Sonntag, 14. Oktober 2007

Barenboim verliert Geduld mit Berlin

Deutschland war immer das führende Land, was die Rolle in Bildung und Kultur betrifft
Daniel Barenboim findet die Debatte über die Rolle von Kulturinstitutionen in Deutschland «primitiv». «Und ehrlich gesagt völlig unverständlich.»
Daniel Barenboim wird «langsam ungeduldig» mit der Kulturpolitik in Berlin. «Ich nehme das nicht persönlich, doch die ganze Debatte über die Rolle von Kulturinstitutionen in Deutschland finde ich leider sehr primitiv und - ehrlich gesagt - völlig unverständlich», sagte der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tokio während einer Japan-Tournee mit 400 Mitgliedern seines Hauses. «Historisch gesehen war Deutschland immer das führende Land, was die Rolle in Bildung und Kultur betrifft».

Der Bund und Berlin verhandeln zur Zeit über eine Übernahme der Lindenoper durch den Bund. Dagegen gibt es heftigen Widerstand von Bundesseite. Der Bund hatte zuletzt bis zu 150 Millionen Euro zur Sanierung der Staatsoper angeboten, wenn die Stadt den Etat der Staatsoper deutlich erhöht, was Berlin ablehnt.
Barenboim wird an diesem Dienstag mit dem Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses geehrt. Die mit 94 000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als «Nobelpreis der Künste». Sie wird dem 64-Jährigen für sein herausragendes musikalisches Können und sein Friedensengagement mit dem arabisch-israelischen Jugendorchester West-Eastern-Divan verliehen.
«Ich kämpfe gegen die Ignoranz von Israelis und Palästinensern», sagte Barenboim. Ohne gegenseitiges Verständnis werde es keinen Frieden in Nahost geben. «Israel behauptet noch immer, Palästina sei leer gewesen und deswegen hätten wir, die Juden, das Land bevölkert. Dabei war zur Zeit des Ersten Weltkriegs der jüdische Anteil an der Bevölkerung nur 15 Prozent.» Auch die Palästinenser müssten erkennen, dass die Juden eine enge Beziehung zu dem Land hätten und nicht einen Staat etwa «in Baden-Württemberg, Albanien oder Argentinien» gründen werden. «Das ist genauso absurd und unannehmbar».
Israel habe sich von der Weltmacht USA abhängig macht, «eine Verbindung zwischen Antiamerikanismus und Judenfeindlichkeit ist in der arabischen Welt daher leider unvermeidbar». Der in Europa «politisch korrekte» Antiamerikanismus führe leider oft auch aus «einer nicht zu Ende gedachten Kritik» an Israel zu Antisemitismus.
Unbegründet nannte Barenboim die Kritik an der jüngsten Aufführung des Werks «Von deutscher Seele» des NS-Anhängers Hans Pfitzner (1869-1949) in Berlin. «Man kann zu Pfitzners Musik stehen, wie man will. Doch daraus einen politischen Schluss zu ziehen, finde ich unnötig». Richard Wagners Werke hätten die Nazis als Symbol ihrer Anschauung übernommen. «Deswegen erweckt Wagners Musik bei den NS-Verfolgten schreckliche Assoziationen. Das muss man respektieren. Bei Pfitzner gibt es diese Assoziationen nicht», betonte der Dirigent.

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