Samstag, 8. November 2008

Venezuela – Südafrika: Eine diskrete Wirtschaftsöffnung

Afrika hat einen Anwerber mehr. Den Präsidenten Venezuelas Hugo Chavez. Das soll uns nicht wundern, denn Chavez hat in seinen Adern auch afrikanisches Blut. Chavez Vater ist nämlich Nachkomme der aus Afrika gebrachten Sklaven. Darauf hat Chavez gerne hingewiesen, als er am 2. und 3. September Südafrika besuchte.

Natürlich, fand dieser Besuch nicht aus Sentimentalitätsgründen statt. Chavez hatte eine andere Absicht. Er will nämlich eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten des Südens erstellen, um sich vom Diktat des Nordens zu befreien. „Erst wenn wir uns vereinigen werden, werden wir frei sein und erst wenn wir frei sind, werden wir uns entwickeln können" sagte Chavez am 3. September 2008 kurz vor dem Ende seines Besuches in Südafrika.

Das war schon eine Botschaft und dahinten stand eine Absicht, die Chavez so formulierte: „Wir wollen dieser Beziehung einen tiefen strategischen Charakter geben. (……) Wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren. Es ist von äußerster Wichtigkeit, diese Völker des Südens zu vereinigen, um eine echte Änderung in den internationalen Beziehungen zu erreichen." Der Weg dazu führt aber nicht durch gute Wünsche, sondern über wirtschaftliche Zusammenarbeit, konkret über Öl.

Öl ist eigentlich der größte Reichtum Venezuelas. Täglich werden in Venezuela 3,3 Millionen Barrel gefördert. Damit ist Venezuela der fünftgrößte Erzeuger Erdöls der Welt. Die Erdölproduktion erlaubt Venezuela auch politisch zu wirken und zwar nicht gerade so, wie es sich die USA und andere westliche Mächte es wünschen. Venezuela unter Chavez hat sich in einen politischen Faktor gewandelt, der dabei ist, die bestehende Weltwirtschaftsordnung in Frage zu stellen.

Das war übrigens der alte Traum von Hugo Chavez. Der frühere rebellische Offizier, der seine Zuneigung zu den sozialistischen Idealen nie verheimlichte und gegen die früheren pro-US Regierung putschte, konnte dem Druck von Außen auch ohne Raketenschild von irgendeiner Supermacht standhalten. Der Ölreichtum war seine eigentliche Macht. Dank dem Öl, war er von größeren Staaten nicht abhängig und konnte selbstständig handeln.

Chavez tat das eigentlich sehr geschickt. Er verband sich mit anderen lateinamerikanischen Staaten, die unter Armut und Ausbeutung durch Multinationalen Konzerne litten. Als die USA „beide Amerikas" in eine Freihandelszone umwandeln wollte und zu diesem Zweck die Freihandelszone Nord-und Südamerikas schuf, gründete Chavez 2004 die sog. Bolivarische Alternative für Amerika. Um diese Initiative versammeln sich immer mehr Staaten Süd- und Mittelamerikas, wo linksorientierte Regierungen an der Macht sind und die nach gerechteren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen streben. Und schon nach relativ kurzer Zeit ist daraus ein echter Block entstanden, der den USA und der vorhandenen Weltordnung die Stirn bietet.

Das war bestimmt ein gewagtes Unternehmen. Dennoch muss man sich fragen, in wie weit hätte Chavez dieses Initiative bewegt ohne die Möglichkeit, sich an einige Freunde von außen zu stützen. Vieles kann man noch nicht genau feststellen, aber die guten Beziehungen zu einige Staaten wie China oder Russland muss man schon in Betracht ziehen. Auch Frankreichs Interesse in der Zeit des früheren Präsidenten Jacques Chirac darf nicht unterschätzt werden. Das Vordringen der USA in das französische Jagdrevier in Afrika wurde von der Emanzipierung Lateinamerikas gefolgt. Das Weltsozialforum dessen Kern die Bewegung ATTAC und die französische Zeitung „Le Monde Diplomatique"sind haben sich Chavez, sowie seinen brasilianischen Kollegen Ignacio Lula da Silva auf die Fahne geheftet. Dennoch, was vor allem Chavez die Legitimität als Leiter der Bekämpfung der US Interessen in Lateinamerika gab war Kuba, bzw. sein Führer Fidel Castro.

Geopolitische Herausforderungen in Kuba gibt es genug seit dem Ende der Ära Fidel Castros.
Einiges hat sich geändert seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion – neue strategisch wichtige Partner kristallisierten sich heraus für Kuba – nämlich Venezuela und China – auf der Suche nach Rohstoffen und geopolitischen Verbündeten.

Kubanische Exporte nach Lateinamerika und Afrika sind unter anderem medizinische Fachkräfte und Ärzte.
China hat für Lateinamerika in den letzten Jahren eine wichtige ökonomische Schlüsselrolle gespielt und – offensichtlich hat der große Bedarf an natürlichen Ressourcen dafür gesorgt, dass China viel in Lateinamerika investiert hat. China investiert mehr als die Hälfte seiner Ausgaben im Ausland in Lateinamerika, viel weniger Geld bleibt in Asien.

Der Präsident Venezuelas Hugo Chávez ist bekanntlich ein Freund Kubas oder genauer gesagt der Castros. Seit seiner Wahl ins Präsidentenamt 1998 hat sich Venezuela Kuba stetig angenähert. 2000 wurde von Chávez und Castro schon ein Abkommen unterzeichnet, das den Verkauf von Öl zu guten Konditionen sichert. Hugo Chávez' Bruder Adán wurde 2004 zum Botschafter Venezuelas in Kuba ernannt – um die Bande zwischen den beiden sozialistischen Staaten noch mehr zu stärken. Venezuela ist mittlerweile der größte Wirtschaftspartner Kubas – ein essentieller Partner in Sachen Erdöl und auch ein Gläubiger.
Ja, und es gibt auch noch eine weitere interessante Wirtschaftsorganisation in Lateinamerika, ALBA – die bolivische Alternative in Amerika - bei der auch Venezuela und Kuba viele Übereinkünfte unterzeichneten.

In den letzten Jahren sind sich Venezuela und Kuba derartig näher gekommen, dass man fast schon von einer Vereinigung sprechen kann.

2006 wurde ein weiterer Sozialist Präsident eines lateinamerikanischen Staates, Evo Morales in Bolivien. Dieser gesellte sich sogleich zum Duo Venezuela – Kuba. Bolivien befürchtete aufgrund eines Handelsabkommens zwischen Peru, Kolumbien und den USA seinen Markt für Soja zu verlieren. So wurde aus dem lateinamerikanischen Duo ein Trio.
Noch im Jahr 2006 wurde von der ALBA ein Vetrag unterzeichnet, dass Bolivien den Abkauf seines Sojas garantierte und sogleich, wiederum 2006 verkündete Morales die Verstaatlichung der Erdöl- und Erdgasproduktion in Bolivien.
Man könnte vermuten Morales möchte sein Land so beeinflussen wie Hugo Chávez.

Die Erdölproduktion in Lateinamerika wurde in einer Vereinigung der Caricom – also karibischen Gemeinschaft zusammengefasst.

Nicht nur das, selbst für eigene lateinamerikanische Nachrichtenproduktion wird gesorgt – Telesur möchte das Monopol der ausländischen TV-Sender beenden.

Kuba hat sich wirklich sehr verändert, vom strategischen Partner der Sowjetunion zu einem offenen Handelspartner mit anderen – sozialistischen Staaten.

Doch Chavez wollte sich nicht mit der Bildung eines Lateinamerikanischen Blocks zufrieden stellen. Das neoliberale System, das er gerne als Imperialismus bezeichnet, soll weltweit gebannt werden. Daher sein Interesse an der Bildung eines Blocks der armen Staaten, des sog. Süd-Süd Blocks. Und daher auch das Interesse Chavez an Afrika.

Chavez hat bald Afrika als zusätzliches Betätigungsfeld in Betracht genommen. Schon 2006 nahm er am Siebten Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Gambia teil. Er nutzte die Gelegenheit, sich für die Süd-Süd Zusammenarbeit einzusetzen und machte sogar einige konkrete Vorschläge. Es soll eine PetroSÜD, eine Tele-SÜD, eine Bank des Südens und eine Universität des Südens entstehen, die diese Beziehungen fördern werden.

Dabei blieb es. Als aber Chavez 2007 dem Referendum über die Verfassungsänderungen, die ihm mehr Macht sichern würden, verlor, sah er seine Popularität angetastet. Deshalb unternahm er neue Anstrengungen, die Süd-Süd Kooperation zu fördern. Es gelang ihm, aufgrund des Petro-Karibischen Abkommen die unterzeichnenden Staaten durch die Öllieferungen mit günstigen Preisen an sich zu binden. Dann ging er einen Schritt weiter, jenseits des Atlantischen Ozeans. Und so landete Chavez in Südafrika.

Südafrika hat für die Zusammenarbeit mit Venezuela einen Vorteil. Südafrika ist das höchstentwickelte afrikanische Land, das außerdem reich an Bodenschätzen ist, es mangelt aber an Öl. Venezuela hat sich beeilt, ihm zu helfen und den Import des venezolanischen Erdöls macht 90% aller Ölimporte Südafrikas aus. Ein weiterer Schritt wäre eine Raffinerie in Südafrika auszubauen und eventuell das südafrikanische know-how dafür zu benützen, Raffinerien im Gebiet des Flusses Orinoco in Venezuela sowie vor der Küste Venezuelas zu bauen. In Südafrika, hingegen, soll bis 2015 die neue große Raffinerie fertig werden. Diese Raffinerie, die 7 Millionen USD kosten wird, soll täglich 250.000 Barrel produzieren.

Was aber noch in Südafrika besprochen worden war, ist nicht genau bekannt. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der südafrikanischen Ölgesellschaft „PetroSA" sind keine konkrete Projekte bisher festgelegt und es ist noch zu früh um über den Umfang von venezolanischen Investitionen zu reden.

Es gab Gerüchte, dass Venezuela andere Rohstoffe, vor allem Bauxite aus Südafrika importieren wird. Auffallend ist allerdings, dass der Besuch Chavez in Südafrika nur ein sehr dürftiges mediales Echo bekam und dass in der südafrikanischen Presse so gut wie kein Kommentar oder Analyse erschienen ist. Auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki verhielt sich seinem Gast gegenüber außerordentlich distanziert. Als ob er nicht wollte, dass die Öffentlichkeit Zeuge einer zu engen Nähe zu dem feurigen venezolanischen Präsidenten wird. Allerdings, ist Chavez ein Vertreter von Ideen, die heute in den höchsten Kreisen der westlichen Regierungen nicht sehr geliebt sind. Thabo Mbeki war auch einmal ihr Anhänger. Das ist aber lange her. Jetzt bekennt er sich zur freien Wirtschaft. Dennoch, auch die freie Wirtschaft stieß an seine Grenzen. Südafrika ist doch ein Land des Südens und das muss man auch berücksichtigen. Inzwischen bereist Chavez weiter Afrika um für seine Ideen und wirtschaftliche Beziehungen zu werben und – nicht zuletzt – die Unterstützung für einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UNO zu bekommen. Schon hat er 18 Botschaften in Afrika eröffnet und zwischen 24. und 29. November dieses Jahres wird der Gipfel Afrika-Lateinamerika stattfinden. Vielleicht wird man dann von der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit der Staaten des Südens mehr erfahren. Jedenfalls werden wir darüber berichten.

Bericht von Vladislav Marjanovic, Journalist für Radio Afrika

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