Von Ralf Beste und Christoph Schult
Der Nahostkonflikt beschäftigt ein deutsches Finanzgericht: Darf die EU gegen Israels umstrittene Siedlungspolitik im Westjordanland mit Strafzöllen vorgehen?
Wie eine Festung thront die Siedlung Maale Adumim auf einem Plateau aus rotem Felsgestein. Schon die Bibel erwähnte die "rötliche Steige".
40.000 Menschen leben in der größten israelischen Siedlung im palästinensischen Westjordanland, und es werden jede Woche mehr. An den Rändern schaffen Bagger Platz für neue Häuser. Keine Siedlung ist in den vergangenen Jahren so schnell gewachsen wie Maale Adumim.
Am Rand des Industriegebiets liegt die Fabrik der Firma Soda-Club. Das Stahltor ist blau-grün lackiert, genau wie das modern geschwungene Logo der Firma. Eine Kamera erfasst jeden, der sich dem Tor nähert. In dem Werk werden Tischgeräte zur Herstellung von Sprudelwasser hergestellt, wie sie in vielen deutschen Küchen stehen. Auch Sirup kommt aus Maale Adumim, für alle, die eher Süßes lieben.
Besuche von Journalisten sind unerwünscht; zum Schutz vor Betriebsspionage, wie Marketing-Chef Asaf Snear am Telefon behauptet.
Die Scheu vor den Medien hat einen weiteren Grund. Die Produkte von Soda-Club sind Anlass für einen Rechtsstreit mit der Bundesrepublik Deutschland, der die aktuelle Debatte über die israelische Siedlungspolitik erheblich verschärfen könnte.
Das Finanzgericht Hamburg muss entscheiden, ob Soda-Club-Geräte aus Maale Adumim zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen - so wie alle übrigen israelischen Industrieprodukte auch. Oder ob sie in israelischen Siedlungen der besetzten Gebiete hergestellt werden und somit laut Brüssel nicht in diese Kategorie fallen.
Die Frage lautet: Gehört Maale Adumim zu Israel oder nicht? Formal hat die EU Israels Anspruch auf Maale Adumim und andere Siedlungen nicht anerkannt. In der Praxis aber hat sie wenig dagegen getan.
Das könnte sich nun ändern. Das Hamburger Gericht hat den Europäischen Gerichtshof für eine "Vorabentscheidung" zu Rate gezogen, die die Frage verbindlich für alle 27 EU-Staaten klären soll. Der Entscheid wird in den nächsten Monaten erwartet. Kann Zoll erhoben werden, wäre dies eine Art richterlicher Schuldspruch gegen die israelische Siedlungspolitik. Es geht um die heikle Frage, ob Deutschland und die EU den israelischen Umgang mit den Besatzungsgebieten hinnehmen oder ob sie ihr schärfstes Schwert zücken - wirtschaftliche Strafen.
Formal müssen die Richter nur über die Summe von 19.155 Euro und 46 Cent entscheiden. Die deutsche Firma Brita GmbH hatte Soda-Club-Maschinen zur Sprudelwasserherstellung samt Sirup aus Maale Adumim eingeführt, sie als "Made in Israel" gestempelt und dafür Zollfreiheit reklamiert.
Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen ließ dies allerdings nicht durchgehen. Die deutschen Zöllner fragten bei den israelischen Kollegen nach, wo genau die Waren hergestellt worden seien. Sie kämen aus einem Gebiet "unter israelischer Zollverantwortung", lautete die Antwort. Ob die Waren in israelischen Siedlungen hergestellt worden seien, hakten die Hamburger nach. Das Schreiben blieb unbeantwortet. Die Deutschen entschieden daraufhin, für die Waren Zoll zu erheben.
Dagegen klagte die Brita GmbH. Rasch zog die Sache größere Kreise. Die EU-Kommission freute sich über die Vorlage. Sie will mit dem Rechtsstreit um die Firma Soda-Club ein Exempel gegen Israel statuieren. In einem internen Vermerk bat sie die Mitgliedstaaten um "Unterstützung". Das Auswärtige Amt in Berlin beobachtet den "sehr brisanten Fall" mit einiger Aufmerksamkeit - und gewisser Sympathie.
Die EU ist ohnehin auf Krawall gebürstet, wenn es um die neue rechtsnationale Regierung Israels geht. Eine geplante diplomatische "Aufwertung" der Beziehungen zu Israel haben die 27 EU-Außenminister fürs Erste zu den Akten gelegt.
Jetzt will Europa mit dem Zollstreit zusätzlichen Druck entfalten. Die EU ist Israels zweitgrößter Absatzmarkt hinter den USA. 2008 exportierten israelische Firmen Waren im Wert von zwölf Milliarden Euro nach Europa. Schätzungsweise ein Drittel davon werden ganz oder teilweise in den besetzten Gebieten hergestellt. Die meisten gelangen offenbar zollfrei nach Europa: Ein israelischer Entschädigungsfonds für zollpflichtige Exporte wurde voriges Jahr kaum in Anspruch genommen.
Auf Druck der EU unterzeichnete Jerusalem zwar 2005 eine Vereinbarung, derzufolge jeder israelische Exporteur dem Zoll den Ort und die Postleitzahl der Produktionsstätte einer Ware angeben muss. Doch die Zöllner sind machtlos, wenn israelische Importeure den Ursprungsort vorsätzlich falsch deklarieren.
Die britische Regierung wirbt deshalb im Kreis der 27 schon länger dafür, dass bei israelischen Waren der genaue Ursprungsort auch den Verbrauchern ersichtlich werden müsse. Israelis reagieren empfindlich.
Heißt es in Europa künftig: Kauft nicht bei Juden?
Gerade für die Deutschen ist das eine heikle Frage. Umso erstaunlicher, wie offen die Bundesregierung sich zu der Soda-Club-Affäre äußert. Eine Zollbefreiung für "Waren aus den besetzten Gebieten" könne es nicht geben, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag.
Die Firma Soda-Club tut derweil das, was viele Israelis mit dem Palästinenserkonflikt tun: Das Problem wird ignoriert. Auf die Frage, wie Soda-Club auf die Vorwürfe reagiere, in einer Siedlung zu produzieren, antwortet Marketing-Chef Snear: "Soda-Club ist eine unpolitische Firma."
Der Nahostkonflikt beschäftigt ein deutsches Finanzgericht: Darf die EU gegen Israels umstrittene Siedlungspolitik im Westjordanland mit Strafzöllen vorgehen?
Wie eine Festung thront die Siedlung Maale Adumim auf einem Plateau aus rotem Felsgestein. Schon die Bibel erwähnte die "rötliche Steige".
40.000 Menschen leben in der größten israelischen Siedlung im palästinensischen Westjordanland, und es werden jede Woche mehr. An den Rändern schaffen Bagger Platz für neue Häuser. Keine Siedlung ist in den vergangenen Jahren so schnell gewachsen wie Maale Adumim.
Am Rand des Industriegebiets liegt die Fabrik der Firma Soda-Club. Das Stahltor ist blau-grün lackiert, genau wie das modern geschwungene Logo der Firma. Eine Kamera erfasst jeden, der sich dem Tor nähert. In dem Werk werden Tischgeräte zur Herstellung von Sprudelwasser hergestellt, wie sie in vielen deutschen Küchen stehen. Auch Sirup kommt aus Maale Adumim, für alle, die eher Süßes lieben.
Besuche von Journalisten sind unerwünscht; zum Schutz vor Betriebsspionage, wie Marketing-Chef Asaf Snear am Telefon behauptet.
Die Scheu vor den Medien hat einen weiteren Grund. Die Produkte von Soda-Club sind Anlass für einen Rechtsstreit mit der Bundesrepublik Deutschland, der die aktuelle Debatte über die israelische Siedlungspolitik erheblich verschärfen könnte.
Das Finanzgericht Hamburg muss entscheiden, ob Soda-Club-Geräte aus Maale Adumim zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen - so wie alle übrigen israelischen Industrieprodukte auch. Oder ob sie in israelischen Siedlungen der besetzten Gebiete hergestellt werden und somit laut Brüssel nicht in diese Kategorie fallen.
Die Frage lautet: Gehört Maale Adumim zu Israel oder nicht? Formal hat die EU Israels Anspruch auf Maale Adumim und andere Siedlungen nicht anerkannt. In der Praxis aber hat sie wenig dagegen getan.
Das könnte sich nun ändern. Das Hamburger Gericht hat den Europäischen Gerichtshof für eine "Vorabentscheidung" zu Rate gezogen, die die Frage verbindlich für alle 27 EU-Staaten klären soll. Der Entscheid wird in den nächsten Monaten erwartet. Kann Zoll erhoben werden, wäre dies eine Art richterlicher Schuldspruch gegen die israelische Siedlungspolitik. Es geht um die heikle Frage, ob Deutschland und die EU den israelischen Umgang mit den Besatzungsgebieten hinnehmen oder ob sie ihr schärfstes Schwert zücken - wirtschaftliche Strafen.
Formal müssen die Richter nur über die Summe von 19.155 Euro und 46 Cent entscheiden. Die deutsche Firma Brita GmbH hatte Soda-Club-Maschinen zur Sprudelwasserherstellung samt Sirup aus Maale Adumim eingeführt, sie als "Made in Israel" gestempelt und dafür Zollfreiheit reklamiert.
Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen ließ dies allerdings nicht durchgehen. Die deutschen Zöllner fragten bei den israelischen Kollegen nach, wo genau die Waren hergestellt worden seien. Sie kämen aus einem Gebiet "unter israelischer Zollverantwortung", lautete die Antwort. Ob die Waren in israelischen Siedlungen hergestellt worden seien, hakten die Hamburger nach. Das Schreiben blieb unbeantwortet. Die Deutschen entschieden daraufhin, für die Waren Zoll zu erheben.
Dagegen klagte die Brita GmbH. Rasch zog die Sache größere Kreise. Die EU-Kommission freute sich über die Vorlage. Sie will mit dem Rechtsstreit um die Firma Soda-Club ein Exempel gegen Israel statuieren. In einem internen Vermerk bat sie die Mitgliedstaaten um "Unterstützung". Das Auswärtige Amt in Berlin beobachtet den "sehr brisanten Fall" mit einiger Aufmerksamkeit - und gewisser Sympathie.
Die EU ist ohnehin auf Krawall gebürstet, wenn es um die neue rechtsnationale Regierung Israels geht. Eine geplante diplomatische "Aufwertung" der Beziehungen zu Israel haben die 27 EU-Außenminister fürs Erste zu den Akten gelegt.
Jetzt will Europa mit dem Zollstreit zusätzlichen Druck entfalten. Die EU ist Israels zweitgrößter Absatzmarkt hinter den USA. 2008 exportierten israelische Firmen Waren im Wert von zwölf Milliarden Euro nach Europa. Schätzungsweise ein Drittel davon werden ganz oder teilweise in den besetzten Gebieten hergestellt. Die meisten gelangen offenbar zollfrei nach Europa: Ein israelischer Entschädigungsfonds für zollpflichtige Exporte wurde voriges Jahr kaum in Anspruch genommen.
Auf Druck der EU unterzeichnete Jerusalem zwar 2005 eine Vereinbarung, derzufolge jeder israelische Exporteur dem Zoll den Ort und die Postleitzahl der Produktionsstätte einer Ware angeben muss. Doch die Zöllner sind machtlos, wenn israelische Importeure den Ursprungsort vorsätzlich falsch deklarieren.
Die britische Regierung wirbt deshalb im Kreis der 27 schon länger dafür, dass bei israelischen Waren der genaue Ursprungsort auch den Verbrauchern ersichtlich werden müsse. Israelis reagieren empfindlich.
Heißt es in Europa künftig: Kauft nicht bei Juden?
Gerade für die Deutschen ist das eine heikle Frage. Umso erstaunlicher, wie offen die Bundesregierung sich zu der Soda-Club-Affäre äußert. Eine Zollbefreiung für "Waren aus den besetzten Gebieten" könne es nicht geben, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag.
Die Firma Soda-Club tut derweil das, was viele Israelis mit dem Palästinenserkonflikt tun: Das Problem wird ignoriert. Auf die Frage, wie Soda-Club auf die Vorwürfe reagiere, in einer Siedlung zu produzieren, antwortet Marketing-Chef Snear: "Soda-Club ist eine unpolitische Firma."
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