli verfolgt hatte. Damals wurde beschlossen, dass iranische Diplomaten vorerst keine Visa für die Einreise in die EU erhalten sollten. Ein formelles Einreiseverbot wurde geprüft. Die Bundesregierung und andere EU-Länder hatten dem Iran mit Konsequenzen gedroht, sollte die Verfolgung iranischer Regimekritiker weitergehen. Hunderttausende Iraner hatten ihrer Führung nach dem Urnengang am 12. Juni Wahlfälschung vorgeworfen. Hunderte wurden festgenommen und zahlreiche Menschen bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften getötet.

Beim letzten Mal durfte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad (M.) den obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei (l.) noch die Hand küssen. Nun war bei seiner Bestätigung als Regierungschef nur ein Schulterkuss erlaubt. Ein Beamter beobachtete die Szene
Beim letzten Mal durfte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad (M.) den obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei (l.) noch die Hand küssen. Nun war bei seiner Bestätigung als Regierungschef nur ein Schulterkuss erlaubt. Ein Beamter beobachtete die Szene

Die EU protestierte mit ihren Schritten gegen Teheran auch gegen die damalige Festnahme iranischer Mitarbeiter der britischen Botschaft in Teheran. Die Beziehungen zwischen London und Teheran hatten sich besonders verschlechtert, weil der Iran den Briten Einmischung in innere Angelegenheiten vorwarf. London zog die Angehörigen seiner Diplomaten aus Teheran ab. An der Zeremonie zur Bestätigung Ahmadinedschads nahm nun aber auch der Stellvertreter des britischen Botschafters in Teheran teil. Dennoch skandierten Kleriker, Militärangehörige und Kabinettsmitglieder bei der Zeremonie: "Nieder mit Großbritannien."

Die EU befürchtet, dass eine harte Gangart gegen Teheran die Möglichkeiten schmälern könnte, diplomatisch Einfluss auf die iranische Führung zu nehmen. Vor allem wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms will der Westen die Beziehungen nicht vollständig abbrechen lassen.

Iranische Regierungskritiker hingegen machten mit einer beispiellosen Aktion ihre Ablehnung der Wiederwahl Ahmadinedschads deutlich. Die ehemaligen Präsidenten Mohammed Chatami und Akbar Haschemi Rafsandschani, Vorsitzender des einflussreichen Expertenrats, blieben entgegen fester Regeln der Zeremonie fern. Vor vier Jahren noch hatte Chatami dem neu gewählten Ahmadinedschad in seiner Rolle als Amtsvorgänger der Tradition gemäß ein Schreiben des obersten Führers übergeben. Am Montag musste Chamenei diese Prozedur selbst vollziehen.

Das Fernbleiben der einflussreichen Politiker verdeutlicht den tiefen Riss in der iranischen Elite. Chamenei sagte während der Zeremonie, dass "Teile der Elite" den "Test" der Wahl nicht bestanden hätten. Damit nahm er Bezug auf die Politiker, die nicht anwesend waren. Auch der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mirhossein Mussawi boykottierte die Zeremonie. Tausende seiner Anhänger protestierten Berichten zufolge in Teheran gegen die Präsidentschaftswahl. Polizisten versuchten, die Menge auseinanderzutreiben. Am Wochenende hatte ein umstrittener Prozess gegen hundert prominente Regimekritiker begonnen.

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