Dienstag, 28. August 2007

Neonazi-Videos

Zentralrat der Juden prüft rechtliche Schritte gegen das US-Videoportal

Alfred Krüger

Neonazis verbreiten über das US-Portal YouTube Propagandavideos, die in Deutschland indiziert sind. Der Zentralrat der Juden prüft Strafanzeige gegen Betreiberfirma Google. Deutsche Politiker wollen YouTube "in letzter Konsequenz" gar sperren lassen.

"Begreift endlich, dass euch keiner braucht, keiner bestellt hat und auch keiner will. Ihr seid nicht der Widerstand, für den Ihr euch haltet, ihr seid lächerlich!" Dieser wütende Aufschrei findet sich bei YouTube - eingestellt als Kommentar eines empörten Nutzers, der sich über ein rechtsradikales Video der Ost-Berliner Neonazi-Band "Landser" beschwert.

472 Suchergebnisse liefert das vom Suchmaschinenunternehmen Google betriebene Videoportal YouTube allein zum Suchbegriff "Landser". Die meisten Videos wurden von YouTube-Nutzern eingestellt, die sich schon mit ihrem Pseudonym eindeutig zur rechtsradikalen Szene bekennen.

Rechtsradikale Propaganda

Einer von ihnen nennt sich "88whiteboy14". Die Zahl 8 steht für "H", den achten Buchstaben im Alphabet, "88" somit für "HH" als Abkürzung für "Heil Hitler". Hinter der Zahl 14 verstecken sich die vierzehn englischen Worte "We must secure the existence of our people and a future for white children" ("Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern") - ein Slogan, der von US-amerikanischen Rassisten verwendet wird.

"88whiteboy14" outet sich auf seiner persönlichen YouTube-Seite als rechtsradikaler Skinhead aus Kanada. Die Videos, die von ihm hochgeladen wurden, sind zwischen sechs Monaten und vier Wochen alt und wurden jeweils bis zu 31.000 Mal aufgerufen. Auch sonst findet sich bei YouTube rechtsextremistisches Videomaterial in Massen: Originale Hitler-Reden, rassistische Propagandavideos, antisemitische Hass-Filme und immer wieder Lieder aus der rechtsradikalen Szene. Zu finden ist hier auch der Kinotrailer zum antisemitischen Nazi-Hetzfilm "Der ewige Jude".

Damit nicht genug. Auch aktuelle NPD-Propaganda aus Deutschland wird über YouTube verbreitet. Der Suchbegriff "Mügeln" etwa führt unter anderem zu einem "Nachrichten"-Video der "Volksfront Medien", hinter denen sich der hessische NPD-Landesvorsitzende Marcel Wöll verbirgt, und rechtfertigt den ausländerfeindlichen Übergriff in der sächsischen Kleinstadt. 41 weitere Videos derselben Machart sind über YouTube zu beziehen - ebenso übrigens wie über die "offizielle" Webseite der NPD-Propagandanachrichten, die in Deutschland gehostet wird.

Keine Reaktion auf Abmahnungen

Nicht alle YouTube-Nutzer lassen sich das braune Videomaterial wortlos gefallen. In den Kommentaren, die unter den Videos zu finden sind, wird heftig gestritten. Und immer wieder wird hier die Frage gestellt, warum die Betreiber des weltweit erfolgreichsten Videoportals solche Videos überhaupt zulassen, zumal sich unter dem rechtsradikalen Material auch eine Vielzahl von Propagandavideos und -liedern befindet, die in Deutschland auf dem Index stehen.

Wer ein von Nutzern eingestelltes Video für "anstößig" hält, kann den Videoportalbetreibern dies mitteilen. Offenbar scheint diese Funktion nicht besonders wirkungsvoll zu arbeiten. Videos, die auf diesem Wege gemeldet wurden, bleiben weiterhin abrufbar. Selbst auf offizielle Abmahnungen reagieren die Portalbetreiber offenbar nicht. So hat das deutsche "Jugendschutz.net", die zentrale Stelle für die Einhaltung des Jugendschutzes im Internet, in den vergangenen Monaten mehr als einhundert in Deutschland indizierte Hass-Videos bei den YouTube-Betreibern erfolglos abgemahnt. YouTube zeigte nach Angaben von Jugendschutz.net bisher keinerlei Reaktion.

Die YouTube-Betreiberfirma mache sich der Beihilfe zur Volksverhetzung schuldig, erklärte Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber dem ARD-Fernsehmagazin "Report Mainz". Korn kündigte an, wegen einer Reihe rassistischer und kriegsverherrlichender Videos Strafanzeige gegen die Betreiber der Plattform zu stellen. "Ich erwarte, dass die Staatsanwaltschaft, dass die Behörden, dass auch die Bundesregierung gegebenenfalls dagegen eintritt und dagegen vorgeht", erklärte Korn.

"In letzter Konsequenz" abschalten?

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Betreiber der Videoplattform fordert auch Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Neonazi-Filmen dürfe im Internet kein Forum geboten werden, erklärte der SPD-Innenexperte. "Das muss gestoppt werden. Es ist skandalös, dass so etwas in Deutschland möglich ist."

CDU-Medienpolitiker Günter Krings erwägt "in letzter Konsequenz" gar eine Sperrung der gesamten YouTube-Plattform für Deutschland. Ein solches Videoportal sei kein rechtsfreier Raum, erklärte Krings gegenüber der "Frankfurter Rundschau". Ihre Betreiber seien gehalten, das deutsche Strafrecht einzuhalten. "Wenn sie das nicht tun, müssen wir dafür sorgen, dass sie abgeschaltet werden", sagte Krings.

YouTube-Betreiberfirma Google hat sich mittlerweile zu den Vorwürfen aus Deutschland geäußert. "Jede Minute werden bei uns rund sechs Stunden Video-Material hochgeladen", erklärte Google-Sprecher Kay Oberbeck gegenüber der "Frankfurter Rundschau". "Wir haben Beschäftigte rund um die Welt, die nichts anderes tun, als Videos zu kontrollieren, die uns Nutzer als anstößig gemeldet haben." Daneben sei zu berücksichtigen, dass YouTube ein US-amerikanisches Unternehmen sei und "wir die unterschiedlichen Gesetze bei der Bewertung von Inhalten beachten", führte Oberbeck aus. Was in Deutschland verboten sei und auf dem Index stehe, muss deshalb in den USA noch lange nicht illegal sein.

Google zeigt sich kooperativ

Man arbeite aber bereitwillig mit den deutschen Ermittlungsbehörden zusammen, wenn es um illegale Inhalte gehe, sagte Oberbeck. Die Daten von deutschen Nutzern, die Nazi-Propaganda via YouTube verbreiten, würden auf Anfrage an die zuständigen Stellen weitergegeben. "Wenn wir darum gebeten werden, helfen wir selbstverständlich weiter", so Oberbeck. An eine Sperrung bestimmter Suchbegriffe, die eindeutig auf rechtsradikale Inhalte verweisen, denken die YouTube-Betreiber derzeit aber offenbar nicht.

Der Vorwurf, YouTube würde als Abspielplattform für rechtsradikale Videos missbraucht, wird nicht zum ersten Mal erhoben. Bereits Ende September letzten Jahres wurden dezidierte Pläne der NPD für eine wöchentliche Nachrichtensendung laut, die über die US-Videoplattform verbreitet werden sollte. Damals haben die YouTube-Betreiber recht zügig reagiert. Nachdem die Pläne der NPD bekannt geworden und auf den massenhaften Protest vorwiegend deutscher YouTube-Nutzer gestoßen waren, entfernten die Betreiber die bereits eingestellten NPD-Videos von ihrem Portal.

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