Montag, 24. November 2008

Ex-RAF-Terrorist Klar kommt am 3. Januar auf freien Fuß

Der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar kommt nach 26 Jahren im Gefängnis auf freien Fuß. Er wird am 3. Januar zur Bewährung entlassen, wie das Oberlandesgericht Stuttgart mitteilte. Klar war in den 1970er Jahren einer der führenden Köpfe der zweiten Generation der linksterroristischen Roten Armee Fraktion. Der inzwischen 56-Jährige wurde 1985 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen neunfachen Mordes und elffachem Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Einschätzung der Richter geht von Klar keine Gefahr mehr aus.

Das Gericht gehe nicht davon aus, "dass von Christian Klar künftig erneut erhebliche Straftaten zu befürchten sind", sagte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts. Die Aussetzung der Reststrafe sei auch von der Bundesanwaltschaft befürwortet worden. Der Sprecherin zufolge beträgt die Bewährungszeit fünf Jahre.

Klar wurde vom Stuttgarter Gericht im selben Prozess wie Brigitte Mohnhaupt wegen aller Taten der RAF seit 1977 für schuldig befunden. Dazu zählten unter anderem die Morde an dem damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seiner Begleiter, an dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, Jürgen Ponto und an dem Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Das Urteil lautete auf sechsmal lebenslänglich sowie zusätzlich 15 Jahre Haft. 1997 entschied dann das Oberlandesgericht Stuttgart, dass die Mindestverbüßungsdauer 26 Jahre beträgt.

Im Mai vergangenen Jahres hatte Bundespräsident Horst Köhler eine Begnadigung Klars nach einem Gespräch mit dem Häftling abgelehnt. Klar hatte zuvor in einem TV-Interview Reuegefühle abgelehnt. Mit der Freilassung Klars ist Birgit Hogefeld das letzte ehemalige Mitglied der RAF, das eine Haftstrafe verbüßt. Hogefeld, die zur dritten RAF-Generation zählt, wurde 1993 in Bad Kleinen verhaftet und wegen Mordes und Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihr Gnadengesuch war von Köhler ebenfalls abgelehnt worden.

Kommentar
Freilassung mit bitterem Beigeschmack
von Holger Schmidt

Mehr als 26 Jahre ist Christian Klar in Haft, weitere sechs Wochen wird er noch in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal bleiben, dann kommt er frei. Er ist das derzeit vorletzte RAF-Mitglied in Haft und hat eine der längsten Gefängnisstrafen für seine Taten abgesessen. Für die Planung, Vorbereitung oder Beteiligung von nicht weniger als neun Morden wurde er verurteilt, unter den Opfern Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto sowie Polizisten und Fahrer, auch die von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer.

Christian Klar ist nicht mehr gefährlich, sagen die Gutachter und glauben die Richter. Fünf Jahre Bewährungszeit liegen jetzt vor ihm – und er darf auf eine Arbeit am Berliner Ensemble hoffen. Ein Praktikum dort, vielleicht auch einen Ausbildungsplatz hatte ihm Theater-Intendant Claus Peymann bis zuletzt zugesagt.

Juristisch ist das in Ordnung. Und es klingt danach, dass nun Stück für Stück das Kapitel "Rote Armee Fraktion" aus der aktuellen Politik in die Geschichtsbücher wandern könnte. Doch leider täuscht der Eindruck und die heutige Entscheidung hat einen bitteren, völlig unjuristischen Beigeschmack.

Denn auch wenn Klar nicht mehr gefährlich ist und in letzter Zeit nach den Worten der Richter ein völlig verändertes, jetzt konstruktives Verhalten im Gefängnis gezeigt hat: Es sind für die Angehörigen der Opfer noch immer zu viele Fragen über Täter und Taten offen, als dass man ihm leichten Herzens einen Start in den neuen Lebensabschnitt wünschen könnte.
Lange keine Vollzugslockerungen

Sicher, juristisch kommt es darauf nicht an. Eben weil er so unkooperativ war, wurde ja eine erhebliche Mindestverbüßungsdauer festgesetzt und mit Vollzugslockerungen so lange gewartet. Für die Richter ging es formal nur darum, ob von ihm noch eine Gefahr ausgeht oder nicht. Keine Gefahr, sagen alle übereinstimmend. Diese Einschätzung teile ich. Doch auch die Richter stellen in ihrem heutigen Beschluss fest, wie groß die Belastung für die Opfer und deren Angehörige bis heute ist. Und bleiben wird.

Aber es kommt noch schlimmer: Selbst die Richter gehen in ihrem heutigen Beschluss davon aus, dass Christian Klar auch weiterhin äußerst sozialkritische Auffassungen vertreten wird – so wie er es schon vor knapp zwei Jahren in einem Grußwort getan hat. Das ist natürlich sein gutes Recht – doch zusammen mit dem Schweigen zu seinen Taten muss es höhnisch wirken.

Gerne würde ich mir wünschen, dass bei Klar in der Freiheit auch die Einsicht kommt. Doch auch anderen Freigelassenen vor ihm fehlt die Einsicht bis heute. Zuletzt kam Brigitte Mohnhaupt frei und schweigt, soweit wir wissen, bis jetzt – warum sollte es ausgerechnet bei Christian Klar anders sein?

Deshalb fürchte ich, die Diskussion um die Taten der RAF wird uns erhalten bleiben. Bis bei den Ex-Terroristen Einsicht kommt – oder der letzte sein Täterwissen mit ins Grab nimmt.

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