Sonntag, 30. August 2009

Justizchef entläßt Staatsanwalt

Iran: Prüfung von angeblichen Häftlingsmißhandlungen angeordnet

Unter den Regierenden im Iran zeichnen sich wachsende Differenzen ab. Der neue Leiter der iranischen Justiz, Sadek Laridschani, entließ den bei der Opposi­tion berüchtigten Teheraner Staatsanwalt Said Mortasawi, wie die amtliche Nachrichtenagentur IRNA am Samstag abend meldete. Zugleich ordnete der Bruder von Parlamentspräsident Ali Laridschani eine Prüfung der Berichte über Mißhandlungen von inhaftierten Oppositionellen an. Der als Hardliner geltende Mortasawi hatte nach den Protesten gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl vom 12. Juni Anklage gegen Dutzende Demonstranten erhoben. Mehr als 100 von ihnen stehen seit dem 1. August in einem Verfahren vor Gericht, das von Kritikern als Schauprozeß verurteilt wird. Während seiner gesamten Amtszeit hat Mortasawi politische Aktivisten sowie regimekritische Journalisten verhaften lassen. Außerdem hat er die Schließung von mehr als 120 Zeitungen verfügt. Von »Reformern« wird er als »Schlächter der Presse« und »Folterer von Teheran« bezeichnet.

Justizchef Laridschani ernannte laut IRNA Abbas Dschafari Dowlatabadi zum neuen Teheraner Staatsanwalt. Zugleich wurde klargestellt, daß die angelaufenen Prozesse gegen Oppositionelle weitergehen würden. Dennoch werteten Beobachter die Entlassung Mortasawis als Hinweis auf einen gemäßigteren Kurs des neuen Justizchefs. Dafür spricht auch, daß Sadek Laridschani ein dreiköpfiges Gremium zur Prüfung der Foltervorwürfe im Gefängnis Kahrisak ernannte.

Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mahdi Karrubi hat das inzwischen geschlossene Gefängnis wiederholt mit der Haftanstalt Abu Ghraib in Bagdad verglichen, wo US-Soldaten irakische Gefangene demütigten und folterten. Dazu erklärte Parlamentspräsident Ali Laridschani, bei einer parlamentarischen Untersuchung hätten sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen. Karrubi hielt dem jetzt entgegen, eine sorgfältige Prüfung hätte niemals in so kurzer Zeit zu einem so eindeutigen Ergebnis kommen können.

Beobachter konstatieren, daß die Brüder Laridschani zunehmend auf Konfrontationskurs zu Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu gehen scheinen. Dazu gehöre auch, daß Justizchef Sadek Laridschani den von Ahmadinedschad entlassenen Geheimdienstminister Gholem Mohseni Edschehi zum Generalstaatsanwalt ernannte.


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