Mittwoch, 8. Juli 2009

Druck auf Vattenfall wächst

Pannen auch in Schweden

Neue Vorwürfe gegen den Energiekonzern Vattenfall: Auch in schwedischen Reaktoren gab es kürzlich schwere Pannen. Im Fall des AKW Krümmel gibt sich der Kieler Ministerpräsident aber gnädig.

Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben am Mittwochmorgen erneut das Zufahrtstor zum Kernkraftwerk Krümmel blockiert. Rund 20 Aktivisten schweißten Metallteile an einem Schiebetor fest, um die Zufahrt zur Anlage zu versperren. Das Kraftwerk sei "geschlossen wegen Unzuverlässigkeit von Vattenfall", teilten die Umweltschützer mit. Sie fordern, dem Betreiber die Betriebserlaubnis für Krümmel zu entziehen und den Reaktor stillzulegen. Zuverlässigkeit zähle im Atomgesetz zu den wichtigsten Zulassungsvoraussetzungen, hieß es.

Auch in schwedischen Atomreaktoren des Energiekonzerns Vattenfall haben sich in diesem Jahr wieder mehrere Pannen ereignet. Wie ein Sprecher der Strahlenschutzbehörde SSM am Mittwoch bestätigte, seien seit Januar zwei davon auf der höchsten von drei Gefahrenstufen eingestuft worden. Unter anderem sei ein automatisches Ventil zur Verhinderung von radioaktiven Lecks bei Störfällen nicht in Betrieb gewesen. Insgesamt habe es in diesem Jahr 60 Pannen aller drei Kategorien gegeben. Die Behörde droht Vattenfall nun mit einer verschärften Behördenaufsicht.
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Nach der neuen Panne im Atomkraftwerk Krümmel bei Hamburg forderten Politiker von SPD und Grünen die Kunden des Betreibers Vattenfall zum Wechsel des Stromanbieters auf. "Dieser Pannen-Konzern muss spüren, dass man ihm nicht mehr vertraut", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, dem Berliner Tagesspiegel. "Die Kunden von Vattenfall sollten den Atomausstieg vorziehen und zu einem Ökostromanbieter wechseln." Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, sagte: "Vattenfall-Kunden, die das Verhalten des Konzerns für inakzeptabel halten, können zwischen Dutzenden anderen Stromanbietern wählen und dadurch Druck machen."

Ein Trafo-Kurzschluss hatte am Wochenende zur Schnellabschaltung des Reaktors geführt. Nach Angaben des Betreibers sollen beide Transformatoren nicht mehr repariert, sondern durch neue ersetzt werden. Krümmel werde daher nach jetzigem Stand zehn Monate stillstehen. Der Atommeiler war erst vor zwei Wochen wieder ans Netz gegangen, nachdem er wegen einer ähnlichen Panne im Sommer 2007 zwei Jahre keinen Strom liefern konnte.

Der Energiekonzern Vattenfall hat inzwischen Fehler eingeräumt und erste personelle Konsequenzen gezogen. Er entband den bisherigen Kraftwerksleiter Hans-Dieter Lucht von seinen Aufgaben. Vattenfall gestand, dass eine Messeinrichtung des Transformators vor dem Wiederanfahren des Atomkraftwerks vor rund zwei Wochen nicht installiert worden war.

Die neuerliche Panne wird Mittwoch auch die Hamburger Bürgerschaft in einer Aktuellen Stunde beschäftigen. Schleswig- Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) räumte dem Betreiber noch einen "letzten Versuch" ein, die Probleme mit dem Kraftwerk in den Griff zu bekommen. "Wenn es dort wieder zu einer solchen Situation kommt, dann kümmere ich mich darum, dass dieses Kernkraftwerk abgeschaltet wird", sagte er am Dienstag nach einem Gespräch mit Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka in Kiel.

Laut Berliner Zeitung hat die Bundesregierung in Antworten auf parlamentarische Anfragen der Grünen 2006 und 2007 eingeräumt, dass Atomkraftwerke älterer Bauart wie Krümmel oder Biblis technisch rückständig seien. "Die neueren Siedewasserreaktoren sowie die Druckwasserreaktoren der dritten oder vierten Generation haben grundsätzlich bessere Sicherheitseigenschaften", heiße es darin unter anderem. Die älteren Meiler "entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik".

RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann verteidigte in einem Interview der "Bild"-Zeitung die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke. "Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle auf höchstem internationalem Niveau", sagte er dem Blatt. "Es ist kein einziges Kraftwerk in Betrieb, das nicht sicher ist. Auch ältere Kernkraftwerke in unserem Land sind auf Top-Niveau. Ohne Abstriche." Im internationalen Vergleich seien die "alten Anlagen" in Deutschland noch jung. Anderswo liefen sie doppelt so lange. Zudem würden die deutschen Kernkraftwerke so streng überwacht wie sonst nirgends.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn sprach sich in der "Süddeutschen Zeitung" dafür aus, den Atomausstieg zu beschleunigen. "Alte Meiler wie Krümmel oder Neckarwestheim sollten früher abgeschaltet werden." Sie seien schon heute "technologische Museumsstücke".

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) warnte unterdessen seine Partei davor, mit dem Thema Atompolitik in den Wahlkampf zu ziehen. "Für die SPD als Arbeitnehmerpartei ist das sehr problematisch", sagte er der Tageszeitung Die Welt. "Bei der Atomenergie in Deutschland geht es um 40000 Arbeitsplätze." Außerdem könne man "ohne die Atomenergie die Herausforderungen des Klimawandels nicht bestehen". Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dringt angesichts des neuen Störfalls in Krümmel darauf, die acht ältesten Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten und die Restlaufzeit auf neuere zu übertragen.

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