Dienstag, 18. November 2008

Obama, der T-Shirt-Präsident

Softballspiele mit Reportern, Kleidung von der Stange und möglichst keine Krawatten. Barack Obama und seine Familie verändern das Lebensgefühl der Amerikaner, glaubt Petra Ahne.

Drei Tage nach der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten unterhielten sich im Frühstücksprogramm eines amerikanischen Fernsehsenders zwei Frauen, sie wirkten aufgeregt. «Veränderung kommt ins Weiße Haus, nicht wahr?», rief die eine. «Oh ja», sagte die andere. «Alles wird sich jetzt ändern.» Sie sprachen von einem Stil, der Mut zum Risiko erkennen lasse und von Identifikationsmöglichkeiten. Sie sprachen von Michelle Obama.

Im Studio waren Kleider, die sie in letzter Zeit getragen hatte, an Puppen drapiert. Die Moderatorin und ihr Gast, Redakteurin einer Modezeitschrift, nannten Marken und Preise. Das schwarz-weiße Kleid zum Beispiel, das Michelle Obama in einer Talkshow vor ein paar Monaten anhatte: 149 Dollar, von J. Crew. Einen Tag später sei es ausverkauft gewesen, sagte die Moderatorin.

Man kann in dem Gespräch nicht mehr sehen als das Geplapper zweier US-Frühstücksfernseh-Programm-Frauen. Man kann es aber auch als einen Hinweis nehmen, darauf, in welchem Maß sich die Amerikaner Inspiration und Identifikation von ihrem neuen Präsidenten und seiner Familie versprechen.

SMS von «Barack» und die Generation «O»

Es war von Anfang an klar, dass es bei Obama um mehr geht als um Politik. Theodore Sorensen, ehemaliger Redenschreiber John F. Kennedys, sprach in der New York Times von der neuen Lässigkeit, die dieser Präsident ins Weiße Haus gebracht habe. Er erzählte von Softball-Spielen mit Reportern und den Jüngeren aus dem Stab, und von langgedienten Beratern, die ihre Krawatten abnahmen, ihre Jacketts auszogen und mitmachten. Die New York Times stellt fest, dass Obamas Team mit solcher Lockerheit vor allem junge Wähler angesprochen hat. Etwa mit regelmäßigen SMS, unterschrieben mit «Barack» und in denen die Rede war von dem, was «wir» gemeinsam schaffen können. Der vertrauliche Ton habe ihr das Gefühl gegeben, sie sei Teil von etwas Großem, wird eine 23-jährige Studentin zitiert, und ein 31-Jähriger sagt, dass man sich fühlte, als sei man auf entspannte Weise Freunde geworden. Schon im Wahlkampf war von der neuen «Generation O», Generation Obama, die Rede.

Obama hat es geschafft, das Lebensgefühl der Amerikaner anzusprechen, die sich im Weißen Haus bislang nicht repräsentiert fühlten. Und das hat nur wenig mit Hautfarbe zu tun. Es ist die Generation O, aber auch die Generation X, Obamas eigene Generation, die in den 1960er- und 1970er-Jahren geborenen.

«Sorry, Baby Boomers», schreibt eine Journalistin im Online-Magazin Salon, und entschuldigt sich bei der 68er-Generation dafür, dass ihre eigene, die Generation X, sich immer lustig gemacht habe über die Ernsthaftigkeit der Älteren, ihren naiven Glauben an eine bessere Welt. Mit dem Zynismus sei Schluss, seit sie am Abend des 4. November Obamas Siegesrede gehört habe. «Zum ersten Mal in unserem Leben glaubten wir», schreibt die Autorin. «Wir wollen diesem Mann folgen, ihm vertrauen, ihn unterstützen.»

Die Codes einer urbanen, liberalen Schicht

Es ist leicht, an jemanden zu glauben, der seine Kinder im Jogging-Anzug zur Schule bringt. Wenn er in Talkshows auftritt, die man selbst mag, und dabei so souverän mit den Moderatoren scherzt, als säße er jede Woche da. Um einen Eindruck zu bekommen, wie virtuos das neue Präsidenten-Ehepaar die Codes einer urbanen, liberalen Schicht beherrscht, muss man sich nur auf You Tube ansehen, wie lässig Michelle Obama zu Comedian und Talkshow-Gastgeberin Ellen DeGeneres ins Studio getanzt kommt.

Bis jetzt gibt es nur Anzeichen, welches Bild einer Familie, einer Ehe, von Weiblichkeit und Männlichkeit die Obamas in ihrer Zeit im Weißen Haus prägen werden. Auch die Art, sich zu kleiden ist so ein Hinweis, einer, der seit Beginn des Wahlkampfes kommentiert wurde. Obamas gut sitzende Anzüge, seine Abneigung gegenüber Krawatten. Die verspielt-elegante Garderobe der zwei Mädchen, bei öffentlichen Auftritten farblich abgestimmt mit der der Eltern. Vor allem aber Michelle Obamas Kleider. Ihr ausgefallener, selbstbewusster, ziemlich stilsicherer Geschmack. Der Vergleich mit Jackie Kennedy fiel häufig. Allerdings hat Jackie Kennedy den Amerikanerinnen vorgeführt, was man in Europa trägt, und in der Oberschicht der Ostküste. Es war ein schlichter, durchaus elitärer Stil. Michelle Obama dagegen hat teurere Stücke mit günstigen von Filialisten wie Gap kombiniert.

Das ist adäquat in Zeiten der Finanzkrise, es entspricht aber auch der Art, wie viele Frauen sich heute kleiden. Die letzten First Ladys, etwa Nancy Reagan, Barbara und Laura Bush hinterließen vor allem den Eindruck gutfrisierter Unaufdringlichkeit. Hillary Clinton merkte man an, dass sie sich nicht viel aus Mode machte. Michelle Obama wird wohl die erste Präsidenten-Ehefrau seit Langem, die Mode benutzt, um sich auszudrücken und nicht, um sich anzupassen.

Die First Family wird Fehler machen
Die Obamas werden versuchen, als First Family so viel wie möglich aus ihrem alten Chicagoer Leben beizubehalten, sagen Freunde voraus. Sie seien eine intakte Familie, die nun eben im Weißen Haus wohne, wird eine Freundin der Obamas zitiert. Von Übernachtungsparties für die Töchter ist die Rede. Von Weggefährten, die vielleicht sogar mit nach Washington kämen, mit ihren Kindern. Die Obamas sähen das alles als großes Abenteuer, an dem sie ihre Freunde teilhaben lassen wollen, erzählt ein Freund der Familie. Man traut den Obamas zu, dass sie sich selbst darum gekümmert haben, welche alten Bekannten nun mit den Medien sprechen, und was sie sagen. Weil sie selbst wissen, dass es schwer werden wird, dem Abenteuer weiterhin Leichtigkeit zu geben. Sie sind die First Family, die erste afroamerikanische dazu. Alles was sie tun, hat jetzt Bedeutung. Sie werden Fehler machen. Den falschen Hund kaufen. Oder die falschen Schule wählen. Das falsche Kleid anziehen.

Wie ein Halloween-Kostüm habe Michelle Obamas schwarz-rotes Kleid in der Wahlnacht ausgesehen, schrieb ein Modekritiker. Im Internet wird schon diskutiert, was sie am 20. Januar tragen sollte. Wenn ihr Mann Präsident wird.

Übernommen mit freundlicher Genehmigung der «Berliner Zeitung».

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