Montag, 13. August 2007

Landrat wusste von Waffen in Ausländerbehörde

Der Landrat des Kreises Demmin, Frieder Jelen (CDU), hat die Duldung von Waffen bei Mitarbeitern der Ausländerbehörde verteidigt. Seit Mitte 2006 habe es mehrere Fälle verbaler und körperlicher Gewalt gegen Amtsmitarbeiter gegeben. Infolge solcher Vorfälle hätten Mitarbeiter, die berechtigt waren, für sich entschieden, Gas- oder Schreckschusspistolen mitzuführen, teilte Jelen am Montag mit. Aus Gründen der Deeskalation habe er im Februar 2007 aber entschieden, dass das Führen von Waffen, Pfefferspray und ähnlichen Mitteln untersagt ist, erklärte Jelen.

Landrat weist Vorwürfe als einseitig zurück

Der Landrat wies zudem in einem Zeitungsbericht erhobene Vorwürfe als "einseitig" zurück, wonach sich in den vergangenen Monaten mehrfach Ausländer über die Praxis der Behörde und im kreiseigenen Asylbewerberheim in Jürgenstorf beschwert hätten. Das Psychosoziale Zentrum für Migranten in Greifswald untermauerte dagegen diese Vorwürfe. Bearbeitungsfehler und rüdes Verhalten gegenüber Ausländern seien vorgekommen. "Die Zusammenarbeit mit dem Amt ist sehr schlecht", sagte der Leiter des Zentrums, Holger Kummerow, am Montag in Greifswald. Betreuer hätten auf Fehler und Fristüberschreitungen im Amt mehrfach hingewiesen - geändert habe sich nichts.

Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren

Nachdem bekannt wurde, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Dienst Schreckschusspistolen trugen, haben sich auch das Schweriner Innenministerium und die Staatsanwaltschaft in den Fall eingeschaltet. Man habe Landrat Jelen zu einer ausführlichen Stellungnahme aufgefordert, hieß es aus dem Ministerium. "Wir prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird - das geht aber nur bei Straftatverdacht", sagte der Sprecher der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, Gerd Zeisler. "Wenn die Mitarbeiter einen Waffenschein dafür hatten, wäre das nicht strafbar", betonte er.

Nach Angaben des Landkreises werden in der Demminer Ausländerbehörde aus "Gründen des Selbstschutzes" auch Lederhandschuhe eingesetzt. Dies erfolge, wenn bei nötigen und zulässigen Durchsuchungen mit Verletzungen durch scharfe oder spitze Gegenstände, wie Kanülen oder Rasierklingen, zu rechnen sei. Asylbewerber hatten diese Verfahrensweise kritisiert. Laut Landratsamt gab es Lehrgänge für Mitarbeiter zur Bewältigung von Konflikten und Bedrohungssituationen. Strafanzeigen gegen Mitarbeiter der Ausländerbehörde wegen Bedrohung oder Gewaltanwendung seien nicht bekannt.

"Die Ausländerbehörde ist kein Wild-West-Salon"

Nach dem Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommerns forderte am Montag auch eine Antirassistische Initiative aus Rostock eine "zügige und vorbehaltlose Aufklärung der skandalösen Vorgänge." Trotz der Stellungnahme aus Demmin verlangte Bündnis 90/Die Grünen den Rücktritt des Amtsleiters, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Als "völlig unüblich" bezeichneten Sprecher anderer Landkreise und Städte die in Demmin praktizierte "Ausrüstung" von Mitarbeitern. "Wir bieten Schulungen an, wie Konflikte gewaltfrei zu lösen sind", sagte Rostocks Stadtsprecher Ulrich Kunze. Im Zweifel wüssten Mitarbeiter die Notnummern der Polizei.

Nach Überzeugung des FDP-Landtagsabgeordneten Gino Leonhard gehören Waffen nicht in die Hände von Sachbearbeitern. Die Vorgänge in Demmin zeugten von einem wenig selbstkritischen Umgang des Amtsleiters und von einem kruden Amtsverständnis ohne jegliches Fingerspitzengefühl. "Die Ausländerbehörde ist kein Wild-West-Salon", betonte Leonhard.

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