Die Antwort auf diese Frage ist einfach: die Internationale Gemeinschaft. Als sich die Lage in Nord-Kivu so stark verschlechterte, dass wegen den andauernden Kämpfen, die seit dem 28. August 2008 wieder ausgebrochen worden waren 1,6 Millionen Personen – d.h. ein Fünftel der Bevölkerung der Bevölkerung von Nord-Kivu – aus ihren Dörfer flüchten mussten, waren alle Vertreter der Internationalen Gemeinschaft da: die Leiterin der Afrika-Abteilung des US-Außenministeriums Jendayi Frazer, der britische Außenminister David Miliband, der französische Außenminister Bernard Kouchner, der belgische Außenminister Karel de Gucht und der EU-Kommissar für die humanitäre Hilfe Louis Michel. Sie alle, zusammen mit Alain Le Roy, dem Vertreter des UNO-Generalsekretärs Ban Ki Moon und dem Leiter der UNO-Mission in der DR Kongo Alan Doss haben sich dafür eingesetzt, weitere Kriegshandlungen zu stoppen. Die Frage war nur: wie?
Bernard Kouchner bevorzugte ein stärkeres Mittel: EU-Soldaten nach Nord-Kivu zu schicken. Etwa 500 bis 1.000 von ihnen hätten den UNO-Friedenstruppen, die 17.000 Mann zählen, bei der Behaltung des Friedens vom Nutzen werden können. Seine Kollegen von der Internationalen Gemeinschaft waren vorsichtiger. Eine EU-Truppe bei der auch französische Soldaten teilnehmen werden könnten wäre in Ruanda wie ein rotes Tuch empfunden. Frankreich hat, so die ruandische Regierung, die Verantwortlichen für das Genozid von 1994 unterstützt während ein französischer Richter hat sich gewagt, Haftbefehle gegen die engsten Mitarbeiter des jetzigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame wegen des Abschusses des Flugzeuges des früheren Präsidenten Ruandas Juvénal Habyarimana, auszustellen. Da Frankreich jetzt den Vorsitz der EU hat, das wäre zumindest taktlos. Besser wäre es zu versuchen, die Protagonisten des Konfliktes, die Präsidenten der DR Kongo Joseph Kabila und Ruandas Paul Kagame und, wenn möglich, den Rebellenführer Laurent Nkunda zum Verhandlungstisch zu bringen. Das Ort für die Verhandlungen ist bereits ausgesucht. Es sollte Nairobi, die Hauptstadt Kenias sein. Die Verhandlungen sollten auch schon in diese Woche anfangen.
Diese mildere Medizin schien besser angepasst zu werden. Doch ganz wirksam zeigte sie sich auch nicht. Die Regierung der DR Kongo hat sich geweigert direkt mit der Rebellion des Generals Nkunda zu verhandeln und Nkunda hat gedroht, er wird sie umstürzen, falls es zu keinen direkten Verhandlungen zwischen der Kongolesischen Regierung mit ihm kommen würde. Die UNO- Mission in der DR Kongo hat sofort reagiert. Sie hat verkündet, sie habe das Mandat, die Rebellen zu verhindern, in die Provinzhauptstadt Goma einzumarschieren. Doch der Pressesprecher des Generals Nkunda hat diese Entscheidung der Regierung aus Kinshasa als einen Sabotageakt, der zur Wiederaufnahme des Krieges „gegen seines eigenen Volkes“ führt bezeichnet und dabei betont, dass das Volk, sich gegen diese Regierung, die sich gegen das Parlament rebelliert hat, verteidigen wird.
Offensichtlich wirkt die Medizin der Internationalen Gemeinschaft nicht, zumindest noch nicht. Vielleicht sind die US-Präsidentschaftswahlen spielen dabei auch eine Rolle. Die elektronische Zeitung „Agoravox“ hat noch am 30. Oktober 2008 davor gewarnt, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit am 4 November von den Ereignissen in DR Kongo auf jenen in Washington so stark abgelehnt wird, dass die Rebellen des Generals Nkunda die Lage dazu ausnützen werden können. Goma einzunehmen. Dies umso mehr, weil sich die UNO-Mission in der DR Kongo nicht besonders angestrengt hat, den Frieden in Nord-Kivu zu bewahren und weil sie, sogar mit den Rebellen des Generals Nkunda zusammengearbeitet hat. Das ist umso heikler, weil der General Nkunda sich bereits an den Massakern in Kisangani 2002 teilgenommen hat weil er, wegen Kriegsverbrecher und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit September 2005 international gesucht ist. Zwar negiert Nkunda alle diese Anschuldigungen, die Tatsache ist aber, dass er sich, als Angehöriger des Tutsi-Volkes, noch als Student der Psychologie der Ruandischen Patriotischen Front vom jetzigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame angeschlossen hatte und als solcher in der von Ruanda unterstützten Rebellion der RCD-Bewegung im Osten der DR Kongo teilgenommen hat. Nach dem Frieden von Pretoria 2003, hat Nkunda abgelehnt, sich dem sogenannten integrierten Generalstab der kongolesischen Armee anzuschließen und hat begonnen, während der Präsidentschaftswahlen von 2006, das Osten der DR Kongo zu destabilisieren. Erst als es zu den Gesprächen zwischen der Regierungen Kongos und Ruanda Anfang Jänner 2007 kam, verkündete Nkunda, dass seine Leute angefangen haben, sich an die kongolesische Regierungsarmee anzuschließen. Doch schon im Mai desselben Jahres, drohte Nkunda, seine Soldaten aus der gemeinsamen Einheiten zurückzuziehen, nachdem die UNO Friedensmission öffentlich gestand, dass sich ruandische und ugandische Truppen aufs kongolesischem Boden befänden. Und – als Louise Arbour, die UNO-Hochkomissarin für Menschenrechte ihn als Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen in DR Kongo zwischen 1993 und 2003 anklagte.
Anfang Dezember 2007 kam es zu einer großen Offensive der Regierungstruppen gegen die Rebellen des General Nkunda mit der Unterstützung von UNO-Friedenstruppen. Diese Offensive aber scheiterte. Innerhalb zehn Tagen wurden die Regierungstruppen zurückgeschlagen und sie verloren mehrere Tausend Soldaten. Für dieses Scheitern wurde die UNO-Mission in DR Kongo beschuldigt, weil sie nicht genug eng mit den Regierungstruppen zusammengearbeitet hat. Diese Zweifeln verdichteten sich, nachdem Oberst Chand Saroha, der die UNO-Truppen bei der strategisch wichtigem Ort Sake, unweit von Goma kommandierte, bei seiner Abschiedszeremonie in Anwesenheit von General Nkunda und seines Generalstabes, Nkunda als „Bruder“ der für eine „edle Sache kämpft“ bezeichnete und ihn sogar mit einer Ehrenmedaille auszeichnete. Die UNO nahm Distanz zum indischen Oberst, aber dabei blieb es. Inzwischen wurde es auch bekannt, dass die UNO in die Ausplünderung des Osten des DR Kongos beteiligt war und die BBC hat sogar am 29. April 2008 die indischen und pakistanischen UNO-Blauhelmen für die Bewaffnung der Rebellen gegen Gold beschuldigt. Da die UNO auch in anderen Skandalen, vor allem bei der Verleihung von humanitärer Hilfe gegen sexuelle Dienste verwickelt war, wurde sie von der lokalen kongolesischen Bevölkerung in Nord Kivu als eine neue „negative“ Kraft betrachtet. Auffallend war jedoch, dass die UNO, jeden Bericht über die Anwesendheit der ruandischen und ugandischen Soldaten in Ostkongo oder über die Verwicklung von hohen, vor allem ruandischen Persönlichkeiten in die Ausplünderung von Kongo verheimlicht hatte. Offensichtlich stand es etwas mehr hinter der Bewegung von General Nkunda und seine Wiederaufnahme des Krieges am 28. August 2008.
Was könnte der Anlass für die Offensive der Rebellen sein? Laut der kongolesischen Zeitung „Le Phare“ vom 31. Oktober 2008 könnte es sein, dass die Rebellen des General Nkunda den Winkel aus Ruanda bekommen haben, auf diese Weise den Durchgang des chinesischen Materials für die Wiederaufbau des Landes zu verhindern. Immerhin hat die Unterzeichnung eines großen Handelsvertrages, den die DR Kongo mit China im Sommer 2008 abgeschlossen hatte das Irre der Internationalen Gemeinschaft, d.h. des Westens verursacht. Die DR Kongo hat sich verpflichtet für 30 Jahren von den Chinesen wiederaufgebaut zu werden und ihnen dafür in Rohstoffen zu bezahlen. Nun, gerade in Nord-Kivu befinden sich am meisten jene seltene strategische Rohstoffe, die von allen Weltmächten, vor allem von den USA begehrt sind: das Colubanium-tantalit, besser bekannt als Koltan, das für die Bau von Flugzeuge, Satelliten und für die Telekommunikation unbedingt wichtig sind. Diese Rohstoffe waren bisher via Ruanda und Uganda exportiert und eine Menge von fremden Firmen hat sich in Nord-Kivu zu diesem Zweck bereits niedergelassen. China, als neuer Konkurrent in diesem Jagdrevier des Westen ist völlig unerwünscht und wenn schon die Regierung der DR Kongo mit China zusammenarbeitet, wäre es nicht besser ihm seine reichen östlichen Provinzen wenn schon nicht de iure, zumindest de facto abzutrennen, etwa nach dem Muster von Kosovo, wie Rigobert Kanduki es in „Beni Lubero Online“ vom 29. September 2007 behauptete? Übrigens, fragten sich einige Medien, wie könnte es sein, dass die Feuerkraft einer Rebellion in Nord-Kivu stärker als jene der Regierungstruppen ist? Es gibt bestimmt etwas Faules im Osten der DR Kongo, aber will die Internationale Gemeinschaft Kongo wirklich heilen, oder dieses Fäulnis zu verewigen? Wenn man nach den beispielen aus anderen afrikanischen Ländern wie Sudan, oder Somalia, in Tschad oder in der Zentralafrikanischen Republik, in Europa sogar auf Kosovo, geschweige von der Lage im Nahen Osten urteilt, dann könnte man nur eines beschließen: der Westen handelt nicht mit dem Wunsch zu heilen, sondern die Krankheit zu verewigen. Denn für ihn gilt das Prinzip: je schlechter – desto besser.
Bericht von Vladislav Marjanovic - Journalist für Radio Afrika
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