Montag, 3. November 2008

Ypsilanti mit Regierungsübernahme in Hessen gescheitert

Die Pläne der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, mit Hilfe der Linkspartei die Regierung zu übernehmen, sind am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert.

Einen Tag vor der geplanten Ministerpräsidentenwahl kündigten vier SPD-Abgeordnete Ypsilanti am Montag die Gefolgschaft auf. Die Abgeordneten um den stellvertretenden SPD-Landeschef Jürgen Walter begründeten ihren Schritt vor allem mit der Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Damit hat Ypsilanti im Landtag keine Chance auf eine Mehrheit. Die 51-Jährige wollte sich am Dienstag gut neun Monate nach der Landtagswahl zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Zur Ablösung der geschäftsführenden Regierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hätte sie auch die Stimmen der Linkspartei benötigt.

Ypsilantis langjähriger Rivale Walter und die Abgeordneten Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts kündigten gemeinsam an, dass sie nicht für Ypsilanti stimmen könnten. Sie schlossen zugleich aus, dass sie den amtierenden Regierungschef Koch unterstützen. Ziel der SPD bleibe die Ablösung der Regierung Koch, sagte Everts: "Von daher schließt sich das aus." Alle vier wollen Mitglieder der SPD-Fraktion bleiben. Einen Austritt aus der SPD lehnte Walter ab: "Von selbst möchte ich nicht aus dieser Partei austreten."

Die vier Abgeordneten plädierten für die Suche nach einem neuen Regierungsbündnis jenseits der Linkspartei. Ziel bleibe die Ablösung Kochs, sagte Everts. Rechnerisch möglich wären sowohl eine große Koalition wie auch eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP. Metzger sagte, wenn es keine Regierungsbildung gebe, seien Neuwahlen wahrscheinlich.

ABGEORDNETE BERUFEN SICH AUF GEWISSENSKONFLIKT

Damit ist auch Ypsilantis zweiter Anlauf gescheitert. Bereits im Frühjahr hatte sie ein rot-grünes Minderheitsbündnis erwogen. Sie zog diese Überlegungen aber zurück, nachdem die SPD-Abgeordnete Metzger wegen der Kooperation mit der Linkspartei ein Nein angekündigt hatte. Trotz ihres Neins hätte Ypsilanti am Dienstag mit den übrigen Stimmen der SPD sowie mit den Grünen und der Linksfraktion gerade noch die erforderliche absolute Mehrheit von 56 Stimmen erreicht. Durch die drei weiteren Abweichler ist dies nun aussichtslos.

Alle vier Abgeordneten wandten sich gegen eine Kooperation mit der Linkspartei. "Die Linke ist eine in Teilen linksextreme Partei", sagte Everts. Sie selbst sei "zutiefst zerrissen" angesichts ihrer Bedenken und der Loyalität zu ihrer Partei. Walter sprach davon, er sei "hin und her gerissen" gewesen zwischen der Loyalität zur SPD und der tiefen Überzeugung, dass eine "von den Linken tolerierte Minderheitsregierung diesem Land, aber auch meiner Partei schaden würde". Tesch sagte, sie sei "nicht jemand, der verdeckt agiert und andere ins offene Messer laufen lässt". Daher hätten sie sich vor der geplanten Ministerpräsidentenwahl offen zu ihrer Ablehnung bekannt.

Das Nein der Abgeordneten traf Ypsilanti wie auch die Parteispitze in Berlin unvorbereitet. Die Abgeordneten unterrichteten Ypsilanti am Montagmorgen, nachdem sich Ypsilanti noch am Wochenende darauf berufen hatte, dass Walter ihr in einem Vier-Augen-Gespräch seine Stimme zugesagt habe. Auch nach Abschluss des Koalitionsvertrages vor zehn Tagen hatte Walter gesagt: "Ich werde Frau Ypsilanti wählen am Dienstag."

Auch die Bundes-SPD wurde von der Wende überrascht. Parteichef Franz Müntefering wollte am Nachmittag selbst vor die Presse treten und sich um Schadensbegrenzung bemühen. Der Streit über den Kurs in Hessen und die Zusammenarbeit mit der Linkspartei hatte die SPD über Monate zermürbt, da vor allem der rechte Parteiflügel jedes Zusammengehen ablehnte. Erst mit dem Rücktritt von SPD-Chef Kurt Beck und der Rückkehr Münteferings kehrte nach außen Ruhe ein. Müntefering hatte stets die Linie vertreten, dass über Koalitionen auf Länderebene entschieden werde. Jede Art der Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund nach der Bundestagswahl 2009 schloss er aus.

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