Peter Ehrlich
Der Bundestag ist nicht mehr die Bühne für wichtige Debatten - Schuld daran hat er selbst. Dabei gibt es viele Wege, dies zu ändern - hier drei Vorschläge.
Die politische Sommerpause ist beendet, die Parteien sind wieder da, die Regierung auch. Aber wo ist die wichtigste demokratische Institution des Landes, der Deutsche Bundestag? Erst kommende Woche treffen sich die Fraktionen zu Klausursitzungen, erst in der Woche danach beginnt mit der Haushaltswoche die Sitzungsarbeit. Der Bundestag trägt damit selbst dazu bei, dass das Parlament und damit das Kernstück der Demokratie in den Augen der Bürger an Bedeutung verliert. Gerade in den Zeiten einer Großen Koalition, in der die Mehrheit der Regierung auch dann nicht gefährdet ist, wenn es Dutzende "Abweichler" gibt, sollte das Parlament seine Rolle kritisch hinterfragen und seine Arbeitsweise überdenken.
Hier geht es nicht um eine platte Kritik daran, dass die Sommerpause des Bundestags zwei Monate dauert oder der Sozialausschuss um die halbe Welt reist. Viele Abgeordnete bleiben im Sommer als Politiker sichtbar, das Parlament als Institution ist es nicht.
Als Institution aufgefallen ist der Bundestag in den vergangenen Wochen nur einmal - als bekannt wurde, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert die Berliner Staatsanwaltschaft ermächtigt hat, wegen Geheimnisverrats im BND-Untersuchungsausschuss zu ermitteln. Die einzigen Betroffenen der Aktion, die von vornherein zur Erfolglosigkeit verdammt war, waren Journalisten. Lammert beteuert zwar, er habe keine andere Wahl gehabt. Der Einstellung der Ermittlungen durch die erste der beteiligten Staatsanwaltschaften hat er jedoch sofort zugestimmt. Es bleibt ein fader Beigeschmack: Geheimnisverrat in den eigenen Reihen kann der Bundestag nicht aufklären, also bleibt ein wenig Druck auf die Presse, wenn diese das tut, was ihre Aufgabe ist: über das Handeln der Regierung kritisch zu berichten.
Wenig Wille zur Kontrolle
Das Problem für den Bundestag ist, dass bei Diskussionen wie der um Geheimnisverrat der Sinn von Untersuchungsausschüssen in den Hintergrund gerät. Sie sollen Missstände aufdecken und auf diese Weise die Regierung kontrollieren. Im Zusammenhang mit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung gab es jedoch Äußerungen, etwa des BND-Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder, die den Willen zur Kontrolle der Regierung vermissen lassen. Und es gab die Drohung von Kanzleramtschef Thomas de Maizière, das Kanzleramt werde bei weiteren Veröffentlichungen geheime Akten nicht mehr weiterleiten. Die Ausschussmitglieder müssten diese stattdessen in der Geheimschutzstelle des Kanzleramts einsehen.
Ein selbstbewusstes Parlament lässt sich nicht drohen, auch nicht von der Regierung. Der US-Kongress würde einen Minister nach einer solchen Äußerung so lange immer wieder vorladen, bis er es sich anders überlegt. Es ist katastrophal, dass man die Abgeordneten anscheinend daran erinnern muss, dass sich das Parlament eine Regierung hält - und nicht umgekehrt. Das Parlament kann auch dafür sorgen, dass nicht jede Regierungsakte mit einem "Geheim"-Stempel versehen wird, wo dies für die Sicherheit der Republik nicht nötig ist.
Das Selbstverständnis des Bundestags ist die eine Seite, seine Arbeitsweise die zweite. Zu Recht wird beklagt, dass politische Debatten zuerst in Talkshows und dann im Parlament geführt werden. Warum versucht der Bundestag dann nicht, diese wieder zurückzuholen?
Nur sehr selten, wie etwa bei der Aussprache über die Patientenverfügung, wird offen und jenseits der Parteilinien diskutiert. Dann zeigt sich, wie spannend Bundestagssitzungen sein können. Oft aber sind die Diskussionen ritualisiert, selbst die kleinen Spitzen der Koalitionspartner gegeneinander dringen kaum an eine breite Öffentlichkeit. Die Presse, das sei zugegeben, ist daran nicht unschuldig. Vor 20 Jahren bekamen auch Oppositionspolitiker noch drei zusammenhänge Sätze in der "Tagesschau", heute kann schon die Kanzlerin darüber froh sein. Auf die Pressetribüne des Bundestags verirren sich Jahr für Jahr weniger Kollegen. Wenn ein Minister um 23 Uhr im Bundestag seinen Rücktritt verkünden würde, würde das möglicherweise erst am nächsten Tag bemerkt.
Der Bundestag ist nicht mehr die Bühne für wichtige Debatten - Schuld daran hat er selbst. Dabei gibt es viele Wege, dies zu ändern - hier drei Vorschläge.
Die politische Sommerpause ist beendet, die Parteien sind wieder da, die Regierung auch. Aber wo ist die wichtigste demokratische Institution des Landes, der Deutsche Bundestag? Erst kommende Woche treffen sich die Fraktionen zu Klausursitzungen, erst in der Woche danach beginnt mit der Haushaltswoche die Sitzungsarbeit. Der Bundestag trägt damit selbst dazu bei, dass das Parlament und damit das Kernstück der Demokratie in den Augen der Bürger an Bedeutung verliert. Gerade in den Zeiten einer Großen Koalition, in der die Mehrheit der Regierung auch dann nicht gefährdet ist, wenn es Dutzende "Abweichler" gibt, sollte das Parlament seine Rolle kritisch hinterfragen und seine Arbeitsweise überdenken.
Hier geht es nicht um eine platte Kritik daran, dass die Sommerpause des Bundestags zwei Monate dauert oder der Sozialausschuss um die halbe Welt reist. Viele Abgeordnete bleiben im Sommer als Politiker sichtbar, das Parlament als Institution ist es nicht.
Als Institution aufgefallen ist der Bundestag in den vergangenen Wochen nur einmal - als bekannt wurde, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert die Berliner Staatsanwaltschaft ermächtigt hat, wegen Geheimnisverrats im BND-Untersuchungsausschuss zu ermitteln. Die einzigen Betroffenen der Aktion, die von vornherein zur Erfolglosigkeit verdammt war, waren Journalisten. Lammert beteuert zwar, er habe keine andere Wahl gehabt. Der Einstellung der Ermittlungen durch die erste der beteiligten Staatsanwaltschaften hat er jedoch sofort zugestimmt. Es bleibt ein fader Beigeschmack: Geheimnisverrat in den eigenen Reihen kann der Bundestag nicht aufklären, also bleibt ein wenig Druck auf die Presse, wenn diese das tut, was ihre Aufgabe ist: über das Handeln der Regierung kritisch zu berichten.
Wenig Wille zur Kontrolle
Das Problem für den Bundestag ist, dass bei Diskussionen wie der um Geheimnisverrat der Sinn von Untersuchungsausschüssen in den Hintergrund gerät. Sie sollen Missstände aufdecken und auf diese Weise die Regierung kontrollieren. Im Zusammenhang mit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung gab es jedoch Äußerungen, etwa des BND-Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder, die den Willen zur Kontrolle der Regierung vermissen lassen. Und es gab die Drohung von Kanzleramtschef Thomas de Maizière, das Kanzleramt werde bei weiteren Veröffentlichungen geheime Akten nicht mehr weiterleiten. Die Ausschussmitglieder müssten diese stattdessen in der Geheimschutzstelle des Kanzleramts einsehen.
Ein selbstbewusstes Parlament lässt sich nicht drohen, auch nicht von der Regierung. Der US-Kongress würde einen Minister nach einer solchen Äußerung so lange immer wieder vorladen, bis er es sich anders überlegt. Es ist katastrophal, dass man die Abgeordneten anscheinend daran erinnern muss, dass sich das Parlament eine Regierung hält - und nicht umgekehrt. Das Parlament kann auch dafür sorgen, dass nicht jede Regierungsakte mit einem "Geheim"-Stempel versehen wird, wo dies für die Sicherheit der Republik nicht nötig ist.
Das Selbstverständnis des Bundestags ist die eine Seite, seine Arbeitsweise die zweite. Zu Recht wird beklagt, dass politische Debatten zuerst in Talkshows und dann im Parlament geführt werden. Warum versucht der Bundestag dann nicht, diese wieder zurückzuholen?
Nur sehr selten, wie etwa bei der Aussprache über die Patientenverfügung, wird offen und jenseits der Parteilinien diskutiert. Dann zeigt sich, wie spannend Bundestagssitzungen sein können. Oft aber sind die Diskussionen ritualisiert, selbst die kleinen Spitzen der Koalitionspartner gegeneinander dringen kaum an eine breite Öffentlichkeit. Die Presse, das sei zugegeben, ist daran nicht unschuldig. Vor 20 Jahren bekamen auch Oppositionspolitiker noch drei zusammenhänge Sätze in der "Tagesschau", heute kann schon die Kanzlerin darüber froh sein. Auf die Pressetribüne des Bundestags verirren sich Jahr für Jahr weniger Kollegen. Wenn ein Minister um 23 Uhr im Bundestag seinen Rücktritt verkünden würde, würde das möglicherweise erst am nächsten Tag bemerkt.
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