Freitag, 24. Oktober 2008

Bundespolizei ermittelt gegen Schaffnerin

In der Bahn-Zentrale ist man sich einig, die Vorschriften sind klar: Die Bahnbedienstete hätte das Mädchen ohne Fahrkarte nicht einfach aussetzen dürfen. Augenzeugen berichten, dass sich die Frau zudem extrem stur verhielt.

Das Verhalten einer Bahnbediensteten gegenüber einem Mädchen, das keine Fahrkarte hatte, wird ein juristisches Nachspiel haben. Wegen des Aussetzens der Zwölfjährigen auf dem Bahnhof Parkentin in Mecklenburg-Vorpommern ermittelt nun die Bundespolizei gegen die Schaffnerin. Die Zugbegleiterin war wegen ihres offensichtlich falschen Handelns zunächst vom Dienst suspendiert worden.

«Wir prüfen im Auftrag der Staatsanwaltschaft, ob eine strafrechtlich relevante Verfehlung vorliegt», sagte eine Sprecherin der Bundespolizei in Rostock am Freitag. Zu diesem Zweck wurden Zeugen gesucht. Den Bahn-Bestimmungen zufolge dürfen Minderjährige nicht einfach wegen Schwarzfahrens aus dem Zug gesetzt werden. Die Zugbegleiterin hätte das Mädchen der Bundespolizei übergeben müssen.

«Stören Sie die Amtshandlung nicht»

Das Mädchen war Montagabend auf dem Weg von Bad Doberan zur Musikschule in Rostock unterwegs gewesen und musste wegen einer fehlenden Fahrkarte bei anbrechender Dunkelheit und mit einem schweren Cello auf dem Rücken fünf Kilometer vom Bahnhof Parkentin nach Hause laufen. Die Schaffnerin hatte die Minderjährige des Zuges verwiesen, obwohl Mitreisende für die 2,90 Euro für eine Karte zahlen wollten. «Ich sollte die Amtshandlung nicht stören», zitierte der Mitreisende Fred Zuppke im «Hamburger Abendblatt» die Schaffnerin.

Das Mädchen habe das von der Mutter bereitgelegte Geld vergessen, dies aber erst im Zug bemerkt, sagte die Urgroßmutter Irmgard Kummer dem Blatt. Als die Schülerin am Bahnhof ausgesetzt worden war, habe sie versucht, ihre Eltern und ihre Uroma anzurufen, aber niemanden erreicht. Dann sei sie zu Fuß gegangen - gut eine Stunde. «Sie hat kein Fahrzeug angehalten, schließlich hat ihre Mutter ihr immer gesagt, sie dürfe nicht in fremde Autos einsteigen», sagte Kummer dem Blatt.

Entsetzen in der Bahn-Zentrale

Die Deutsche Bahn und die Mutter haben sich inzwischen über einen Ausgleich verständigt. Die Bahn habe sich mit einem Blumenstrauß und einer Fahrkarte für den Vorfall entschuldigt, sagte ein Unternehmenssprecher. Details zum Umfang der Leistung wollte er nicht nennen, sie sei aber umfangreicher als das zunächst versprochene Länderticket im Wert von 25 Euro. «Wir haben uns geeinigt, wie wir das wiedergutmachen können.»

In der Berliner Bahn-Zentrale war das Entsetzen über das Verhalten der Mitarbeiterin groß. «Börsengang abgesagt, ICE-Züge wegen Sicherheitsüberprüfungen überfüllt - da hat uns so etwas gerade noch gefehlt», war der Tenor. Kopfschütteln herrschte auch darüber, dass die Schaffnerin sich trotz aller Schulungen über diese elementare Regel hinweggesetzt hat.

Die Vorschrift, die sie hätte beachten müssen, sei in dem Regelwerk für Bahn-Mitarbeiter festgelegt, das auf der Eisenbahn-Verkehrsordnung aufsetzt. Dieses kennt jeder Mitarbeiter in Personenzügen der Bahn von der Regionalbahn bis zum ICE. Ein Bahnsprecher bezeichnete den Vorfall als extremen Einzelfall. Jeden Tag befördere die Bahn rund sieben Millionen Kunden. «Wir nehmen das sehr, sehr ernst», sagte er.

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