Donnerstag, 7. Mai 2009

Yusuf Islam im Interview: Jetzt ist er wieder mehr Cat Stevens

Von Sophie Albers

Als Cat Stevens hat er die Popwelt beherrscht, als Yusuf Islam versucht er, seinen eigenen Platz darin zu finden. Ein Gespräch über Wahrheit, Identität und warum man sich selbst aufgeben muss.

Es ist ein Moment fürs Tagebuch des Lebens oder auch für die Enkel: In einem dunkel vertäfelten Berliner Altbauzimmer, auf einem knarzenden Ledersessel, sitzt Yusuf Islam, alias Cat Stevens, spielt Gitarre und singt. Einfach so. Live. Die schmalen Hände liebkosen die Saiten mit der größtmöglichen Selbstverständlichkeit, und diese berühmte Stimme, die einfach alle emotionalen Ebenen abdeckt, füllt den Raum, ohne wirklich laut zu sein. Der Mann mit dem grauen Bart und dem milden Blick schließt die Augen, summt, lacht, singt weiter, während eine Handvoll Journalisten ihn ein bisschen ungläubig anstarrt. Das ist jetzt wirklich Cat Stevens: "Don't be shy/ Let your feeling roll on by/ on by, on by, on by, on by, on by..." Das kennt man aus Mamas Plattensammlung. Wie auf Bestellung fliegt eine kleine Motte durch den sonnendurchfluteten Raum.

Aber nein, es ist immer noch Yusuf Islam, der da sitzt, der Ende der 70er Jahre sein Leben als Cat Stevens beendete, um als Moslem ein neues zu beginnen. Dazu gehörte, fast 30 Jahre lang keine Popmusik mehr zu machen. 2006 veröffentlichte er sein erstes Album unter neuem Namen, "An other Cup". Mittlerweile ist er noch milder geworden, offenbar versöhnt mit der alten Identität, denn auf seinem zweiten Album als Yusuf, mit Namen "Roadsinger", hört er sich nicht nur wieder genauso an wie Cat Stevens, auf dem Cover spielt er sogar mit seinem Erfolg in der Hippie-Zeit. Das war lange undenkbar.

"Roadsinger", das er Lied für Lied von CD vorstellt, bevor er anfängt, für die Journalisten live zu singen, sei ein bodenständiges Album, sagt Yusuf und zupft an seiner schwarzen Lederjacke. "Es ist meine musikalische Signatur." Es geht um Dunkelheit und Licht, um die Reise, die das Leben ist, um Liebe, Prüfungen und Träume. Viel Gitarre, aber auch Streicher, manchmal sind sogar ein paar Elektrosounds zu hören. Aber hauptsächlich natürlich diese Stimme, die im Popzirkus auch nach Jahrzehnten einzigartig ist.

"Salam Aleikum"
Sein Handy klingelt. "Salam Aleikum". Ja, er habe gut geschlafen. Schmunzeln. "Wir haben Sushi gegessen." Die Leute im Raum sind vergessen. Er schlägt die Beine mit den schwarzen 60er-Jahre-Stiefeletten übereinander und lacht. Mama würde angesichts von so viel Nähe zum einstigen Superstar wohl hyperventilieren. Dabei war Yusuf Islam bisher nicht so gut auf die Presse zu sprechen. Vor allem nicht, nachdem geschrieben wurde, er unterstütze die Fatwa gegen den Islam-kritischen Schriftsteller Salman Rushdie. Deshalb hat er selbst Aufnahmegeräte dabei, wenn er aufgenommen wird. Auch heute. Eins auf dem Tisch, eins in der Hand.

Die sind aber egal und vergessen, als er zu spielen anfängt. Musik ist die Kunst, die dieser mittlerweile 60-Jährige universell verständlich beherrscht. Denn auch wenn einen Songwriting-Wunder wie "All Kinds Of Roses" oder Thinking 'Bout You" nicht vom Hocker hauen, weil sie eben aus Mamas Zeit zu stammen scheinen, sprechen sie trotzdem das berühmte Herz an. Gehen die Harmonien völlig treffsicher in die Eingeweide. Das kann Yusuf Islam genauso gut wie Cat Stevens.

Mister Islam, als Sie Ihre neue CD vorgespielt haben, haben Sie die Augen geschlossen: Was hören Sie, wenn Sie sich selbst hören?
Ich sorge mich ein bisschen, denn wenn ich mich höre, denke ich, dass ich mir nicht selbst zuhören, sondern live spielen sollte. Ich mag mich nicht wiederholen. Andererseits ist die Platte ja da, um wiederholt zu werden, um immer wieder gehört zu werden. Wenn ich da bin, während sie läuft, ist das zu dem bestimmten Zweck, dass die Leute sehen, das ich es bin. Dass ich die Platte gemacht habe. Aber für mich selbst schließe ich lieber die Augen davor. Ich will mir der Situation nicht zu bewusst sein. (lacht)

Sie haben Ihren festen Platz in der Musikgeschichte. Deshalb eine ganz allgemeine wie große Frage an Sie: Kann Musik die Welt verändern?
Nein. Aber sie kann eine Vision von einer besseren Welt zeichnen. Musik kann den Job nicht erledigen, das müssen die Menschen tun. Aber ein Song kann inspirieren, er kann einen Menschen auf den Weg bringen. An einer besseren Welt zu arbeiten, ist das beste Ziel, das man haben kann. Aber das funktioniert eben nur, wenn du an dir selbst arbeitest.

Gab es eine Zeit, in der Sie dachten, Musik könne die Welt verändern, und dann waren Sie von der Realität enttäuscht?
Wir haben doch die wahre Geschichte vier junger Männer namens The Beatles miterlebt. Die haben die Welt in gewisser Weise schon verändert: was die Haltung gegenüber der Jugend angeht und dem, was die Jugend zu sagen hat. Das war anders als alles andere, was zuvor gesagt wurde, und wie es gesagt wurde. Das war ein neuer Realismus und schon eine Mini-Revolution, eine musikalische Revolution. Und die ganze Jugend war ein Teil davon. Für eine gewisse Zeit hatte man das Gefühl, dass die Dinge sich wirklich ändern. Aber dann hat sich das Geschäft breit gemacht, sie vereinnahmt. Und wenn das Geschäft übernimmt, wird ein Künstler zum Instrument des Kommerz'.

Wie würden Sie einem 18-Jährigen, der Sie nicht kennt, erlären, wer Cat Stevens war?
Puh... ich würde sagen, da war dieser... Wissen Sie was, ich würde ein Musical über ihn schreiben! (lacht) Oh, das habe ich ja gerade gemacht. (lacht lauter/ Er arbeitet gerade an einem Bühnenmusical namens "Moonshadow", Anm. Red.) Ich würde es in eine andere Welt übertragen, denn Kinder brauchen eine starke Bildsprache. Ich würde sagen, der Junge war ein ziemlicher Rebell, der nicht glauben wollte, dass es keine Antworten gibt. Der nicht glauben wollte, dass die Antwort, nach der er suchte, nicht zu finden sei. Also ist er mit seiner Musik ausgezogen, sie zu finden. Das war ich ein bisschen.

Und wie würden Sie Yusuf Islam beschreiben?
Yusuf ist jemand, der einem guten Weg folgt, den er nicht selbst angelegt hat, der nicht von Menschen angelegt wurde. Der Weg, den alle Propheten und gute Menschen gehen.

Propheten?
Ich bin kein Prophet, aber ich gehe den Weg, ich versuche ihm zu folgen.

Was hat der Glaube Sie über die Musik gelehrt? Hat er ihr etwas hinzugefügt?
Am Anfang war es eher unklar. Im Koran steht nicht, dass Musik verboten ist. Das Wort Musik kommt gar nicht vor. Es kommt also auf die Interpretation an. Aber wie es gute und schlechte Poesie gibt, gibt es auch gute und schlechte Musik. Mir war nicht klar, ob es mein Schicksal sein würde, jemals wieder einen Song zu schreiben. Ich musste auf ein Zeichen warten. Und das Zeichen war, dass mein Sohn eine Gitarre mit nach Hause brachte. Zur gleichen Zeit passierten alle diese Dinge in der Welt, der 11. September. Und es sah aus, als würde die Welt entzweibrechen. Da war ein Riss. Die Welt wurde wilder. "Wild World" war plötzlich auf jedermans Türschwelle. Und ich wusste, es ist Zeit wieder zu singen. Denn wenn meine Musik für irgendetwas stand, dann immer für den friedlichen Weg des Miteinanders. Wie man miteinander lebt, wie man einander liebt, wie man diese Welt genießt, ohne sie zu zerstören.

Ihr Lieblingszitat lautet: Um zu sein, musst du aufgeben, wer du bist. (von dem spätmittelalterlichen Theologen Meister Eckhart, Anm.Red.)
Oh ja. (verträumt)

Geben Sie sich immer noch auf?
Es ist anstrengend. Dieses Motto ist ein Paradox. Um dich aufzugeben, musst du erstmal jemand sein. Du musst also an einem Punkt ruhen. Aber vielleicht ist das nicht der Mensch, der du am Anfang dachtest zu sein. Vielleicht musst du viele Wandlungen durchmachen, bevor du überhaupt begreifst, wer du bist.

Sie sind also immer noch nicht angekommen?
Das Leben ist eine Reise. Ganz sicher.

"Roadsinger" erscheint am 1. Mai bei Universal Island Records

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