Wie demütigend es sein kann, mit Madonna verwandt zu sein, das beschreibt Christopher Ciccone in seinem Buch «Meine Schwester Madonna und ich». Ein Buch, das für den kleinen Bruder der «Queen of Pop» Geldquelle und Therapie zugleich ist, meint Bettina Cosack.
Fleisch ist verboten, Milch, Zucker und Salz ebenso. Misosuppe lässt die Hausherrin gelten, gedünsteten Fisch, Hülsenfrüchte. Madonna, die Perfektionistin, hat es Guy Ritchie, von dem sie alsbald geschieden werden wird, in Ernährungsfragen nicht leicht gemacht, wenn man den rachegetränkten Angaben aus dem Lager des britischen Regisseurs glauben darf. Die Popsängerin soll sich des weiteren nachts stets in einem Plastikanzug schlafen legen, damit Luxus-Lotionen besser in ihren durchtrainierten Luxus-Körper einziehen können. Was Ritchie nicht allzu viel ausgemacht haben dürfte. Madonna im Arm zu halten, soll er geklagt haben, sei so, als kuschele man mit einem Stück Knorpel. Soviel zu den Beschwerlichkeiten des Londoner Ehelebens in Zeiten der Fitness-Diktatur. Ritchie, der ein echter Kerl sein will und kein Misosuppenesser, ist inzwischen ausgezogen.
Wohl wahr, Männer haben es schwer im Schatten durchsetzungsfähiger Frauen. Wie demütigend es sein kann, mit Madonna verwandt zu sein, das beschreibt Christopher Ciccone in seinem Buch «Meine Schwester Madonna und ich», das heute in Deutschland erscheint. Auch Ciccone, der Bruder, ist mit Madonna zerstritten. Was ungünstig für ihn ist. Zum einen ist er bis zum Geschwister-Zwist immer Angestellter seiner Schwester gewesen. Zum anderen verfügt er, anders als sein Schwager Guy Ritchie, über kein nennenswertes Privatvermögen, schließlich hat ihn seine Schwester und Chefin immer kurz gehalten. So ist denn das Buch, das in den USA und in Großbritannien im Sommer zum 50. Geburtstag Madonnas erschien (nettes Geschenk!) und sogleich die Bestsellerlisten erklomm, für Ciccone Geldquelle und Therapie zugleich. Die Einkünfte und die Erleichterung, die die Niederschrift eines solchen Klagebuchs mit sich bringen dürfte, seien ihm gegönnt, er hat gelitten. Und hat es nicht anders gewollt. 27 Monate jünger als Madonna ist Christopher, 48 Jahre alt also und tief verstrickt in die Abhängigkeit von Madonna. «Ich wurde als Sohn meiner Mutter geboren, aber ich werde als Bruder meiner Schwester sterben», schreibt er. «Ich werde mich nicht länger gegen die Wahrheit sperren, denn letzten Endes bin ich aufrichtig stolz, dass Madonna meine Schwester ist und immer sein wird.» Kurz und gut: Dem Mann ist nicht zu helfen.
Gemeinsam mit sechs weiteren Geschwistern wachsen die beiden Ciccone-Kinder in Rochester im US-Staat Michigan auf, wortkarg und streng regieren der Vater und die Stiefmutter die Truppe. Madonna, die Temperamentvolle, nimmt den musikalischen, aber antriebslosen Christopher mit zum Ballett. Er ist dreizehn und dankbar für die Aufmerksamkeit der Schwester, sie ist ehrgeizig, und in ihrem Kurs fehlt ein männlicher Tänzer. Später, als Madonna Modern Dance studiert, führt sie ihn in eine Schwulenbar, was ihm die Augen öffnet für die eigene Homosexualität. Seine Unschuld verliert Christopher auf dem Rücksitz eines Wagens im Autokino. Sehr komisch seine vergleichende Anmerkung zu diesem Vorfall: «Zufälligerweise hat Madonna ihre Unschuld auch an einen Typen namens Russell verloren - und auch auf dem Rücksitz eines Autos. Offensichtlich haben wir nicht nur fast identische Gene, sondern auch unsere Schicksale gleichen sich. Aber auch hierbei übertraf sie mich, denn ihr erstes Mal fand in einem Cadillac und nicht in einem Datsun statt.»
Das Datsun-Leben des Christopher Ciccone
Trübselig geht es weiter im Datsun-Leben des Christopher Ciccone, das aus seiner Sicht voller Ungerechtigkeiten steckt. Immer steht er im Schatten der majestätischen, planvoll agierenden Schwester, ein Loser und doch ein Liebender, der um die Zuneigung der Verehrten bettelt und sie nur in homöopathischen Dosen bekommt. Zum Leben zu wenig, zum Hassen zu viel. Weil Madonna sagt, Tänzer könne man nur in New York werden, zieht er wie sie nach New York. Er ist ihr Background-Tänzer, als sie ihre erste Single vorstellt, er wird auf Tourneen ihr Garderobier, er wischt ihr bei den Kostümwechseln den Schweiß vom Körper, er sammelt ihre abgelegte Unterwäsche ein. Später, als er immerhin als Regisseur für eine ihrer Shows zuständig ist, spuckt sie ihm aus alter Gewohnheit ihr Hustenbonbon in die Hand, bevor sie auf die Bühne geht. Nie wird er ausreichend bezahlt, nie schläft er in angemessen luxuriösen Hotelzimmern. Und immer ist er da, wenn die Schwester ruft. Über viele Jahre richtet er Madonnas Häuser ein, unterbezahlt natürlich, doch mit Begeisterung.
Beim Geld hört die Liebe auf, immer
Als Guy Ritchie in Madonnas Leben tritt, beginnt die stabil-ungleiche Bruder-Schwester-Beziehung ernsthaft zu kriseln. Wenn man Ciccone glauben darf, dann verachtet Ritchie, der Macker, Homosexuelle und lässt den Schwager diese Verachtung deutlich spüren. Madonna wiederum verachtet das Partyleben des Bruders und seinen Hang zum Kokain, will ihn wegen angeblicher Unzuverlässigkeit nicht weiter als Innenarchitekten beschäftigen. Als Ritchie und Madonna im Dezember 2000 auf dem schottischen Schloss Skibo heiraten, bekommt der Bruder das Dienerzimmer zugewiesen und keine Suite. Die Kosten für das Flugticket zieht die große Schwester ihm vom letzten Inneneinrichtungs-Honorar ab. Beim Geld hört die Liebe auf, immer.
Die Jahrzehnte mit Madonna, schreibt Christopher Ciccone therapiegeschult, seien für ihn ein großes Abenteuer und ein enormer Lernprozess gewesen. Eine der wichtigsten Lektionen laute: «Wenn man mit einem Familienmitglied Geschäfte macht, sollte man immer einen Vertrag abschließen.»
Es ist eine böse Pointe, dass Madonna, die Frau, die dem Bruder immer weit voraus war, sich scheiden lässt, kaum dass sein Buch über sie auf dem Markt ist. Er schreibt: «In diesem Jahr ist meine Schwester fünfzig geworden. Ich hoffe und glaube, dass sie noch viele Jahre im Showbusiness vor sich hat und dass ich bis zum Ende da sein und applaudieren werde. Außerdem glaube ich, dass Guy auch da sein wird.» So kann man sich täuschen.
Christopher Ciccone: «Meine Schwester Madonna und ich»; 352 Seiten, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 19,90€.
Mit freundlicher Genehmigung aus der «Berliner Zeitung»
Fleisch ist verboten, Milch, Zucker und Salz ebenso. Misosuppe lässt die Hausherrin gelten, gedünsteten Fisch, Hülsenfrüchte. Madonna, die Perfektionistin, hat es Guy Ritchie, von dem sie alsbald geschieden werden wird, in Ernährungsfragen nicht leicht gemacht, wenn man den rachegetränkten Angaben aus dem Lager des britischen Regisseurs glauben darf. Die Popsängerin soll sich des weiteren nachts stets in einem Plastikanzug schlafen legen, damit Luxus-Lotionen besser in ihren durchtrainierten Luxus-Körper einziehen können. Was Ritchie nicht allzu viel ausgemacht haben dürfte. Madonna im Arm zu halten, soll er geklagt haben, sei so, als kuschele man mit einem Stück Knorpel. Soviel zu den Beschwerlichkeiten des Londoner Ehelebens in Zeiten der Fitness-Diktatur. Ritchie, der ein echter Kerl sein will und kein Misosuppenesser, ist inzwischen ausgezogen.
Wohl wahr, Männer haben es schwer im Schatten durchsetzungsfähiger Frauen. Wie demütigend es sein kann, mit Madonna verwandt zu sein, das beschreibt Christopher Ciccone in seinem Buch «Meine Schwester Madonna und ich», das heute in Deutschland erscheint. Auch Ciccone, der Bruder, ist mit Madonna zerstritten. Was ungünstig für ihn ist. Zum einen ist er bis zum Geschwister-Zwist immer Angestellter seiner Schwester gewesen. Zum anderen verfügt er, anders als sein Schwager Guy Ritchie, über kein nennenswertes Privatvermögen, schließlich hat ihn seine Schwester und Chefin immer kurz gehalten. So ist denn das Buch, das in den USA und in Großbritannien im Sommer zum 50. Geburtstag Madonnas erschien (nettes Geschenk!) und sogleich die Bestsellerlisten erklomm, für Ciccone Geldquelle und Therapie zugleich. Die Einkünfte und die Erleichterung, die die Niederschrift eines solchen Klagebuchs mit sich bringen dürfte, seien ihm gegönnt, er hat gelitten. Und hat es nicht anders gewollt. 27 Monate jünger als Madonna ist Christopher, 48 Jahre alt also und tief verstrickt in die Abhängigkeit von Madonna. «Ich wurde als Sohn meiner Mutter geboren, aber ich werde als Bruder meiner Schwester sterben», schreibt er. «Ich werde mich nicht länger gegen die Wahrheit sperren, denn letzten Endes bin ich aufrichtig stolz, dass Madonna meine Schwester ist und immer sein wird.» Kurz und gut: Dem Mann ist nicht zu helfen.
Gemeinsam mit sechs weiteren Geschwistern wachsen die beiden Ciccone-Kinder in Rochester im US-Staat Michigan auf, wortkarg und streng regieren der Vater und die Stiefmutter die Truppe. Madonna, die Temperamentvolle, nimmt den musikalischen, aber antriebslosen Christopher mit zum Ballett. Er ist dreizehn und dankbar für die Aufmerksamkeit der Schwester, sie ist ehrgeizig, und in ihrem Kurs fehlt ein männlicher Tänzer. Später, als Madonna Modern Dance studiert, führt sie ihn in eine Schwulenbar, was ihm die Augen öffnet für die eigene Homosexualität. Seine Unschuld verliert Christopher auf dem Rücksitz eines Wagens im Autokino. Sehr komisch seine vergleichende Anmerkung zu diesem Vorfall: «Zufälligerweise hat Madonna ihre Unschuld auch an einen Typen namens Russell verloren - und auch auf dem Rücksitz eines Autos. Offensichtlich haben wir nicht nur fast identische Gene, sondern auch unsere Schicksale gleichen sich. Aber auch hierbei übertraf sie mich, denn ihr erstes Mal fand in einem Cadillac und nicht in einem Datsun statt.»
Das Datsun-Leben des Christopher Ciccone
Trübselig geht es weiter im Datsun-Leben des Christopher Ciccone, das aus seiner Sicht voller Ungerechtigkeiten steckt. Immer steht er im Schatten der majestätischen, planvoll agierenden Schwester, ein Loser und doch ein Liebender, der um die Zuneigung der Verehrten bettelt und sie nur in homöopathischen Dosen bekommt. Zum Leben zu wenig, zum Hassen zu viel. Weil Madonna sagt, Tänzer könne man nur in New York werden, zieht er wie sie nach New York. Er ist ihr Background-Tänzer, als sie ihre erste Single vorstellt, er wird auf Tourneen ihr Garderobier, er wischt ihr bei den Kostümwechseln den Schweiß vom Körper, er sammelt ihre abgelegte Unterwäsche ein. Später, als er immerhin als Regisseur für eine ihrer Shows zuständig ist, spuckt sie ihm aus alter Gewohnheit ihr Hustenbonbon in die Hand, bevor sie auf die Bühne geht. Nie wird er ausreichend bezahlt, nie schläft er in angemessen luxuriösen Hotelzimmern. Und immer ist er da, wenn die Schwester ruft. Über viele Jahre richtet er Madonnas Häuser ein, unterbezahlt natürlich, doch mit Begeisterung.
Beim Geld hört die Liebe auf, immer
Als Guy Ritchie in Madonnas Leben tritt, beginnt die stabil-ungleiche Bruder-Schwester-Beziehung ernsthaft zu kriseln. Wenn man Ciccone glauben darf, dann verachtet Ritchie, der Macker, Homosexuelle und lässt den Schwager diese Verachtung deutlich spüren. Madonna wiederum verachtet das Partyleben des Bruders und seinen Hang zum Kokain, will ihn wegen angeblicher Unzuverlässigkeit nicht weiter als Innenarchitekten beschäftigen. Als Ritchie und Madonna im Dezember 2000 auf dem schottischen Schloss Skibo heiraten, bekommt der Bruder das Dienerzimmer zugewiesen und keine Suite. Die Kosten für das Flugticket zieht die große Schwester ihm vom letzten Inneneinrichtungs-Honorar ab. Beim Geld hört die Liebe auf, immer.
Die Jahrzehnte mit Madonna, schreibt Christopher Ciccone therapiegeschult, seien für ihn ein großes Abenteuer und ein enormer Lernprozess gewesen. Eine der wichtigsten Lektionen laute: «Wenn man mit einem Familienmitglied Geschäfte macht, sollte man immer einen Vertrag abschließen.»
Es ist eine böse Pointe, dass Madonna, die Frau, die dem Bruder immer weit voraus war, sich scheiden lässt, kaum dass sein Buch über sie auf dem Markt ist. Er schreibt: «In diesem Jahr ist meine Schwester fünfzig geworden. Ich hoffe und glaube, dass sie noch viele Jahre im Showbusiness vor sich hat und dass ich bis zum Ende da sein und applaudieren werde. Außerdem glaube ich, dass Guy auch da sein wird.» So kann man sich täuschen.
Christopher Ciccone: «Meine Schwester Madonna und ich»; 352 Seiten, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 19,90€.
Mit freundlicher Genehmigung aus der «Berliner Zeitung»
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