Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti liebäugelt weiter mit der Macht. Sie bekräftigte am Wochenende nach einer Sitzung des Landesparteirates, der einem kleinen Parteitag vergleichbar ist, dass sie Ministerpräsidentin werden wolle. Das Projekt einer rot-grünen Minderheitsregierung, toleriert von der Partei "Die Linke", sei lediglich "auf Eis gelegt", sagte Ypsilanti. "Warum sollten wir das aufgeben?" Der Wille der Partei sei ungebrochen, Hessen in "eine soziale Moderne" zu führen.
Der Marburger SPD-Abgeordnete Thomas Spies äußerte: "Wir sind fest entschlossen zu regieren." Die Parlamentarierin Petra Fuhrmann schloss nicht aus, dass Ypsilanti sich beispielsweise im Mai zur Wahl stellen könnte. Bis ein neuer Regierungschef gewählt ist, bleibt Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geschäftsführend im Amt.
Druck auf Metzger
Unterdessen nimmt der Druck auf die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger zu, die einem rot-grün-roten Projekt ihre Zustimmung verweigern will. Schon am Samstag war sie nach Ypsilantis Worten "sehr, sehr eindringlich" gedrängt worden, ihre Haltung noch einmal zu überdenken oder möglicherweise ihr Landtagsmandat abzugeben. Dafür wurde ihr eine Frist bis zur morgigen Sitzung der Landtagsfraktion gesetzt. Metzger ist offenbar grundsätzlich dazu bereit. Am Samstag sagte sie im ZDF: "Ich werde meinen Entschluss überdenken." Wenn ein Landesparteitag, der für den 29. März vorgesehen ist, Ypsilantis Plan unterstütze, "kann ich mir vorstellen, mein Mandat niederzulegen".
"Wer die Mehrheitsmeinung der Partei nicht mit vertreten kann, muss die Konsequenzen ziehen und sein Mandat zurückgeben", sagte Ypsilanti der "Frankfurter Rundschau". "Sonst wird die Fraktion handlungsunfähig und unzuverlässig. Dann wäre eine stabile Regierung nicht machbar."
Zugleich bezweifelte die SPD-Landeschefin Metzgers Aussage, wonach es bei deren Ablehnung einer von der Linkspartei tolerierten Minderheitsregierung um eine Gewissensentscheidung gehe. "In der SPD wird niemand gezwungen, gegen sein Gewissen zu handeln. Aus meiner Sicht ist das aber keine Gewissensentscheidung, sondern eine politische Entscheidung."
Ersatzkandidat mit „Bauchschmerzen“
Ypsilanti hätte allerdings auch bei einem Mandatsverzicht ihrer Kritikerin eine Mehrheit im Landtag nicht sicher. Metzgers Ersatzkandidat im Darmstädter Wahlkreis, Aron Krist, meldete gestern ernste Zweifel an einer Tolerierung durch die Partei "Die Linke" an. In einem solchen Fall hätte er wie Metzger erhebliche Bauchschmerzen, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen: "Die sind aber nicht so grundsätzlicher Art, dass ich sagen würde: Niemals nie."
Der Kreisvorsitzende der Jungsozialisten Darmstadt-Dieburg, Martin Griga, zollte Metzger "großen Respekt", wie es in einer Mitteilung hieß. "Ich finde es mutig und richtig, dass Dagmar Metzger glaubwürdig nach ihrem Gewissen handelt, auch wenn eine Erklärung zu einem früheren Zeitpunkt sicher einige Probleme verhindert hätte." Unterstützung für Ypsilanti kam hingegen von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete sagte, sie sei überzeugt, dass es die Landes-SPD noch schaffen werde, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu machen.
Grüne verlangen Klarheit
Der Ober-Ramstädter Krist, 31 Jahre alt und Assistenzarzt am Kardiocentrum Frankfurt, war innerhalb der SPD bei der Nominierung im Wahlkreis Darmstadt II vor einem Jahr nur knapp der Darmstädterin Metzger unterlegen. Im zweiten Wahlgang erst setzte sie sich mit 34 gegen 33 Stimmen durch. Schließlich wurde Krist zum Stellvertreter benannt. Metzger wiederum gewann den Wahlkreis und nahm damit Kultusministerin Karin Wolff (CDU) das Mandat ab.
Der in Indien geborene Krist studierte in Frankfurt Medizin. Von 2004 bis 2007 war er stellvertretender Landesvorsitzender der Jungsozialisten. Dem Kreistag von Darmstadt-Dieburg gehört er seit 2001 an, seit 2002 ist er Fraktionsvorsitzender in seiner Heimatstadt Ober-Ramstadt.
Der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir verlangte von der SPD am Wochenende Klarheit, ob alle ihre 42 Abgeordneten Ypsilantis Modell unterstützten. Auch die "Linke" müsse klären, ob sie zur Wahl Ypsilantis, der Bestätigung ihres Kabinetts und der Verabschiedung von Haushalten bereit sei.
SPD verliert Unterstützung
FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn lehnte eine Ampelkoalition abermals kategorisch ab. Ein solches, vom FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle am Samstag ins Gespräch gebrachtes Bündnis von SPD, FDP und Grünen sei allenfalls eine Option für die Bundestagswahl, aber keineswegs für Hessen. Die SPD hatte ursprünglich eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP angestrebt. Westerwelle hatte bisher strikt von einer "Ampel" in Hessen abgeraten.
In Hessen verliert die SPD laut Umfragen wegen des Streits um eine Zusammenarbeit mit der "Linken" an Unterstützung. Nach einer Emnid-Umfrage für "Focus" hat die SPD im Vergleich zur Landtagswahl zwei Prozentpunkte eingebüßt. Derzeit erhielte sie 35 Prozent. Die Partei "Die Linke" würde zwei Punkte zulegen und sieben Prozent erreichen. Die übrigen Parteien blieben stabil: die CDU bei 37, die FDP bei neun und die Grünen bei sieben Prozent.
Text: F.A.Z., 10.03.2008, Nr. 59 / Seite 41
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