Von Susanne Amann
Für 14,99 Euro bietet Tchibo T-Shirts zum Selberdrucken an - doch nicht jeder Spruch ist genehm. Weil der Konzern vergangenes Jahr von einer Bloggerin vorgeführt wurde, zensiert er Bestellungen im Netz. Erstaunlich, denn bei der Verbesserung der Produktionsbedingungen hat er Fortschritte gemacht.
Hamburg - Der Weg zum perfekten T-Shirt dauert nicht lang: sich für die gewünschte Form und die Farbe entscheiden, die richtige Größe auswählen und dann das Lieblingsmotiv oder eine bestimmte Aufschrift aussuchen. Mit einem weiteren Klick geht es in den Warenkorb - und schon ist man stolzer Besitzer eines "individuell gestalteten T-Shirts", das der Kaffeeröster und Textileinzelhändler Tchibo in Kooperation mit der Firma Spreadshirt für 14,99 Euro anbietet.
Schwierig wird die Bestellung im Internet allerdings, wenn man Texte auf sein T-Shirt drucken lassen will, die dem Konzern nicht gefallen. "Dieses T-Shirt hat ein Kind für Tchibo genäht" funktioniert ebenso wenig wie "Bio - aber unfair". In der Bestellmaske erscheint eine kurze Nachricht, dass der Name Tchibo "markenrechtlich geschützt ist und daher nicht verwendet werden darf". Außerdem vermeldet der Computer: "Der Text 'unfair' gefällt uns nicht. Bitte gib einen anderen Text an." Gleiches gilt für Begriffe wie "Kinderarbeit" oder "Hungerlöhne".
Kritik trifft Tchibo an wundem Punkt
"Alle Worte, die auch nur im Entferntesten Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen zulassen, sind nicht erlaubt", sagt Kirsten Brodde - und sie weiß auch warum. Denn sie ist die Bloggerin, die Tchibo vor ziemlich genau einem Jahr vorgeführt hat. "Tchibo-Shirts: Gefertigt für Hungerlöhne" hatte sie sich damals von dem Konzern auf ein T-Shirt drucken lassen - und es auch geliefert bekommen. Damit stellte sich die ehemalige Greenpeace-Mitarbeiterin und Expertin für grüne Mode dann vor eine Hamburger Tchibo-Filiale und protestierte so gegen die Bedingungen, zu denen das Unternehmen seine Produkte herstellen lässt.
Damit hat sie den Konzern an einem wunden Punkt getroffen - denn tatsächlich war Tchibo vor ein paar Jahren wegen genau dieser Sozialstandards in der Kritik: Ende 2005 konfrontierte die "Kampagne für saubere Kleidung" (Clean Clothes Campaign) das Unternehmen mit Vorwürfen zu massiven Arbeitsrechtsverletzungen - am Beispiel einer Fabrik aus Bangladesch, die für Tchibo arbeitete. Anhaltende Proteste von Verbrauchern führten schließlich dazu, dass Tchibo einlenkte und sich mit der Frage nach fairen Handelsbedingungen beschäftigte. Man entwarf Richtlinien, warb mit Achim Lohrie einen anerkannten Experten für Corporate Social Responsibility (CSR) bei Otto ab und versucht seitdem, sich mit verschiedenen Programmen als verantwortungsbewusstes Unternehmen zu profilieren.
Der Konzern hat aus der Aktion von Brodde gelernt - nicht nur, indem er bestimmte Wortkombinationen und Schlüsselworte gar nicht erst zulässt. "In mir steckt ein Till Eulenspiegel, deshalb wollte ich mir 'Bio - aber unfär' drucken lassen", sagt sie. Doch was dank der falschen Rechtschreibung die automatische Kontrolle erst einmal anstandslos passierte, wurde kurze Zeit später schriftlich storniert. "Inzwischen scheint der Konzern auf Nummer sicher zu gehen und überprüft alle eingehenden Bestellungen", sagt Brodde. Dabei gehe es allerdings um Sozialstandards, Worte wie "Pestizid", "Ökoschwein" oder "giftig" seien problemlos lieferbar. "Der Konzern weiß, wo er Schwachstellen hat."
Die Zensur der Bestellungen erstaunt die Textil-Expertin trotzdem - denn der Konzern hat in bestimmten Bereichen Fortschritte gemacht. So kann man T-Shirts aus "organic cotton", also ökologischer Baumwolle, bedrucken lassen. Das Unternehmen verfügt inzwischen außerdem über einen Sozialkodex, führt Qualifizierungsprogramme für seine Importeure und acht bis zehn ausgewählte Lieferanten aus China, Pakistan, der Türkei und Bangladesch durch. Außerdem ist man dem Social Accountability International (SAI) beigetreten - einer Organisation, die Sozialstandards entwickelt und die Arbeitsbedingungen vor Ort überwacht.
Tchibo ist sich keiner Schuld bewusst
Es sei erklärtes Unternehmensziel, die Berücksichtigung von sozialen und Umweltaspekten entlang der Produktion kontinuierlich voranzutreiben, heißt es bei Tchibo auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. Fünf der insgesamt neun Produkte, die man gemeinsam mit Spreadshirt anbiete, seien aus zertifizierter ökologischer Baumwolle hergestellt und der Lieferant Continental Clothing sei Mitglied der Clean Clothes Campaign nahe stehenden Initiative Fair Wear Foundation, die die Einhaltung sozialer Standards überwache.
Damit liegt Tchibo im Trend. Inzwischen kommt kaum mehr ein Unternehmen um Öko- und Sozialstandards herum: Brauchte es früher noch handfeste Skandale wie die Aufdeckung von Kinderarbeit bei den Branchenriesen Gap und Nike, um auf das Problem aufmerksam zu machen, gehört das Ökobewusstsein heute fast schon zum guten Ton. Selbst bei Massenanbietern wie H&M, Otto und C&A finden die Kunden inzwischen T-Shirts und Hosen aus Biobaumwolle. Und Öko-Labels wie American Apparel sind längst in den besten Lagen der großen Städte vertreten.
Warum man trotz all dieser Bemühungen allerdings bei der Auswahl der Beschriftung bestimmte Worte nicht mehr zulässt - dazu will man sich Tchibo nicht so richtig äußern. Die generelle Überprüfung sei schon aus "urheberrechtlichen Gründen" erforderlich, allerdings könne ein solcher Prozess nie "alle denkbaren sprachlichen oder bildlichen Kreativleistungen berücksichtigen", erklärt man - und verweist auf den Kooperationspartner Spreadshirt.
Dort bestätigt man, dass es eine Liste mit Wörtern gibt, die "mit Tchibo abgestimmt" ist, um "Verunglimpfungen" und "unwahre Behauptungen" zu verhindern. Die Auswahl der Begriffe beziehe sich aber nicht nur auf die Produktionsbedingungen, sondern umfasse auch andere Bereiche wie zum Beispiel sexistische Aussagen. Bestelle man bei Spreadshirt selbst, gebe es eine solche Zensur nicht - mit Ausnahme von pornografischen oder als Wortmarke geschützten Begriffen.
Bio-Boom ist kein Ethik-Boom
Das Verhalten von Tchibo zeigt: Aus dem Bio-Boom ist längst noch kein Ethik-Boom geworden. "Die großen Konzerne sträuben sich immer noch gegen gesetzliche Regeln. Mit der Mitgliedschaft bei SAI oder anderen Organisationen alleine ist es aber nicht getan - denn damit können gerade mal fünf Prozent der weltweiten Lieferketten überwacht werden", kritisiert Ingeborg Wick vom Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind, die sich seit Jahren mit der Textilproduktion in Asien beschäftigt - und mehr Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen einfordert: "Lidl, Kik, Tchibo und Co. haben die Hauptverantwortung für die Produktionsbedingungen vor Ort - denn mit ihrer Marktmacht bestimmen sie die Preise und gestalten die Einkaufspraktiken."
Für Bloggerin Brodde ist klar: Statt sich für bessere Arbeits- und Handelsbedingungen einzusetzen, verlegt sich Tchibo darauf, Kritik erst gar nicht zuzulassen. Mit welchen Mitteln der Konzern das allerdings versucht, hat sie zum Schmunzeln gebracht: "Sich durch Zensur vor berechtigter Kritik schützen zu wollen, ist einfach lächerlich."
Ein bisschen stolz ist sie allerdings auch. Darauf, dass der Konzern in diesem Jahr ein bisschen "sauberere" T-Shirts anbietet.
Und darauf, dass allein ihre Bestellversuche ausreichten, dass der Konzern panisch bei der Kampagne für Saubere Kleidung anrief - und fragte, was um Gottes Willen sie denn dieses Mal plane.
Für 14,99 Euro bietet Tchibo T-Shirts zum Selberdrucken an - doch nicht jeder Spruch ist genehm. Weil der Konzern vergangenes Jahr von einer Bloggerin vorgeführt wurde, zensiert er Bestellungen im Netz. Erstaunlich, denn bei der Verbesserung der Produktionsbedingungen hat er Fortschritte gemacht.
Hamburg - Der Weg zum perfekten T-Shirt dauert nicht lang: sich für die gewünschte Form und die Farbe entscheiden, die richtige Größe auswählen und dann das Lieblingsmotiv oder eine bestimmte Aufschrift aussuchen. Mit einem weiteren Klick geht es in den Warenkorb - und schon ist man stolzer Besitzer eines "individuell gestalteten T-Shirts", das der Kaffeeröster und Textileinzelhändler Tchibo in Kooperation mit der Firma Spreadshirt für 14,99 Euro anbietet.
Schwierig wird die Bestellung im Internet allerdings, wenn man Texte auf sein T-Shirt drucken lassen will, die dem Konzern nicht gefallen. "Dieses T-Shirt hat ein Kind für Tchibo genäht" funktioniert ebenso wenig wie "Bio - aber unfair". In der Bestellmaske erscheint eine kurze Nachricht, dass der Name Tchibo "markenrechtlich geschützt ist und daher nicht verwendet werden darf". Außerdem vermeldet der Computer: "Der Text 'unfair' gefällt uns nicht. Bitte gib einen anderen Text an." Gleiches gilt für Begriffe wie "Kinderarbeit" oder "Hungerlöhne".
Kritik trifft Tchibo an wundem Punkt
"Alle Worte, die auch nur im Entferntesten Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen zulassen, sind nicht erlaubt", sagt Kirsten Brodde - und sie weiß auch warum. Denn sie ist die Bloggerin, die Tchibo vor ziemlich genau einem Jahr vorgeführt hat. "Tchibo-Shirts: Gefertigt für Hungerlöhne" hatte sie sich damals von dem Konzern auf ein T-Shirt drucken lassen - und es auch geliefert bekommen. Damit stellte sich die ehemalige Greenpeace-Mitarbeiterin und Expertin für grüne Mode dann vor eine Hamburger Tchibo-Filiale und protestierte so gegen die Bedingungen, zu denen das Unternehmen seine Produkte herstellen lässt.
Damit hat sie den Konzern an einem wunden Punkt getroffen - denn tatsächlich war Tchibo vor ein paar Jahren wegen genau dieser Sozialstandards in der Kritik: Ende 2005 konfrontierte die "Kampagne für saubere Kleidung" (Clean Clothes Campaign) das Unternehmen mit Vorwürfen zu massiven Arbeitsrechtsverletzungen - am Beispiel einer Fabrik aus Bangladesch, die für Tchibo arbeitete. Anhaltende Proteste von Verbrauchern führten schließlich dazu, dass Tchibo einlenkte und sich mit der Frage nach fairen Handelsbedingungen beschäftigte. Man entwarf Richtlinien, warb mit Achim Lohrie einen anerkannten Experten für Corporate Social Responsibility (CSR) bei Otto ab und versucht seitdem, sich mit verschiedenen Programmen als verantwortungsbewusstes Unternehmen zu profilieren.
Der Konzern hat aus der Aktion von Brodde gelernt - nicht nur, indem er bestimmte Wortkombinationen und Schlüsselworte gar nicht erst zulässt. "In mir steckt ein Till Eulenspiegel, deshalb wollte ich mir 'Bio - aber unfär' drucken lassen", sagt sie. Doch was dank der falschen Rechtschreibung die automatische Kontrolle erst einmal anstandslos passierte, wurde kurze Zeit später schriftlich storniert. "Inzwischen scheint der Konzern auf Nummer sicher zu gehen und überprüft alle eingehenden Bestellungen", sagt Brodde. Dabei gehe es allerdings um Sozialstandards, Worte wie "Pestizid", "Ökoschwein" oder "giftig" seien problemlos lieferbar. "Der Konzern weiß, wo er Schwachstellen hat."
Die Zensur der Bestellungen erstaunt die Textil-Expertin trotzdem - denn der Konzern hat in bestimmten Bereichen Fortschritte gemacht. So kann man T-Shirts aus "organic cotton", also ökologischer Baumwolle, bedrucken lassen. Das Unternehmen verfügt inzwischen außerdem über einen Sozialkodex, führt Qualifizierungsprogramme für seine Importeure und acht bis zehn ausgewählte Lieferanten aus China, Pakistan, der Türkei und Bangladesch durch. Außerdem ist man dem Social Accountability International (SAI) beigetreten - einer Organisation, die Sozialstandards entwickelt und die Arbeitsbedingungen vor Ort überwacht.
Tchibo ist sich keiner Schuld bewusst
Es sei erklärtes Unternehmensziel, die Berücksichtigung von sozialen und Umweltaspekten entlang der Produktion kontinuierlich voranzutreiben, heißt es bei Tchibo auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. Fünf der insgesamt neun Produkte, die man gemeinsam mit Spreadshirt anbiete, seien aus zertifizierter ökologischer Baumwolle hergestellt und der Lieferant Continental Clothing sei Mitglied der Clean Clothes Campaign nahe stehenden Initiative Fair Wear Foundation, die die Einhaltung sozialer Standards überwache.
Damit liegt Tchibo im Trend. Inzwischen kommt kaum mehr ein Unternehmen um Öko- und Sozialstandards herum: Brauchte es früher noch handfeste Skandale wie die Aufdeckung von Kinderarbeit bei den Branchenriesen Gap und Nike, um auf das Problem aufmerksam zu machen, gehört das Ökobewusstsein heute fast schon zum guten Ton. Selbst bei Massenanbietern wie H&M, Otto und C&A finden die Kunden inzwischen T-Shirts und Hosen aus Biobaumwolle. Und Öko-Labels wie American Apparel sind längst in den besten Lagen der großen Städte vertreten.
Warum man trotz all dieser Bemühungen allerdings bei der Auswahl der Beschriftung bestimmte Worte nicht mehr zulässt - dazu will man sich Tchibo nicht so richtig äußern. Die generelle Überprüfung sei schon aus "urheberrechtlichen Gründen" erforderlich, allerdings könne ein solcher Prozess nie "alle denkbaren sprachlichen oder bildlichen Kreativleistungen berücksichtigen", erklärt man - und verweist auf den Kooperationspartner Spreadshirt.
Dort bestätigt man, dass es eine Liste mit Wörtern gibt, die "mit Tchibo abgestimmt" ist, um "Verunglimpfungen" und "unwahre Behauptungen" zu verhindern. Die Auswahl der Begriffe beziehe sich aber nicht nur auf die Produktionsbedingungen, sondern umfasse auch andere Bereiche wie zum Beispiel sexistische Aussagen. Bestelle man bei Spreadshirt selbst, gebe es eine solche Zensur nicht - mit Ausnahme von pornografischen oder als Wortmarke geschützten Begriffen.
Bio-Boom ist kein Ethik-Boom
Das Verhalten von Tchibo zeigt: Aus dem Bio-Boom ist längst noch kein Ethik-Boom geworden. "Die großen Konzerne sträuben sich immer noch gegen gesetzliche Regeln. Mit der Mitgliedschaft bei SAI oder anderen Organisationen alleine ist es aber nicht getan - denn damit können gerade mal fünf Prozent der weltweiten Lieferketten überwacht werden", kritisiert Ingeborg Wick vom Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind, die sich seit Jahren mit der Textilproduktion in Asien beschäftigt - und mehr Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen einfordert: "Lidl, Kik, Tchibo und Co. haben die Hauptverantwortung für die Produktionsbedingungen vor Ort - denn mit ihrer Marktmacht bestimmen sie die Preise und gestalten die Einkaufspraktiken."
Für Bloggerin Brodde ist klar: Statt sich für bessere Arbeits- und Handelsbedingungen einzusetzen, verlegt sich Tchibo darauf, Kritik erst gar nicht zuzulassen. Mit welchen Mitteln der Konzern das allerdings versucht, hat sie zum Schmunzeln gebracht: "Sich durch Zensur vor berechtigter Kritik schützen zu wollen, ist einfach lächerlich."
Ein bisschen stolz ist sie allerdings auch. Darauf, dass der Konzern in diesem Jahr ein bisschen "sauberere" T-Shirts anbietet.
Und darauf, dass allein ihre Bestellversuche ausreichten, dass der Konzern panisch bei der Kampagne für Saubere Kleidung anrief - und fragte, was um Gottes Willen sie denn dieses Mal plane.
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