- Wer will ein Mobiltelefon, an dem ein Kriegsherr verdient? Eben.
- Deshalb werden Erze aus Kongo boykottiert.
- Aber das ist zu einfach.
VON S. SCHLINDWEIN UND D. JOHNSON
Mineralien aus dem Ostkongo werden auf dem Weltmarkt künftig immer wichtiger - auch für Handys.
Die Kriegsgebiete der Demokratischen Republik Kongo sind ökonomisch vom Export von Mineralien abhängig - aber ein Großteil der Bergbauzonen und Handelsrouten sind unter Kontrolle bewaffneter Gruppen, allen voran der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die die Region destabilisieren. Zahlreiche internationale Kampagnen fordern daher, Mineralien aus dem Ostkongo zu boykottieren, und die Exporteure von Zinnerz (Kassiterit) und Tantalerz (Coltan) in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen stecken tatsächlich in der Krise. Aber wie lässt sich der Mineralienhandel Ostkongos sanieren, ohne dass zugleich die gesamte lokale Wirtschaft in den Abgrund trudelt? Denn wenn das passiert, werden die Kriege eher angeheizt als beendet.
"Wir befinden uns bereits in einer Katastrophe, und nun wird die internationale Kampagne dem Image unserer Mineralien noch weiter schaden", warnt Patient Kabanga, Kabinettsdirektor im Bergbauministerium der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu. Die belgische Organisation IPIS warnt: "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass viele Schürfer sich überlegen werden, sich einer bewaffneten Gruppe anzuschließen, falls sie ihre Mineralien überhaupt nicht mehr oder nicht mehr zu vernünftigen Preisen loswerden."
"Due diligence" heißt das Konzept, mit dem auf der Ebene von UNO, USA und EU versucht wird, eine Neuordnung des Handels zu erreichen: Die weltweit agierenden Unternehmen, die Ostkongos Mineralien abnehmen und verarbeiten, sollen sicherstellen, dass mit dem Erlös aus dem Mineralienkauf keine bewaffneten Gruppen wie die FDLR finanziert werden. Deutschland arbeitet darüber an einem Herkunftsnachweis für kongolesisches Coltan und einer Zertifizierung der Handelskette. Auf einer Bergbaukonferenz im ostkongolesischen Goma, die Kongos Premierminister Adolphe Muzito am Mittwoch eröffnete, wurde die Zertifizierungsinitiative von Regierung und Unternehmern begrüßt.
Aber damit sind nicht alle Probleme zu lösen. Zum einen ist nicht klar, an welchem Glied der Handelskette Veränderungen möglich sind. Mehrere Zwischenhändler im Kongo sind aktiv, bevor die Erze überhaupt bei den kongolesischen Exporteuren landen. Diese verkaufen dann meist an belgische oder südafrikanische Handelsfirmen, die die Produkte an meist asiatische Abnehmer weiterverkaufen. In Thailand oder China werden die Erze geschmolzen und die Metallprodukte gewonnen, die dann von der internationalen Elektronikindustrie verwendet werden. Asiatische Firmen zeigen sich gegenüber Forderungen nach "due diligence" resistent, die europäischen Endabnehmer sehen sich von den Vorgängen im Kongo zu weit entfernt, und die Zwischenhändler und Exporteure schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu."Wir befinden uns bereits in einer Katastrophe, und nun wird die internationale Kampagne dem Image unserer Mineralien noch weiter schaden".
Zum anderen ist die Anwesenheit bewaffneter Gruppen nicht das einzige Problem mit Ostkongos Mineralienhandel. Nicht nur die FDLR, auch Kongos Regierungsarmee verübt Verbrechen an der Zivilbevölkerung und treibt von Händlern illegal Steuern ein. Die taz hat einen Händler aus dem ostkongolesischen Bukavu begleitet, der unzählige zivile und militärische Behörtden schmieren muss, bis sein Erz überhaupt bei einer Exportfirma landet. Und erst seit neuesten versuchen die Provinzregierungen im Ostkongo, den Wildwuchs illegal agierender staatlicher Behörden einzudämmen. "Alle wollen mitverdienen: die Banditen, die Soldaten, die Beamten", regt sich der Händler Justin Mulimbi auf.
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