Neue Vorwürfe aus Teheran: Irans Führung wirft drei US-Bürgern vor, die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen unterstützt zu haben. Die Männer waren im Grenzgebiet zum Irak festgenommen worden - nun könnten sie wegen Spionage angeklagt werden.
Teheran - Irans Führung vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Grenzübertritt von drei US-Bürgern und den gewaltsamen Protesten nach der Präsidentenwahl. Vor dem Hintergrund der Unruhen könne es kein Zufall gewesen sein, dass die US-Bürger vom Irak aus in Iran eindringen wollten, sagte der ranghohe Parlamentsabgeordnete Mohammed Karamirad am Montag einer Meldung der Agentur Irna zufolge.
"Welches Ziel verfolgten sie in Iran? Warum beantragten sie keine Einreiseerlaubnis für Iran?", erklärte Karamirad, der auch Mitglied im Parlamentsausschuss für Außenpolitik und Nationale Sicherheit ist.
Die drei US-Bürger waren Ende Juli bei einer Wanderung im irakisch-iranischen Grenzgebiet festgenommen worden.
Die USA forderten die Freilassung der drei Amerikaner. Es handle sich um unschuldige junge Leute.
Am Sonntag hatte die iranische Führung die Festnahme der drei Männer bestätigt. Amerikanischen und kurdischen Angaben zufolge handelt es sich um freie Journalisten, die bei einer Rucksacktour am 31. Juli in der nordirakischen Kurdenregion versehentlich die kaum markierte iranische Grenze überschritten. Teheran wirft ihnen illegale Einreise vor und prüft Berichten zufolge, sie auch wegen Spionage anzuklagen.
Frankreich: "Vom Verfahren überrumpelt"
Die Missbrauchsvorwürfe im Zusammenhang mit iranischen Gefängnissen werden unterdessen immer heftiger. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mahdi Karrubi beschuldigte Irans Behörden am Montag schwer: Zahlreiche Regierungskritiker seien im Gefängnis vergewaltigt worden. Karrubi zitierte entlassene Häftlinge, die erklärten, junge weibliche und männliche Gefangene seien "brutal vergewaltigt" worden. Der sexuelle Missbrauch habe zu Depressionen und schwerwiegenden psychologischen Problemen bei den Opfern geführt, schrieb Karrubi in einem Brief an den einflussreichen Ex-Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Karrubi beruft sich auf Aussagen ranghoher Behördenvertreter.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy drang auf eine rasche Freilassung der in Iran inhaftierten Universitätsdozentin Clotilde Reiss. Sarkozy setze sich mehr als je zuvor bei all jenen ein, die zu einer schnellen Lösung und zur Befreiung der Französin beitragen könnten, erklärte am Montag sein Büro. Dass die 24-jährige Lektorin rasch freikomme, sei "sein wichtigstes Ziel" in dieser Angelegenheit. Der Präsident, der seit zehn Tagen in Südfrankreich im Urlaub ist, verfolge die Entwicklung des Falles "äußerst aufmerksam".
Der französische Außenminister Bernard Kouchner hatte zuvor die Freilassung der jungen Frau verlangt. Er wiederholte mehrfach, dass die Vorwürfe der iranischen Führung gegen Reiss haltlos seien. Die Französin hatte laut iranischen Angaben am Samstag vor dem Revolutionsgericht in Teheran zugegeben, einen Bericht über die Proteste gegen die umstrittene Präsidentenwahl im Juni verfasst und sich an Demonstrationen beteiligt zu haben. Laut Kouchner wurde sie "wahrscheinlich" zu dem Geständnis gedrängt.
Reiss war am 1. Juli verhaftet worden. Sie wurde zunächst der Spionage angeklagt, weil sie die Proteste mit ihrem Mobiltelefon fotografiert und die Bilder ins Ausland versendet haben soll. Die islamische Republik wirft ihr zudem vor, zu den Protesten nach der Wahl aufgerufen zu haben.
"Als ob eine junge Französin Millionen von Menschen zu Demonstrationen anstacheln könnte, das ist doch unseriös!", sagte Kouchner. Sämtliche Anschuldigungen gegen die mittlerweile 24-jährige Französin seien haltlos und "trügerisch".
Von der Anhörung von Reiss und der Botschaftsmitarbeiterin Nazak Afshar am Samstag sei das Außenministerium in Paris überrascht worden. Das Verfahren sei ein Spektakel. Weiter wolle er sich nicht dazu äußern. Kouchner betonte, sowohl Reiss als auch die Franko-Iranerin Afshar seien nicht nur Französinnen, sondern auch EU-Bürgerinnen. Deswegen gebe es auch eine europäische Forderung nach Freilassung.
Die europäische Union hatte am Wochenende die Massenprozesse in Teheran einstimmig verurteilt.
Ebadi fordert mehr internationalen Druck
Bei den Protesten gegen die umstrittenen Präsidentenwahl mit mindestens 30 Toten waren rund 2000 Oppositionelle festgenommen worden. Derzeit müssen sich gut hundert Demonstranten vor Gericht verantworten, darunter auch eine Französin sowie iranische Angestellte der britischen und französischen Botschaft. Westliche Regierungsvertreter kritisierten die Gerichtsverfahren als "Schauprozesse".
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi forderte stärkeren internationalen Druck für eine demokratische Entwicklung ihres Landes. Militärische und wirtschaftliche Sanktionen lehne sie ab, weil sie die Situation in Iran nur verschlimmern würden, sagte Ebadi am Montag der südkoreanischen Zeitung "Chosun Ilbo".
Gleichwohl könne die internationale Öffentlichkeit zu einer Demokratisierung des Landes beitragen. Ebadi kündigte an, ihre Kampagne gegen die Zensur in Iran auszuweiten. "Ich will alle Menschen wissen lassen, was in Iran vor sich geht, und ihn zu einem freien Land machen", sagte die Anwältin.
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