Haben die Karlsruher Richter doch unter anderem festgestellt, dass die Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen in der Presse nicht ausreicht, um eine Strafbarkeit von Journalisten zu begründen und man deshalb nicht gleich ihre Büros durchsuchen soll. Kein Wunder also, dass man bei der Hamburger Staatsanwaltschaft, die nun gegen die Journalisten ermitteln muss, Manschetten hat.
Munter ausgebreitetes Hornberger Schießen
Das Verfahren sei ziemlich aussichtslos, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. (Siehe dazu: Strafverfolgung von Journalisten: Praktisch aussichtslos) Doch es ist nicht nur das: Es ist ein Zeichen der Schwäche für die Politik, es ist eine Zumutung für das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten, und es ist zweifellos ein Angriff auf die Pressefreiheit, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, nur weil er erfreulicherweise ziemlich untauglich erscheint.
Der BND-Ausschuss, der sich mit der Frage beschäftigte, ob sich die rot-grüne Bundesregierung im Fall des nach Guantánamo verschleppten Murat Kurnaz richtig verhielt, sei irgendwann löchrig wie ein Schweizer Käse gewesen, sagt Kauder. Man könnte es auch noch schärfer formulieren: Der Ausschuss war ein einziges Informationsleck, das Gegenteil eines zur Geheimhaltung verpflichteten parlamentarischen Gremiums. Er war ein Kampfplatz der Parteien.
Doch das ist nicht das Problem der Journalisten, sondern der Politik, insbesondere der großen Koalition, in der die einen ein Interesse daran hatten, der rot-grünen Vorgängerregierung am Zeug zu flicken, und die anderen, sie im Nachhinein in ein günstiges Licht zu rücken. Da überschnitten und überkreuzten sich die Interessen der Schwarzen, der Roten und der Grünen, so dass immer wieder Details an die Öffentlichkeit kamen, die insbesondere den früheren Kanzleramts- und jetzigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier belasten oder stützen sollten. So ging das auf und ab und endete als munter ausgebreitetes Hornberger Schießen. Das Pulver dazu haben nicht die Journalisten geliefert.
Mehr Druck auf Informanten und Journalisten
Wie absurd es in diesem Ausschuss zuging, zeigt sich noch jetzt, da sich Ausschussmitglieder zu Wort melden, welche die Ermittlungen gegen Journalisten rundheraus ablehnen, wie der FDP-Politiker Max Stadler und Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Doch selbst diejenigen, die im Ausschuss mit Mehrheit für die Ermittlungen gegen Journalisten gestimmt haben, dürften wissen, dass es in Wahrheit gar nicht um die Berichterstatter, sondern um sie selbst geht. Und die Ermittlungen erstrecken sich ja auch auf diejenigen, von denen die Journalisten ihre Informationen erhalten haben; da man aber nicht weiß, wer das ist, richtet sich der Verdacht gegen „unbekannt“. Die Journalisten, die dazu geschrieben haben, sind bekannt, also setzt man bei ihnen an.
Und das geschieht zum wiederholten Mal. Es ist Usus, nachgerade lockere Übung geworden, im Falle eines Falles erst einmal auf die Journalisten loszugehen, Redaktionsräume zu durchsuchen und Material zu beschlagnahmen, wie es vor einiger Zeit in besonders krasser Form dem damaligen Brüsseler „Stern“-Korrespondenten Hans-Martin Tillack und dann dem „Cicero“-Autor Bruno Schirra widerfahren ist.
Hundertachtzig Redaktionsrazzien in den Jahren 1987 bis 2006 hat der Deutsche Journalisten-Verband einmal zusammengezählt. Was bedeutet: mehr Druck auf die Journalisten und vor allem: auf die Informanten. Zeigen kann uns das auch zweierlei: Entweder halten Politiker und Bürokraten in Deutschland die Journalisten für so gefährlich, dass man sie verfolgen muss, oder sie halten die Medien für inzwischen dermaßen schwach, dass man sie ruhig auf diese Weise bedrängen kann. (Siehe dazu: Vorwurf des Geheimnisverrats: Stimmen zu den Ermittlungen)
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen