Selbst wenn Andrea Diletanti mit ihrem Brachialgriff nach der Macht doch noch Erfolg haben sollte - wonach es aktuell, Stand Sonntagabend, eher nicht aussieht -, dann ist der Flurschaden riesig. Und zwar nicht nur in Hessen, sondern auch für die SPD im Bund, wo der vom Krankenbett zurückgekehrte Parteichef Kurt Beck heute vor der Aufgabe steht, der Öffentlichkeit ein politisches Trümmerfeld als wohlüberlegt gestalteten Landschaftsgarten zu verkaufen.
Der große Irrtum des Ypsilanti-Lagers in diesen Tagen besteht darin, dass man meint, das Problem trage einfach nur den Namen Dagmar Metzger. Eine eigensinnige Frau, die irgendwie nicht mitziehen will und die man deshalb einfach so lange durch die Mobbingmangel dreht, bis sie nachgibt oder ihren Sitz im Parlament frei macht.
In Wahrheit steht die Figur Metzger aber für einen ganzen Flügel ihrer Partei und einen beträchtlichen Teil der SPD-Wählerschaft. Was sich schon daran zeigt, dass nun auch ihr designierter Nachrücker im Landtag erklärt, er lehne die Zusammenarbeit mit der Linken ab.
Die Personalisierung des Streits in der hessischen SPD lenkt vom eigentlichen Konflikt nur ab: Die Partei steht in Wiesbaden vor einer Richtungsentscheidung, einem scharfen Schwenk nach links, der ihre Identität auf Jahre hinaus bestimmen wird. Der Ypsilanti-Vize Jürgen Walter hat das scharf auf den Punkt gebracht: Sollte SPD-Chef Kurt Beck vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr erklären, er werde sich niemals mit den Stimmen der Linken zum Kanzler wählen lassen, sei das nur noch "Kabarett".
Eine solche Annäherung an die Linke galt noch vor wenigen Wochen als politisches Langzeitprojekt, vorsichtig anzubahnen vielleicht bis zur übernächsten Bundestagswahl im Jahr 2013.
Jetzt stürmt Ypsilanti mit der Billigung Becks in ein Abenteuer, das die Partei auf jeden Fall viel politisches Kapital kosten wird und dessen Nutzen kaum erkennbar ist. Abgesehen davon, dass ein paar hessische Sozialdemokraten von Ministerämtern träumen dürfen.
Ypsilanti blamiert sich, weil sie im Rausch der eigenen Siegesrhetorik nicht einmal die Kräfte in der eigenen Fraktion richtig analysiert hat. Ihre Parteifreunde inszenieren ein abstoßendes Schauspiel, indem sie die sperrige Genossin Metzger brutalstmöglich rundzumachen versuchen und einer ihr sogar mit dem Parteiausschluss droht.
Dabei hat Metzger ihr Landtagsmandat nicht einmal über die Liste - sozusagen von Gnaden der Partei - erhalten, sondern als Direktkandidatin ihres Wahlkreises. Und sie vertritt nur eine Meinung, die im Wahlkampf die offizielle Parteilinie war. Sollte Metzger demnächst zurücktreten, müssen sich ihre Wähler ziemlich verschaukelt vorkommen.
Die Machtstrategin Ypsilanti und ihre Unterstützer in der Bundes-SPD mögen darauf setzen, dass über solche hässlichen Geschichten schnell wieder Gras wächst, wenn der strategische Schwenk erst einmal durchgesetzt ist. Wahrscheinlich haben sie damit auch recht.
Der parteipolitische Lohn dieses Manövers wird aber trotzdem ganz erheblich dadurch geschmälert werden, dass es so chaotisch betrieben wurde. Kurt Beck kommt als SPD-Kanzlerkandidat allenfalls noch infrage, wenn er die Republik davon überzeugen kann, dass er in jüngster Zeit sozusagen wegen eines grippalen "Blackouts" nicht zurechnungsfähig war. Seine Autorität und Glaubwürdigkeit als Parteivorsitzender ist in jedem Fall massiv beschädigt.
Zugleich läuft die SPD Gefahr, einige der Wähler dauerhaft zu verlieren, die sich in Hessen jetzt noch durch die Figur Metzger vertreten sehen. Seit die Bundestagswahl 2005 eine "linke Mehrheit" aus SPD, Grünen und Linkspartei ergeben hat, ist zu Recht immer wieder darauf hingewiesen worden, dass diese rechnerische Mehrheit nicht automatisch eine politische darstellt. Die Addition klappt eben nur dann, wenn auch der bürgerlichere Teil der Sozialdemokraten und der Grünen zum historischen Bündnis mit der Lafontaine-Linken bereit ist.
Diese Bereitschaft gab es bisher aus guten Gründen nicht, und ob sie sich in den Parlamentsfraktionen überfallartig erzwingen lässt, darf auch nach diesem hessischen Wochenende bezweifelt werden. Ihre verbliebenen Wähler kann die SPD schon zu gar nichts zwingen.
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