Samstag, 25. Oktober 2008

Auch Luca wurde aus dem Zug geworfen

Für Zugbegleiter gelten klare Vorschriften, doch nicht alle halten sich daran: Einige springen rüde mit Fahrgästen um.

Von Elisabeth Jessen

Was Deborah (12) aus Bad Doberan am Montagabend passierte, als sie von einer Schaffnerin aus dem Zug geworfen wurde, ist nach Aussage von Achim Stauß, Konzernsprecher der Deutschen Bahn, ein "extremer Einzelfall". "Die Zugbegleiterin hätte sich ganz anders verhalten müssen." Dass der rüde Umgang mit Fahrgästen jedoch gar nicht so selten ist, zeigen die Reaktionen zahlreicher Abendblatt-Leser, die über ähnliche Erfahrungen berichten.

So wie die 14-jährige Luca Schick aus Hamburg-Curslack, die am 23. August mit einem Eurocity (EC) von Oldenburg (Holstein) nach Hamburg fahren wollte. "Die Mutter ihrer Freundin hatte versehentlich eine Fahrkarte für den Regionalzug am Automaten gelöst", erzählt ihre Mutter Gabi Schick. "Die Schaffnerin hat gesagt, ,du musst in Lübeck aussteigen.'" Luca habe schweres Gepäck - einen großen Rucksack sowie Schlafsack und Zelt - dabeigehabt. "Ihr Handyakku war fast leer, sie konnte uns nur noch sagen, dass sie später ankommt", erzählt die Mutter von vier Kindern. "Direkt nach dem Vorfall war ich sehr geladen", so Gabi Schick. Sie habe dann eine Beschwerde-Mail an mehrere Bahnadressen geschickt: "Es ist ja nicht einfach, die Mail-Adresse eines Zuständigen herauszufinden." Die Leiterin des Kundendialogs antwortete schließlich und entschuldigte sich "in aller Form" und erklärte, "es hätte sicherlich auch eine kundenfreundlichere Lösung gefunden werden können." Mehr als diese E-Mail kam nicht. Auch die Zugbegleiterin in diesem Fall hat gegen die Vorschrift der Deutschen Bahn verstoßen, derzufolge Minderjährige auch dann nicht aus dem Zug verwiesen werden dürfen, wenn sie keine gültige Fahrkarte haben. Sie können gegebenenfalls in die Obhut der Bundespolizei übergeben werden.

Langsam scheint es auch der suspendierten Zugbegleiterin aus der Regionalbahn von Bad Doberan zu dämmern, was sie am Montagabend angerichtet hat, als sie Deborah an der kleinen Haltestation Parkentin (Kreis Bad Doberan) samt Cello in der anbrechenden Dunkelheit aus dem Zug gewiesen hat, weil das Mädchen das Geld für die Fahrkarte vergessen hatte. "Die Mitarbeiterin möchte sich bei dem Mädchen und der Familie entschuldigen. Ihr Fehlverhalten tut ihr aufrichtig leid", erklärte Bahnsprecher Stauß. "Wir werden auch arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen. Welche, kann ich noch nicht sagen, weil die Bundespolizei noch ermittelt", so der Bahnsprecher. Mittlerweile gibt es Zweifel, ob ein Mann, der dem Mädchen seine Hilfe angeboten haben will, tatsächlich im Zug saß. Die Polizei sucht daher weitere Zeugen.

Die Hamburgerin Tanja Schuit (18) hat Ähnliches wie Deborah und Luca erlebt. Sie sei am 4. März 2007 von einem Schaffner gegen 23.15 Uhr in Ashausen (Kreis Harburg) aus der Regionalbahn gewiesen worden, mit der Begründung, ihr HVV-Ticket sei nicht bis Winsen/Luhe gültig, erzählt sie. "Aus Verzweiflung fing ich an, mitten in der Nacht an wildfremden Haustüren zu klingeln", erzählt die junge Frau, die damals noch 17 war. Ein netter Herr, der die Tür öffnete, habe sie schließlich nach Winsen gefahren.

Für Zugbegleiter gelten klare Vorschriften, doch nicht alle halten sich daran: Einige springen rüde mit Fahrgästen um.

Auch der Hamburger Julian Gehlert (27) erinnert sich an eine albtraumhafte Wanderung querfeldein. Weil der Aufdruck seiner Fahrkarte unleserlich war, habe die Zugbegleiterin ihn aufgefordert, den Zug zu verlassen. "Es waren 36 Grad, und ich hatte den Fahrschein aus Thermopapier den ganzen Tag in der Hosentasche", so seine Erklärung. Die Schaffnerin habe seine Reisetasche an einem Haltepunkt zwischen dem bayerischen Plattling und Deggendorf aus dem Zug geworfen. "Ich bin dann sieben Kilometer bis Deggendorf gelaufen."

Zumindest aus dem Fall Deborah will die Bahn Lehren für die Zukunft ziehen: "Wir werden diesen Vorfall in unseren Schulungen sicher noch mal aufarbeiten", versichert Bahnsprecher Stauß.

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