Mittwoch, 31. Oktober 2007

Aids kam aus Haiti in die USA

Forscher einer US-Uni haben den Weg von HIV mit Hilfe alter Blutproben verfolgt – und räumen mit so mancher Legende auf.

Von Dennis Klein

Lange Jahre glaubte man, ein kanadischer Flugbegleiter habe den HI-Virus Anfang der 80er Jahre aus Afrika in die USA eingeschleppt – von wo aus er sich in die restliche Welt verbreiten sollte. Diese Theorie von "Patient Zero" haben Wissenschaftler der Universität von Arizona in Tucson jetzt widerlegt. Anhand von Blutproben von HIV-Patienten aus den Jahren 1982 und 1983 können sie jetzt mit 99,8-prozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Virus bereits Ende der 60er Jahre über Haiti in die Vereinigten Staaten getragen wurde – und sich dort zirka zwölf Jahre lang unerkannt und zunächst in der heterosexuellen Bevölkerung einnistete. Erst 1981 wurde das Virus entdeckt – nachdem sich vor allem promiske Schwule durch ungeschützten Sex angesteckt hatten und erste Menschen an Aids starben.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Virus in den USA erstmals 1969 aufgetreten ist und damit viel eher, als die meisten Leute dachten", erklärte Mituator Michael Worobey von der Uni Arizona. Er und seine Kollegen haben di
e Daten von vier haitianischen Einwanderern, die an Aids erkrankt waren, genetisch analysiert – und diese dann mit 117 Aids-Patienten in der ganzen Welt verglichen.
Die Haitianer trugen alle dieselbe Form von HIV in sich: HIV-1, Gruppe M, Subtyp B. Diese Gruppe ist in der westlichen Welt nach wie vor vorherrschend. In Haiti gibt es aber eine größere Vielfalt an Subtyp-B-Viren – das kann ein Anzeichen dafür sein, dass das Virus dort länger Zeit hatte zu mutieren als in den USA oder Westeuropa. Die hohe HIV-Rate unter Haitianern in den USA hat bereits zuvor den Verdacht genährt, dass das Virus über diesen Umweg ins Land gelangt war – Einwanderer aus der Karibikinsel waren Anfang der 80er Jahren 27-Mal eher HIV-positiv als Durchschnittsamerikaner. Auch die Tatsache, dass sich der Virus in dieser Gruppe vor allem unter Heterosexuellen vermehrt hatte, stützte die Vermutung.

Damit ist der Ausbreitungsweg des HI-Virus in großen Teilen aufgeklärt. Der erste Mensch soll sich demnach wohl schon in den 30er Jahren in Zentralafrika angesteckt haben, als das Virus vom Schimpansen auf den Menschen übersprang. Forscher halten Kamerun als den wahrscheinlichsten Ausbruchsort. Von dort aus verbreitete er sich erst in der lokalen Bevölkerung – weg
en den noch begrenzten Kontakten mit der Außenwelt blieb er zunächst unentdeckt und auf Zentralafrika beschränkt. Haitianische Geschäftsleute sollen ihn dann in den 60er Jahren aus Zaire (dem heutigen Kongo) zurück in ihre Heimat gebracht haben – nachdem sie vor nationalistischer Gewalt fliehen mussten. Um 1966 soll das Virus so nach Haiti gekommen sein, um drei Jahre später in die USA zu wandern.

Andere Forscher halten die Erklärung für schlüssig – schließen aber an, dass auch andere HIV-Typen den Weg in die westliche Welt gefunden haben könnten. "Es ist möglich, dass HIV viele Anläufe in die Vereinigten Staaten genommen hat", erklärte Robert Garry, ein Mikrobiologe der Tulane-Universtität gegenüber "National Geographic". "Viele von ihnen haben sich wahrscheinlich nicht oder nur leicht verbreitet und sind dann ausgestorben".

Michael Worobey benützt hierfür als Parallele einen Waldbrand: "Der Wald brennt, was zu Funkenflug führt. Die meisten Funken verglühen. Aber manchmal kann ein Funke ein neues Feuer auslösen. Das haben wir in diesem Fall gesehen." Der Wissenschaftler hofft nun, aus diesen Erkenntnissen Schlüsse ziehen zu können, wie das Virus sich verändert. Denn die Mutationsfreudigkeit von HIV ist das Haupthindernis dabei, einen Impfstoff zu herzustellen.

HIV kommt aus Kamerun

Ein internationales Forscherteam hat nach langjährigen Untersuchungen Kamerun als Ursprungsort des HI-Virus identifiziert. Demnach soll sich dort erstmals ein Mensch nach Kontakt mit einem Schimpansen infiziert haben, so die Wissenschaftler aus Amerika, Europa und Afrika in der heutigen Ausgabe des Magazins "Science".

SIV, die Schimpansenversion von HIV, soll dem Bericht zufolge in manchen Populationen bei bis zu 35 Prozent der Tiere vorkommen, in anderen Populationen dagegen so gut wie gar nicht.

Das Ergebnis beruht auf der Untersuchung von insgesamt über 1.300 Proben frischen Affenkots, das von dem Forscherteam eingesammelt und analysiert wurde.

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