Sonntag, 5. Juli 2009

"Wir haben über eine Milliarde hungernde Menschen. Diese Zahl war noch nie so hoch in der Geschichte der Menschheit"

Welthungerhilfe: Hunger wie Finanzkrise bekämpfen

Die G8-Staaten müssen den wachsenden Hunger in der Welt nach Überzeugung des Entwicklungsexperten Rafael Schneider mit derselben Entschlossenheit bekämpfen wie die Finanzkrise. Vor allem gehe es jetzt darum, in den Anbau von Nahrungsmitteln zu investieren statt in Exportprodukte wie Palmöl oder Soja, sagte Schneider von der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Da sind zum einen die Regierungen der betroffenen Länder zuständig. Aber alle überstaatlichen Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die G8 müssen die Rahmenbedingungen dazu schaffen, damit diese Länder ihrer Verantwortung auch nachkommen können.»
Werbung

Beim G8-Gipfel, zu dem die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Kanada, Japan, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien am Mittwoch im italienischen L'Aquila zusammenkommen, geht es auch um die Folgen der Finanzkrise für die ärmsten Länder. «Wir haben über eine Milliarde hungernde Menschen. Diese Zahl war noch nie so hoch in der Geschichte der Menschheit. Und es ist unglaublich, dass wir dieses Problem nicht genauso angehen, wie wir die Finanz- und Wirtschaftskrise angehen», kritisierte Schneider.

Seit fünf Jahren gebe es eine stetig wachsende Hungerkatastrophe. Als Gründe nannte Schneider eine Preisexplosion für Lebensmittel, die zum Teil auf den Boom beim Biosprit zurückzuführen sei. «Aber auch der Klimawandel schlägt immer stärker zu.» In vielen Entwicklungsländern, aber auch in wichtigen Exportländern wie Australien oder der Ukraine gingen die Erträge zurück.

Der Ausweg seien massive Investitionen in die Landwirtschaft und die ländlichen Räume der ärmsten Länder. «Sie müssen ihre Bewässerungssysteme ausbauen, aber auch Straßen, Elektrizität, Gesundheitswesen und Bildung. Denn diese Regionen, in denen der Hunger am schlimmsten ist, sind auch die am schlechtesten erschlossenen Regionen», sagte Schneider.

In den vergangenen Jahren sei zwar investiert worden, aber vor allem in den Anbau von Exportprodukten. «Da wird stark ausgebaut, weil der finanzstarke Norden ein großes Interesse daran hat, diese Produkte aufzukaufen. Aber für die Armen, die günstige Nahrungsmittel brauchen und sie meist als Kleinbauern auch selbst produzieren müssen, wird viel zu wenig investiert», kritisierte Schneider.

Er forderte die G8 auf, alle Prozesse im Kampf gegen den Hunger bei der Welternährungsorganisation FAO zu bündeln und von dieser UN- Organisation koordinieren zu lassen: «Damit man auch an die Umsetzung geht und nicht nur eine Deklaration nach der anderen verabschiedet.»

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen