Montag, 27. Juli 2009

Ein paar merkwürdige Details

Gesundheitsministerin in Erklärungsnot

Ein paar merkwürdige Details

Im Spanien wurde der Dienstwagen von Gesundheitsministerin Ulla S. (SPD) geklaut. Sie versucht nun nachzuweisen, dass ihre Reise auch dienstliche Anlässe hatte.

VON R. BOLLMANN, H. GERSMANN, F. LEE

Muss sich neuen Dienstwagen suchen: Ulla S.

Die Rechtslage ist eindeutig. "Mitgliedern der Bundesregierung werden Dienstkraftfahrzeuge zur alleinigen und uneingeschränkten Nutzung zugeteilt", heißt es in den "Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung", die das Kabinett von CDU/CSU und FDP am 9. Juni 1993 beschloss - und weiter: "Mitglieder der Bundesregierung haben für Privatfahrten in personengebundenen Dienstkraftfahrzeugen kein Entgelt zu entrichten."

Seit der Dienstwagen von Bundesgesundheitsministerin Ulla S. (SPD) in deren Spanienurlaub durch Diebstahl abhanden kam, gibt es auf der Agenda des politischen Berlin offenbar kein wichtigeres Thema mehr. Dass die Kassenärzte, die monatelang publikumswirksam über Honorarschwund klagten, in Wahrheit ein Plus von etwa 8 Prozent kassierten - das interessierte im Vergleich weit weniger. Kein Wunder, dass Ärztevertreter die Autodebatte mit scharfen Statements befeuerten. Dabei ließe sich umgekehrt auch über die Rolle der Ministerin bei dem üppigen Wahlgeschenk für die undankbaren Mediziner diskutieren.

Nun also der Dienstwagen, bei dem es in der Tat ein paar Merkwürdigkeiten gibt. Dazu zählt zunächst die Beflissenheit, mit der die Ministerin den dienstlichen Anlass der Autobenutzung zu belegen sucht. Ein Empfang bei der Bürgermeisterin von Denia, eine Diskussion mit deutschen Residenten über ihre Rechte im spanischen Gesundheitswesen am Montag im Kulturhaus des Ortes Els Poblets - das klingt eher nach einem Vorwand wie etwa bei jenen Journalisten, die einen kleinen Beitrag für den Reiseteil ihrer Zeitung schreiben, damit sie den gesamten Sommerurlaub als Dienstreise von der Steuer absetzen können.

Dabei sind die Kriterien für die Wirtschaftlichkeit des Dienstwageneinsatzes bei beruflichen Anlässen sogar strikter als bei privaten. Durch die Benutzung des Gefährts muss Zeit gewonnen oder Geld gespart werden. Die Mehrkosten müssen "in einem vertretbaren Verhältnis zur Dringlichkeit des Dienstgeschäfts" stehen. Für Privatfahrten gilt das nicht.

Der entscheidende Unterschied liegt in der Besteuerung. Beordert die Ministerin den Wagen aus dienstlichen Gründen nach Spanien, interessiert sich das Finanzamt dafür nicht. Fährt sie mit dem Auto hingegen privat, ist die kostenfreie Nutzung des Gefährts ein geldwerter Vorteil. Die Steuerbeamten sehen darin ein Zusatzeinkommen, das ihr der Arbeitgeber gewährt und den sie versteuern muss wie jeder andere Beschäftigte auch, der privat einen Dienstwagen benutzt.

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten, zwischen denen die Ministerin frei wählen kann. Entweder führt sie ein Fahrtenbuch und versteuert für jeden privat veranlassten Kilometer einen Betrag von 30 Cent, oder sie veranschlagt pauschal zwölf Prozent des Kaufpreises pro Jahr. Letzteres lohnt sich bei den sehr teuren Ministeriumskarossen kaum. Die gepanzerten Karossen, mit denen einige von Schmidts Kollegen unterwegs sind, kosten rund 300.000 Euro. Zu versteuern wären dann 36.000 Euro im Jahr. Diese Summe kommt zum Ministergehalt noch hinzu, so dass in der Regel der Spitzensteuersatz fällig wäre - astronomische 16.000 Euro sind dann theoretisch zu entrichten.

Mit der Kilometerpauschale fahren die Minister deutlich günstiger. Nach Ministeriumsangaben hat Ulla S. im vorigen Jahr 6.111 Kilometer an privater Nutzung abgerechnet. Sie musste also 1.833 Euro versteuern - und zahlt demnach rund 800 Euro an das Finanzamt. Ob die Ministerin, die ihren Urlaub regelmäßig in Spanien verbringt, auch in früheren Jahren ihren Dienstwagen mitbrachte und wie sie diese Fahrten abgerechnet hat, war am Montag nicht mehr zu klären.

Eine Umfrage unter den Bundesministerien ergab, dass in der Regel nur PolitikerInnen der höchsten Sicherheitsstufe den Dienstwagen im Urlaub nutzen - weil es für sie schlichtweg keine Alternative zur gepanzerten Limousine gibt. Zu dieser Gruppe zählen Kanzlerin Angela M. (CDU), ihr Stellvertreter Frank-Walter S. (SPD), Innenminister Wolfgang S. (CDU) und Verteidigungsminister Franz-Josef J. (CDU). Versteuern müssen sie diese Fahrten trotzdem - auch wenn sie sich den Hochsicherheitstransport, der wegen ihres Berufs nötig ist, privat gar nicht wünschen.

Die übrigen Kabinettsmitglieder lassen den Dienstwagen während des Urlaubs in Berlin - in der Regel schon deshalb, weil ein Urlaub im Beisein von Fahrern und Sicherheitsbeamten nicht die reinste Entspannung ist. Einzig die Sprecherin von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie WZ. gab am Montag an, ihre Chefin lasse sich per Dienstwagen in den innerdeutschen Urlaub fahren und auch wieder abholen. Zwischendurch nutze sie das Fahrzeug in den Ferien aber nicht.

Welche Gefährdungsstufe für die Gesundheitsministerin gilt, wollte am Montag niemand sagen. "Der wirksamste Personenschutz ist der, über den man nicht spricht", sagte ein Sprecher des Innenministeriums nur. SPD-Generalsekretär Hubertus H. gab hingegen nach einer Telefonkonferenz des Parteipräsidiums an, bei der Entscheidung für den Wagen hätten "Sicherheitsaspekte" eine Rolle spielt.

Auch wenn die Gesundheitsministerin nicht als hoch gefährdet gilt wie etwa die Bundeskanzlerin, der Verteidigungs-, der Außen- und der Innenminister, ist ein gewisses Risiko für ihre Person nicht völlig auszuschließen. Nachdem die Bild-Zeitung Anfang 2004 nach Inkrafttreten der Gesundheitsreform getitelt hatte: "Frau Ministerin, Sie machen uns krank", hagelte es Schmäh- und Drohbriefe. Das Bundeskriminalamt hatte damals prüfen müssen, ob für die Ministerin eine konkrete Gefahr besteht, nachdem ihr geschrieben wurde, dass sie "in die Gaskammer" gehöre.

Verbal unter Beschuss steht sie auch jetzt immer wieder, wie ihre Sprecherin mitteilte. Zwar fühle sie sich nicht grundsätzlich ständig bedroht. Doch sei auch klar, dass der Job als Gesundheitsministerin mit viel mehr Emotionen verbunden sei als andere Ministerposten.

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