06. November 2008 Wegen fahrlässiger Tötung von 15 Menschen beim Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall hat die Staatsanwaltschaft Bewährungs- und Geldstrafen für die drei angeklagten Baufachleute und Prüfer gefordert. Wenn auch nur einer der drei Männer pflichtgemäß gearbeitet hätte, wäre das Hallendach am 2. Januar 2006 nicht eingestürzt, sagten die Anklagevertreter am Donnerstag in ihrem Plädoyer vor dem Landgericht Traunstein.
Es gebe aber noch viele Mitschuldige, sagte Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger: „Schuldabwälzungsstrategie ist es, was wir in diesem Verfahren bis zum Überdruss erleben konnten.“
Für den 68 Jahre alten Bauingenieur, Statiker und Fachbauleiter Walter G. forderte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung. Er sei für die Konstruktion und den Bau des Daches in den 70er Jahren „von A bis Z verantwortlich gewesen“. Er habe die Träger nicht vorschriftsmäßig konstruiert, die Statik komplett falsch berechnet und die Verwendung eines falschen Leims und andere Fehler der Zimmerleute übersehen. Allerdings habe der Bauingenieur als Einziger Einsicht und Reue gezeigt, berücksichtigte der Staatsanwalt zu seinen Gunsten.
Für den Bauingenieur und „Statikpapst“ Rüdiger S., der dem Hallendach in einem „schönfärberischen“ Gutachten 2003 einen „Super-Zustand“ bescheinigt habe, forderte Staatsanwalt Volker Ziegler ein Jahr Haft auf Bewährung und 30.000 Euro Geldbuße. Der Experte habe das Tragwerk nur oberflächlich geprüft, keine Berechnungen hinzugezogen und nicht einmal das Fehlen einer geprüften Statik bemerkt.
Für den 64jährigen Architekten Rolf R. forderte der Staatsanwalt eine Geldstrafe von 54.000 Euro. Auch er habe das Fehlen der Prüfstatik einfach ignoriert, statt pflichtgemäß Alarm zu schlagen.
„Aneinanderreihung von Pflichtverletzungen“
Beim Einsturz des Hallendachs am 2. Januar 2006 waren 15 Kinder und Frauen ums Leben gekommen, 34 Menschen wurden verletzt. Der Einsturz „war keine höhere Gewalt, sondern eine Aneinanderreihung von Pflichtverletzungen und Versäumnissen“, sagte Hammerdinger. Jeder einzelne der drei Angeklagten hätte die Katastrophe verhindern können, wenn zumindest er selbst pflichtgemäß gearbeitet hätte, betonten die Staatsanwälte.
Zugleich erhob Hammerdinger schwere Vorwürfe gegen weitere Bauverantwortliche und Mitarbeiter der Stadt Bad Reichenhall, die Bauherrin und Aufsichtsbehörde zugleich war. „Es sitzen nicht die Falschen auf der Anklagebank, aber es sitzen nicht alle Verantwortlichen auf der Anklagebank“, sagte er. Sieben Mitschuldige seien jedoch zu krank oder bereits verstorben. Nicht nur die Angeklagten, auch als Zeugen befragte Statiker, Ingenieure, Prüfer und Beamte hätten die Schuld auf andere schieben wollen. Allein Walter G. habe Einsicht gezeigt und sei wegen der Belastung sogar in der Psychiatrie gewesen.
Familien reagieren gegensätzlich
Die Anwälte der als Nebenkläger beteiligten Opferfamilien wollten am Nachmittag mit ihren Plädoyers beginnen, die Verteidiger folgen an den nächsten Verhandlungstagen. Das Urteil soll Ende November verkündet werden.
Die betroffenen Familien reagierten unterschiedlich. Robert Schmidbauer, der bei dem Einsturz seine beiden Töchter verloren hatte, sagte, der Prüfer Rüdiger S. müsste eine härtere Strafe bekommen, die Forderungen für die beiden anderen Angeklagten seien okay. Robert Schromm, dessen Frau unter den Trümmern gestorben war, griff dagegen die Staatsanwälte als „Stadtanwälte“ an, weil sie die Beamten der Stadt ungeschoren ließen. „Das tut richtig weh“, sagte Schromm und bezeichnete die drei Angeklagten als bloße „Bauernopfer.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen