Donnerstag, 23. Oktober 2008

"Massenerniedrigung", "Zwangs-Strip" Peepshow am Flughafen

Eine Welle der Empörung richtet sich gegen die Nacktscanner-Pläne der EU-Kommission. Die Bundespolizei will die Geräte bis Jahresende testen.

Der EU-Kommission schlägt wegen Plänen zum Einsatz von "Nacktscannern" an Flughäfen eine Welle der Empörung in Deutschland entgegen. SPD, FDP, Grüne und Linke im Bundestag warnten am Donnerstag vor einer grundgesetzwidrigen Verletzung des Intimsphäre. Die Bundespolizei wird voraussichtlich Ende des Jahres im Labor erste Tests der strittigen Durchleuchtungsmethode vornehmen. Vorerst werde das Gerät an keinem Flughafen zum Einsatz kommen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Das Europaparlament verlangte von der EU-Kommission drei Monate Bedenkzeit und eine weitere Prüfung der Auswirkungen.

Pläne unter der Gürtellinie

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, findet das Vorhaben der Kommission "in jeder Beziehung fragwürdig und unverhältnismäßig". "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dem zustimmen können", sagte Wiefelspütz dem Internetportal Handelsblatt.com. "Die Intimsphäre eines Menschen muss geschützt bleiben." Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) müsse Position beziehen: "Wir wollen wissen, was das Ganze soll."

Der Innenexperte der FDP-Fraktion Max Stadler sagte: "Was zu weit geht, geht zu weit." Die Methode überschreite alle Schamgrenzen und dürfe in Deutschland nicht eingeführt werden. Der Grünen-Experte Wolfgang Wieland erklärte: "Dieser elektronische Zwangs-Strip für alle Fluggäste verletzt den Bereich der Intimsphäre nicht nur, er hebt ihn auf." Plastiksprengstoff sei bislang auch ohne "Massenerniedrigung der Passagiere" entdeckt worden. Für Ulla Jelpke von der Linksfraktion gehen die Pläne unter die Gürtellinie: "Ein Flughafen ist kein FKK-Strand, und Flugpassagiere sind keine Akteure einer Peepshow."

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) versicherte, die Intimsphäre der Reisenden werde gewahrt bleiben. Der Kontrolleur am Bildschirm werde die zu überprüfende Person nicht direkt sehen können. "Damit wird ausgeschlossen, dass das Bild der Person direkt zugeordnet werden kann", erklärte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

Europaparlament fordert Bedenkzeit

Laut Bundespolizei sollen in Deutschland zunächst im Labor Gesundheits- und Sicherheitsaspekte sowie mit Hilfe externer Experten rechtliche Fragen geklärt werden. "Erst wenn klar ist, ob dieser Scanner unseren Anforderungen entspricht, wird über einen Praxistest entschieden", sagte Sprecher Jörg Kunzendorf in Potsdam.

Das Europaparlament in Straßburg forderte die EU-Kommission in einer Entschließung auf, in drei Monaten die möglichen Auswirkungen auf Persönlichkeitsrechte und Gesundheit zu prüfen. Das Parlament ist grundsätzlich nicht gegen die Nacktscanner: Ein Antrag der Liberalen zum Verzicht auf das Projekt fand keine Mehrheit. Besorgt sind die Abgeordneten in erster Linie darüber, dass die Kommission das Vorhaben "durch die Hintertür" ohne Diskussion einführen könnte. Dieses "äußerst heikle Thema" betreffe die Grundrechte der Bürger und erfordere deshalb eine "umfassende und offene Diskussion mit Fluggästen auf EU- und einzelstaatlicher Ebene", hieß es.

Ganzkörper-Scanner, die Passagiere bis auf die Haut durchleuchten, werden bereits auf Flughäfen in Amsterdam, Zürich und London getestet. Auch in den USA sind sie im Einsatz, um beispielsweise Keramikmesser oder Plastiksprengstoff zu finden.

Bei der neuen Technik entsteht mit Hilfe elektromagnetischer Strahlen ein dreidimensionales Bild, auf dem der Fluggast ohne Kleidung erscheint. Alle am Körper befestigten Gegenstände werden sichtbar, auch versteckte Waffen. Zu sehen sind zum Beispiel aber auch Prothesen.

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