Im südafrikanischen Grenzort Musina liegt Boomstimmung in der Luft. Rund 2000 Simbabwer strömen dort täglich legal oder illegal über die Grenze, um sich in wahren Panikkäufen mit all dem einzudecken, was es in ihrer Heimat nicht mehr gibt. In Johannesburgs Methodistenkirche sticht der strenge Geruch hunderter ungewaschener Körper in die Nase. Auf Fluren, in Nischen und Treppenhäusern des Kirchenasyls lagern Männer und Frauen. «Aber alles hier ist besser als das, was wir zu Hause haben», sagt ein junger Simbabwer. Seinen Namen will er aus Angst vor Repressalien des Geheimdienstes seiner Heimat nicht nennen.
Weltrekord in Sachen Inflationsrate
Zu tausenden strömen die Simbabwer tagtäglich vor dem Chaos ihrer Heimat über die Grenze in die Nachbarländer. Simbabwe blutet aus, die Wirtschaft kollabiert. Die letzte offizielle Inflationsrate vom April lag bei mehr als 4500 Prozent - Weltrekord. Experten des Internationalen Währungsfonds halten nun sogar eine neue Rekordmarke von 100.000 Prozent bis zum Jahresende für realistisch. Der Mangel ist chronisch, das Leiden der Bevölkerung enorm. Viele sind bereits geflohen. Allein in Südafrika wird die Zahl der legal und illegal lebenden Simbabwer auf drei Millionen geschätzt. Doch nun setzt eine neue Massenbewegung ein.
Selbst die südafrikanische Regierung, die das Problem lange heruntergespielt hatte, ist auf einmal alarmiert. «Es gibt Anzeichen, dass mit jedem Tag mehr Menschen aus Simbabwe nach Südafrika kommen. Wenn wir nicht beginnen, Simbabwe bei der Lösung seiner Probleme zu helfen, wird der Strom nach Südafrika, Mosambik, Sambia und in andere Nachbarstaaten weiter zunehmen», warnte am Donnerstag Vize- Außenminister Aziz Pahad. Mit seinen ungewöhnlich offenen Worten widerlegte er die Behörden der Grenzprovinz Limpopo, die von einer Krise an ihrer Grenze offiziell nichts wissen wollen.
Die Vereinten Nationen warnen, dass die Simbabwer zu verzweifelten Überlebenstechniken gezwungen werden könnten. Im Ort Mutare wurde ein Fall publik, bei dem Studenten vor lauter Hunger Hunde schlachteten und verspeisten. Das tägliche Überleben wird zum Kampf, der alle Energie bindet. Bisher konnten sich noch viele Simbabwer im Nachbarland Südafrika mit Nahrungsmitteln versorgen - doch selbst da will Mugabe nun einen Riegel vorschieben. Künftig soll alle Importware von einem bestimmten Wert an besteuert werden.
Mugabe unbeirrt
Für Südafrika drängt die Zeit: Am 10. August soll Präsident Thabo Mbeki der regionalen Staatengemeinschaft SADC Rechenschaft über seine Vermittlungsbemühungen ablegen. Und die sehen bisher nicht nach Erfolg aus. Der seit 1980 regierende Präsident Robert Mugabe (83) steuert unbeirrt von der weltweiten Empörung über Chaos und Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe seine Wiederwahl im kommenden März an. Und die beiden Fraktionen der oppositionellen Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) sind so zerstritten, dass selbst bei der von ihr geforderten Verfassungsänderung ein Wahlsieg fraglich wäre.
Mit einer Rufmordkampagne wurde zudem Mugabes ärgster Kritiker, Bulawayos Erzbischof Pius Ncube, mundtot gemacht. Die staatlich kontrollierten Medien des Landes veröffentlichten Videos, die angeblich den katholischen Geistlichen mit einer verheirateten Dame im Hotelbett zeigten. Der einstige Ehemann, der sich von der Frau zuvor getrennt hatte, hat Ncube (60) gerade auf 20 Milliarden Simbabwe-Dollar Schmerzensgeld verklagt - zum offiziellen Umtauschkurs 1,3 Millionen US-Dollar.
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