Donnerstag, 23. Oktober 2008

Autoritär und feige. Gegen den Eintritt der Trotzkisten-Belle schickt die Berliner Linkpartei Klaus Ernst vor. Der ehemalige WASG-Chef legt Einspruch gegen SAV-Eintritt ein.

Seit Wochen geistert das Gerücht in Berliner Links-Kreisen umher, die Linkspartei der Landeshauptstadt wolle gegen den Eintritt der Trotzkisten von der SAV vorgehen. Selber den Dolch zu führen war den Berliner Realo-Genossen aber wohl zu heikel...

Vor gut einem Monat hatte sich die trotzkistische Kleinstgruppe SAV nach langem hin und her entschlossen doch in die Linkspartei einzutreten. Dabei war die "Sozialistische Alternative Voran" noch 2007 wild entschlossen gewesen die Fusion der WASG mit der SED-Nachfolgepartei, PDS zu verhindern. 2006 fuhren die Trotzkisten mit dem Eigenantritt der Berliner WASG ihr schwerstes Geschütz auf.

Hauptkritikpunkt der SAV aber auch vieler Linker und Sozialbewegter in der Stadt war - und ist - die Einsparschweinpolitik der Berliner Realo-Genossen um Klaus Lederer und Stefan Liebich. Die Regierungsozialisten, die zusammen mit der Sozialdemokratie die Geschicke Berlins leiten, machen sich mit ihrem Regierungskurs, der zu harten Einsparungen geführt hat, nicht nur in Berlin unbeliebt, sie stoßen auch auf Kritik in der "Linken" selbst.

Die Linke in der "Linken" fürchtet, die Realpolitik von Liebich und Co. könnte das Projekt Linkspartei beim Wähler desavouiren.

Unvergessen und nicht vergeben: Die Nachfolgepartei der SED weiß bekanntlich nicht nur wie man einen ganzen Staat gegen die Wand fährt, die PDSler haben auch Erfahrung darin, wie man in den Bundestag rein kommt - und anschließend wegen zu vieler Rechtsschwenks wieder rausfliegt.

Für die meisten radikalen Linken war von Anfang an klar, dass die neue Linkspartei keine antikapitalitische Partei ist, sondern systemstabilisierend wirkt. Hinzu kam die Kritik an der Struktur der ehemaligen PDS, die Partei, die etliche Linke wegen ihres stalinistischen Erbes schon seit ihrer Gründung nicht nur für autoritär struturiert hielten...

Ihre überalterte Parteibasis - durch die DDR geprägt - neige zu Kadavergehorsam, ihr Antikapitalismus sei bestenfalls "nationalbolschewistisch". Eine Polemik (nicht nur von "Antinationalen" vorgebracht), die darauf abzielte die oftmals stalinoid-bräsig daherkommende Kritik der autoritär geprägten Alt-Basis am "bösen Westen" und seinem Kapitalismus sei nichts weiter als Ostalgie: spiessiges Ressentiment das die Sehnsucht nach einem provinziellen Gartenzwergsozialismus ausdrücke - sogar anschlussfähig an völkische und antisemitische Denkweisen.

Mit Häme wurde daher in der radikalen Linken die Selbstmord-Ankündigung der Truppe um die Trotzkisten-Schöne, Redler goutiert, sie wolle nun "Entrismus", in die Linkspartei rüber machen. So richtig ernst hat die SAV ohnehin niemand mehr genommen. Neben Spott hagelt es auch bundesweit Kritik an dem "parasitären Wesen" einer Gruppe, die "Organisationshopping" betreibe ohne "in der Bewegung richtig mit anzupacken".

Niemand hatte daher mit einem Einspruch gegen den Mitgliedsantrag von bestenfalls drei Handvoll SAV-Mitglieder gerechnet, die mangels Masse ohnehin nichts am Realo-Kurs der Berliner Linkspartei ändern könne. Bestenfalls werde man die Entristen von der SAV mit Posten ruhig stellen, so wie vorher die Trotzkisten der inzwischen aufgelösten Gruppe "Linksruck", von denen manches Ex-Mitglied mittlerweile einen lukrativen Job in der Linken Bundestagsfraktion ausübt.

Christine Buchholz zum Beispiel, die im Bundestagsbüro des WASG-Gründers, Klaus Ernst arbeitet. Ausgerechnet von dem kommt nun der Einspruch gegen den Eintritt Lucy Redlers. Ziemlich fantasielos argumentiert der bayerische Regionalfürst der IG-Metall, Redler sei gegen die Fusion von WASG und PDS zur Linkspartei gewesen. Ernst, den etliche WASGler bereits in der Gründungsphase für grobschlächtig und autoritär hielten, vergisst allerdings dass bei der Fusion der beiden Parteien automatisch auch diejenigen Mitglied in der Linken wurden, die vorher gegen die Fusion aufgestanden waren.

Redler und die SAV hatten sich dem damals durch Austritt aus der fusionierten Partei entzogen. Während - im Widerspruch zur Berliner SAV-Linie - die Trotzkisten in den Westbundesländern nicht aus der WASG austraten und somit Mitglied der Fusionspartei wurden.

Vor einem Monat kündigten die Redler-Trotzkisten auf ihren Webseiten an: "SAV jetzt auch im Osten in der "Linken". Eine "Drohung" die "Titanic"-Titelseitenverdächtig war: ergänzt durch "Massenflucht in die neuen Bundesländer". Statt den Eintritt Redler mit Humor zu nehmen, folgt stattdessen der "Prager Frühling in der Linkspartei".

Beobachter reiben sich verwundert die Augen warum Mitglieder der "Linke" mit ihrem autoritären Vorgehen gegen Lucy Redler der bekannten Trotzkistin eine mediale Bühne schaffen. Allerdings geistert schon seit Wochen das Gerücht in der Berliner linken Szene umher, die Berliner Linkspartei fürchte den Eintritt Redlers und Genossen, könnten diese doch einen Kristallisationspunkt für alle Unzufriedenen in der Berliner Linkspartei bilden und damit den Realo Kurs von Liebich und Co schwächen.

Konkret, so Kreuzberger Mitglieder der Linkspartei bereits vor 14 Tagen, bereiteten Linksparteichef Gregor Gysi und die führende Berliner Reala, Halina Wawziniak einen Einspruch gegen die SAV und Lucy Redler vor, "innerhalb der Sechs-Wochen-Frist für Neumitglieder". Wawzyniak trat 1990 als 16-Jährige in die PDS ein und macht seitdem eine steile Karriere. Mit ihr hat die Berliner Linkspartei ein Mitglied im Bundesvorstand, das dafür Sorge trägt, dass der Kurs der Regierungssozialisten von innerhalb der Linken nicht gestört wird.

Mit "Wessi" Klaus Ernst haben die Berliner Genossen ein WASG-Gründungsmitglied für die Liquidierung des Kasus Redler vorgeschickt, um Vorwürfen in Richtung "autoritäres Erbe der SED", "Stasi-Anwalt gegen Trotzkistin", "Berliner Realsozialisten fürchten Kritikerin" zu begegnen.

Eines haben die Strippenzieher aus Berlin aber nicht bedacht: statt Kritiker in die Linkspartei hineinzusaugen und in Ämter zu kooptieren, werden sie die Reihen derjenigen stärken, die bereits klammheimlich über eine erneute linke Konkurrenzkandidatur zur Berliner Linkspartei nachdenken.

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