Thilo Thielke, Bangkok
Verhärtete Fronten in Thailand: Die Führung lehnt einen Rücktritt ab - und die Regierungsgegner wollen den besetzten Flughafen nicht räumen. Jetzt strömen immer mehr Demonstranten zum Airport und richten sich auf eine längere Blockade ein.
Bangkok/Berlin - Die Fronten in der thailändischen Regierungskrise verhärten sich weiter. Die verfeindeten Lager haben am Mittwoch Forderungen des mächtigen Militärs zurückgewiesen, die Lage zu entschärfen. Ein Sprecher von Ministerpräsident Somchai Wongsawat lehnte am späten Nachmittag einen Rücktritt der politischen Führung und rasche Neuwahlen ab, wie sie zuvor Armeechef Anupong Paochinda verlangt hatte. Somchai habe wiederholt erklärt, Regierung wie Parlament seien demokratisch gewählt und würden deswegen im Amt bleiben.
Auch ein Sprecher der Regierungsgegner, die den internationalen Flughafen von Bangkok besetzt halten, wollte von Zugeständnissen nichts wissen. General Anupong hatte die Anhänger der Volksallianz für die Demokratie (PAD) aufgerufen, die Blockade des Airports und der Regierungsgebäude in Bangkok zu beenden. Der Oppositionssprecher beharrte jedoch darauf, dass zunächst der Ministerpräsident das Amt niederlegen müsse.
Die PAD-Demonstranten hatten den Flughafen in der Nacht zu Tausenden gestürmt und den Flugverkehr zum Erliegen gebracht. Sie wollten so die Rückkehr Somchais vom Apec-Gipfel in Peru verhindern. Der Ministerpräsident wich daher am Nachmittag nach Chiang Mai im Norden des Landes aus.
Nach seiner Landung sagte Somchai, er habe "noch keine Entscheidungen" getroffen, was die Forderungen des Armeechefs anbelange. Später ließ er ausrichten, er wolle einen "Ruhetag" einlegen. Für Donnerstag war eine Kabinettssitzung geplant, allerdings wurde nicht mitgeteilt, wie Somchai von Chiang Mai nach Bangkok gelangen wolle. Später hieß es, dass sich der Regierungschef noch am selben Tag mit einer Fernsehansprache an das thailändische Volk wenden wollte.
Nun strömen immer mehr Demonstranten in den typischen gelben T-Shirts zum besetzten Flughafen Survanabhumi einige Kilometer vor der Stadt. In Bussen werden sie zu den Terminals gebracht. Mit Knüppeln bewaffnete und vermummte Regierungsgegner kontrollieren an provisorischen Checkpoints die Zufahrtstraßen.
In den Flughafengebäuden versuchen kleine Demonstrantentrupps etwas Ordnung in das bisher friedliche Chaos zu bringen. Über Megafon schicken Rädelsführer kleine Gruppen von je etwa 20 jungen Männern los, die an Ausgängen oder längst verlassenen Schalter von Fluggesellschaften Position beziehen. Die Demonstranten richten sich offenbar auf eine lange Nacht am Flughafen ein. Helfer verteilen Essen und Getränke, Händler verkaufen Zahnbürsten, Kleidung oder Strohmatten. Touristen sind in den An- und Abflughallen kaum noch zu sehen. Die meisten Urlauber hat die thailändische Tourismusbehörde mit Bussen in Hotels im Stadtzentrum von Bangkok gebracht.
Deutsche Reiseveranstalter haben im Laufe des Tages ihre Flüge über oder nach Bangkok für Mittwoch und Donnerstag gestrichen. Nicht betroffen sind demnach andere Ziele in Thailand wie Phuket. "Wir zerschlagen unser eigenes Porzellan", zürnte der Direktor des thailändischen Tourismusverbandes, Wichit Na-Ranong. Wenn in der beginnenden Hauptsaison nur die Hälfte der Touristen kämen, verlöre das Land mehr als zwei Milliarden Euro.
Auswärtiges Amt rät zur Vorsicht
Das Auswärtige Amt fordert Reisende angesichts der politischen Auseinandersetzungen in Thailand zu erhöhter Aufmerksamkeit auf. Die künftige Entwicklung sei "unkontrollierbar", Voraussagen seien "schwierig", hieß es am Mittwoch in den aktualisierten Reisehinweisen des Berliner Außenministeriums. Die thailändischen Sicherheitskräfte ließen die Demonstranten gewähren, um Gewalt zu vermeiden.
Den von den Demonstranten besetzten internationalen Suvarnabhumi-Flughafen östlich von Bangkok sollen Reisende nicht ansteuern, rät das Außenministerium. Andere Flughäfen in Thailand seien bislang nicht betroffen. In den kommenden Wochen müsse in Bangkok mit "möglicherweise gewaltsamen" Demonstrationen gerechnet werden. Das Gebiet um den Regierungssitz, der seit August von Demonstranten belagert wird, sollen ausländische Reisende meiden.
Die oppositionelle PAD wirft der Regierung des Landes vor, Strohmänner des vor zwei Jahren gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra zu sein. Thaksin lebt im Exil und hat gerade seine Absicht bekräftigt, in die thailändische Politik zurückzukehren - nach monatelangen Beteuerungen des Gegenteils. Die Regierungspartei PPP wurde von seinen Anhängern gegründet. Regierungschef Somchai ist Thaksins Schwager.
Die PAD argwöhnt, dass die PPP mit einer Verfassungsänderung die Rückkehr Thaksins vorbereiten will. Thaksin wurde im Oktober in Abwesenheit wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Die am Montag begonnenen neuen Demonstrationen bezeichnen die Oppositionellen als "letztes Gefecht" zum Sturz der Regierung. Am Dienstag kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und -anhängern. PAD-Mitglieder schossen dabei auf Regierungsanhänger. Mindestens elf Menschen wurden verletzt.
Am Mittwoch erschossen Anhänger der Regierung im Norden Thailands nach Polizeiangaben einen Oppositionellen. Der Sohn des Getöteten betreibe in Chiang Mai einen regierungskritischen Radiosender, teilte ein leitender Ermittler mit.
In Bangkok kündigten Regierungsanhänger nach der Stürmung des Flughafens an, nun selbst auf die Straße zu gehen.
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