Von Gregor Peter Schmitz, Washington
Der designierte US-Präsident hat seine wichtigsten Personalentscheidungen getroffen: Barack Obama macht seine einstige Rivalin Clinton zur Außenministerin, Finanzminister soll der populäre New Yorker Fed-Chef Geithner werden. Beide stehen vor gewaltigen Herausforderungen.
Washington - Seine Partei hat gerade erst eine krachende Abfuhr an der Wahlurne kassiert, doch der hochrangige Stratege der Republikaner wittert schon wieder Morgenluft. "Ich weiß nicht, wie Ihnen es geht", sagt er beim Mittagessen und lehnt sich über den Tisch, "aber Barack Obama legt doch einen ziemlich langsamen Start hin."
Dann zählt er an den Fingern der rechten Hand die aktuellen Herausforderungen Amerikas herunter: Autokrise, Finanzkrise, Energiekrise… Immer weiter geht die Liste. Der designierte Präsident habe sich dazu seit Wochen nicht geäußert, stattdessen verschanze er sich in Chicago und gehe ins Fitnessstudio. Klar, offiziell sei Obama noch gar nicht im Amt, aber eine Frage sei doch schon erlaubt, grinst der Konservative: "Wo ist Barack Obama?"
Wenige Stunden später meldete sich der baldige Bush-Nachfolger zurück. Kurz nacheinander sickern die beiden ersten wirklich wichtigen Kabinettsbenennungen durch: Hillary Clinton wird den Posten als US-Außenministerin annehmen, berichtet die "New York Times." Timothy Geithner, bislang Chef der Federal Reserve Bank in New York, soll nach NBC-Informationen der neue starke Mann im amerikanischen Finanzministerium werden. Als zunehmend wahrscheinlich gilt der Nachrichtenagentur dpa zufolge auch, dass der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Jim Jones, 64, nationaler Sicherheitsberater wird.
Wirklich überraschend sind die Personalien Clinton und Geithner nicht. Schon das sehr öffentliche Obama-Angebot an Clinton in der vorigen Woche war so gut wie eine Ernennung gewesen. Zwar sollte es noch eine Überprüfung der Finanzen ihres Ehemannes Bill geben. Der hat seit dem Auszug aus dem Weißen Haus nicht nur über hundert Millionen Dollar Privatvermögen angehäuft - sondern auch viele Millionen für seine wohltätige Stiftung und seine Präsidentschaftsbibliothek eingesammelt, auch von ausländischen Regierungen. Das soll nun aber alles offengelegt werden, gelobt der Ex-Präsident.
Geithner wiederum stand seit langem auf allen Listen für den Finanzministerposten. Der 47-Jährige hat in drei Regierungen unter fünf Finanzministern verschiedene Funktionen ausgeübt und war auch beim Internationalen Währungsfonds tätig. Seit September schon arbeitet er bei der Bekämpfung der gegenwärtigen Finanzkrise eng mit Finanzminister Hank Paulson und Notenbankchef Ben Bernanke zusammen. In Finanzkreisen ist Geithner so respektiert, dass die US-Börsenkurse unmittelbar nach Bekanntwerden der Personale um mehr als fünf Prozent in die Höhe schossen.
"Die Clinton-Ernennung ist ein geschickter Schachzug", zollt Fred Barnes vom einflussreichen "Weekly Standard" Respekt. Sie zeige Obama als großmütig gegenüber der einstigen Parteirivalin - auch wenn die Personalie immer auch ein Risiko darstelle.
In der Tat: Schon wegen ihrer breiten Anhängerschaft ist Clinton schwer auszugrenzen. Außerdem ziehen die Clintons das Scheinwerferlicht auf sich. Das war in den vergangenen Tagen wieder zu spüren. Das Clinton-Team ließ den Stand der Personalverhandlungen zur Presse durchsickern, hinter den Kulissen lebten die Animositäten aus dem Vorwahlkampf wieder auf.
Viele Obama-Berater haben Clinton nicht vergessen, dass sie im bitteren Parteiduell Obamas mangelnde außenpolitische Erfahrung aggressiv aufgriff und ihre eigene bisweilen übertrieben darstellte. Außerdem hat die neue Chef-Diplomatin, anders als fast alle außenpolitischen Einflüsterer Obamas, den Irak-Krieg als Senatorin anfänglich unterstützt.
Clinton muss sich zusammenreißen
Doch Clinton wird sich wohl zusammenreißen müssen - schon weil ihre Verhandlungsposition geschwächt war. Zwar ist sie immer noch ein politischer Weltstar. Vielleicht kann sie den neuen Posten auch als Plattform für einen neuen Anlauf auf das Weiße Haus in acht Jahren nutzen. Doch eigentlich blieben ihr kaum Alternativen. Im US-Senat hätte sie sich wieder hinten anstellen müssen. "Sie kann auch gar nichts werden in der neuen Regierung, dann würde wohl auch nichts passieren", fasste ein illustrer ausländischer Staatsgast diese Woche seine Eindrücke aus Washingtoner Gesprächen zusammen.
Obama zog Clinton für den Posten als Vizepräsidentin - eigentlich weit weniger einflussreich - nie in Betracht, wohl aber für den Posten als Top-Diplomatin. Also glaubt er wohl, sie in der Position gut kontrollieren zu können. "Er wird klarmachen, dass sie seine Außenministerin ist und seine Politik vertreten muss", analysierte Andrea Mitchell vom TV-Sender NBC. Dafür dürfte auch Vize Jode Biden sorgen, der als erfahrener Außenpolitiker eigene Ambitionen auf ihrem Terrain hegen dürfte.
Immerhin hat Clinton es aber geschafft, sich mal wieder vorzudrängeln. Denn eigentlich hatte das Obama-Team geplant, alles Augenmerk auf die Entscheidung über den neuen starken Mann im Finanzministerium zu lenken. Immerhin warten auf den die größten Herausforderungen: Eine Staatsverschuldung von bald fast zehn Billionen Dollar, eine hochschnellende Arbeitslosenquote, der drohende Bankrott der Autoriesen General Motors, Ford und Chrysler, die anhaltende Finanzkrise.
Dass der aktuelle Finanzminister Hank Paulson kaum noch Vertrauen genießt, ist offensichtlich. Schon monieren Kritiker, er habe bislang vor allem Hilfsgelder an seine alten Kollegen an der Wall Street geschaufelt. Paulson musste die Strategie der 700 Milliarden Dollar-Staatshilfe für den Finanzsektor bereits mehrmals ändern, nun scheint er einen Großteil des Geldes einfach für die neue Regierung übrigzulassen.
Schöne Bilder, große Herausforderungen
Dass Geithner nicht früher benannt wurde, lag wohl vor allem an Obamas enger Beziehung zu Larry Summers, dem brillanten Ex-Clinton-Finanzminister und Ex-Harvard-Präsidenten. In der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfes soll Summers den Kandidaten mehrmals täglich telefonisch beraten haben. "Wenn Obama nur einen einzigen Helfer hätte auswählen können, wäre es Summers geworden", sagt ein Washingtoner Finanz-Insider. Aber es gehe eben auch um Zusammenarbeit in einem Kabinett. Und sobald Summers mit jemandem zusammenarbeiten müsse, gebe es ein Problem.
Summers war immer wieder in Skandale verstrickt, er machte umstrittene Äußerungen über die wissenschaftlichen Fähigkeiten von Frauen. Immerhin soll Summers wohl eine andere wichtige Rolle in Obamas Wirtschaftsmannschaft übernehmen.
Die beiden neuen Star-Minister dürften offiziell erst kommende Woche vorgestellt werden - zunächst wohl Geithner am Montag, denn die Wirtschaftslage beschäftigt die Amerikaner derzeit nun einmal am meisten.
Es dürften schöne Bilder werden, vor allem von den beiden Ex-Rivalen Obama und Clinton Seite an Seite in neuer Rolle. Doch lange wird der Glanz nicht anhalten, schließlich sind die Herausforderungen so gewaltig wie selten zuvor.
Alle neuen Kabinettsmitglieder werden den Amerikanern wohl erhebliche Opfer abverlangen müssen. MSNBC-Fernsehmoderator Chris Matthews begrüßte die neuen Kandidaten sarkastisch als "Reiter der Apokalypse".
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