Dienstag, 7. Juli 2009

Honduras: Deutsche Partner der Putschisten

Wie die Friedrich-Naumann-Stiftung die Verantwortlichen für den Staatsstreich unterstützt

Es hätte ein Befreiungsschlag für die Oberschicht im kleinen mittelamerikanischen Honduras werden sollen: In den frühen Morgenstunden des 28. Juni umstellten mehrere Einheiten der Armee das Wohnhaus des Präsidenten Manuel Zelaya. Ein Kommando schwer bewaffneter und maskierter Soldaten drang bis ins Schlafzimmer des linksliberalen Politikers vor. Der 57-jährige wurde aus dem Bett gezogen und auf eine Militärbasis nahe der Hauptstadt Tegucigalpa verschleppt. Wenige Stunden später schoben ihn die Putschisten nach Costa Rica ab, von wo aus er sich über den lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur an die Öffentlichkeit wandte.

Der Militärputsch in Honduras soll einen vorsichtigen Reformprozess beenden, der unter Zelaya in Gang gekommen war. Der 57-jährige hatte 2006 für die bürgerliche Liberale Partei das höchste Staatsamt übernommen. Auf Drängen sozialer Organisationen orientierte sich Zelaya im Verlauf seiner Amtszeit aber immer stärker an der anti-neoliberalen Politik der linksgerichteten Staaten Lateinamerikas. Diese Entwicklung kulminierte im August 2008 im Beitritt Honduras´ zur Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA). Dieses Bündnis war wenige Jahre zuvor auf Initiative von Venezuela und Kuba gegründet wurden.

Just am Tag des Militärputsches sollte eine nicht bindende Volksabstimmung über die mögliche Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung stattfinden. Die wohlhabende Oberschicht des mittelamerikanischen Landes lief gegen das Vorhaben Sturm. Sie unterstellten Zelaya, mit der möglichen Verfassungsänderung die Begrenzung der Amtszeiten abzuschaffen. Ein unsinniger Vorwurf, denn mit der Befragung am 28. Juni sollte über ein Plebiszit entschieden werden, das – im Falle eines positiven Votums – erst Ende des Jahres parallel zu den regulären Wahlen stattgefunden hätte. Über eine Verfassungsänderung wäre also erst lange nach Zelayas Amtszeit entschieden worden. Dennoch spaltete der politische Konflikt die etablierte Liberale Partei tief: Sowohl der gewählte Präsident Zelaya als auch der Putschistenführer gehören dieser Gruppierung an.

Der erste bislang erfolgreiche Militärputsch in Lateinamerika seit Jahrzehnten trifft weltweit auf massive Ablehnung. Alle relevanten internationalen Organisationen fordern die Wiedereinsetzung des liberalen Politikers. Doch das Putschregime unter Führung des bisherigen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti stellt sich stur: Die neuen Machthaber wollen nicht weichen. Sie lassen sich durch zehntausende Demonstranten ebenso wenig beeindrucken wie durch die Kritik der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Im Gegenteil: Knapp eine Woche nach dem Militärputsch gaben sie den Austritt aus der Regionalorganisation bekannt. Zuvor hatte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza eine Rückkehr zur Demokratie gefordert.

Während die Entrüstung über die Putschisten international immer größer wird, stehen deutsche Bündnispartner fest an ihrer Seite. Der Regionalvertreter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) rechtfertigte den Staatsstreich bereits wenige Stunden nach der Verschleppung des gewählten Präsidenten. Der Militärputsch erlaube die „Rückkehr zu Rechtsstaat und zu Verfassungsmäßigkeit“, schrieb Christian Lüth in einem Kurzbericht aus Tegucigalpa. Der Kommentar traf in deutschen Medien auf Unverständnis und fand sogar Beachtung im Bundestag. Was dabei übersehen wurde: Die FDP-nahe Stiftung „für die Freiheit“ ist inzwischen einer der zentralen Akteure gegen die anti-neoliberalem Kräfte in der Region. Und Honduras ist ihr Hauptquartier. In den vergangenen Jahren hat die Naumann-Stiftung mit deutschen Steuergeldern massiv Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung des Landes genommen. Gleiches gilt für die FDP selbst. Nach Angaben des Online-Informationsdienstes German Foreign Policy hatte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion zu dem zivilen Kopf des neuen Regimes, Roberto Micheletti, Kontakt.

Nach dem Sturz Zelayas wurde deutlich, dass die liberale Organisation weitaus tiefer in den Putsch verstrickt ist, als bisher bekannt war. Auf der Internetseite der FNS berichtet eine lokale Mitarbeiterin, Rosbinda Sabillón, von dem Aufbau der Jugendorganisation „Generación por el cambio“ (Generation für den Wandel). Mit Hilfe der Naumann-Stiftung hätten die jugendlichen Aktivisten vor dem Umsturz auf dem Zentralplatz von Tegucigalpa im Rahmen einer politischen Aktion die 479 Artikel der geltenden Verfassung verlesen. Das Event war als Protest gegen die erwogene Änderung des Grundgesetzes geplant – und wurde von vornherein von aggressiver Rhetorik der Stiftung flankiert: „Von jetzt an wird die Bevölkerung den Mut haben zu sagen, dass der von uns allen gewählte Präsident Manuel Zelaya (…) ein Vaterlandsverräter ist“, schrieb FNS-Mitarbeiterin Sabillón über die Politaktion.

Doch es blieb nicht nur bei Worten. Nach Angaben von Andrés Pavón, dem Vorsitzenden des honduranischen Komitees für Menschenrechte, ist die von der FNS geförderte „Generation für den Wandel“ für Übergriffe auf Putschgegner nach dem 28. Juni verantwortlich. Mitglieder der Organisation hätten nach dem Staatsstreich Konflikte mit regierungstreuen Demonstranten gesucht, die tausendfach auf die Straße gingen, um die Rückkehr Zelayas zu fordern. Auf einer Kundgebung der Putschisten habe einer der führenden Aktivisten der aus Deutschland unterstützen Gruppe, Melvin García, den Staatsstreich zudem als „neue Form der Regierungsführung und neue Form der Politik“ bezeichnet.

Die Parteinahme der liberalen Naumann-Stiftung für die Militärputschisten in Honduras hat selbst im deutschen Bundestag für Empörung gesorgt. Drei Tage nach dem Staatsstreich setzten Abgeordnete der Linkspartei das Thema auf die Tagesordnung. Ob die Regierung Konsequenzen erwäge, wenn eine aus Steuergeldern finanzierte politische Stiftung einen Militärputsch verteidigt, fragte die Linksabgeordnete Sevim Dagdelen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, war um eine Antwort verlegen. Er kenne den Bericht der FNS nicht, entgegnete der Sozialdemokrat. Zuvor hatte die Bundesregierung den Putsch verbal verurteilt. Im Rahmen einer EU-Entscheidung berief Berlin zudem den deutschen Botschafter aus Honduras ab.

Der Skandal um die FDP-nahen FNS wirft ein Schlaglicht auf die generelle politische Arbeit deutscher Parteistiftungen in Lateinamerika. Schon in Bolivien und Venezuela hatten konservative und liberale Stiftungsvertreter aus Deutschland wegen ihrer Kontakte zu Oppositionsgruppen für Unmut gesorgt. Auch im Fall des Militärputsches in Honduras behielt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diese Haltung nun bei. Zwar äußerte sich KAS-Autor Tjark Marten Egenhoff differenzierter zu dem Geschehen in dem mittelamerikanischen Land. Doch schrieb er am 29. Juni in einem Bericht über den Umsturz, der Nationalkongress in Tegucigalpa habe „in einem Ausdruck von Geschlossenheit über jegliche Parteigrenzen hinweg den Weg für eine neue Regierung unter (…) Micheletti“ freigemacht. Aus lateinamerikanischen Presseberichten geht jedoch hervor, dass regierungstreuen Abgeordneten vom Militär der Zutritt zum Kongress verwehrt wurde. Angesichts der totalen internationalen Isolation haben sich knapp eine Woche nach dem Staatsstreich zudem gut ein Dutzend Abgeordnete der Liberalen Partei gegen das Micheletti-Regime gewandt. Von Geschlossenheit kann keine Rede sein.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in Mittelamerika massiv vertreten. Sie unterhält Büros in Mexiko, Guatemala, Nicaragua und Costa Rica. Die Naumann Stiftung arbeitet von Honduras aus.


Den Originaltext der Zeitschrift Hintergrund finden Sie hier.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen