Samstag, 10. Juli 2010

Seibert soll Merkel aus Tief helfen

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel ist fündig geworden. Mit Steffen Seibert präsentiert die Regierung pünktlich zur Sommerpause ein prominentes Gesicht als Nachfolger von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Der Moderator des ZDF-«heute-journals» könnte das Zeug zu haben, das Image von Schwarz-Gelb aufzupolieren, doch die Möglichkeiten eines Regierungssprechers sind sehr begrenzt.

So ruckelig sich Schwarz-Gelb präsentiert, so elegant wirkt der Anchorman. Ernste und zuletzt immer öfter auch mal giftige Stimmen hört man aus der Koalition - salopp und freundlich kennen die Zuschauer den künftigen Regierungssprecher. Frisch und unverbraucht erscheint Seibert, seine 50 Jahre sieht man ihm nicht an.

Kürzlich noch versicherte die Kanzlerin, über die Nachfolge von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sei noch nicht entschieden. Bereits im Mai hatte sich der Chef des Bundespresseamtes im Rundfunkrat als künftiger Intendant des Bayerischen Rundfunks durchgesetzt. Wilhelm wollte nicht zuletzt zurück in seine bayerische Heimat. Über die Nachfolge entschied Merkel im Stillen, die Wahl fiel nicht auf die gehandelten Namen. Nun ist mit der Bestellung Seiberts das Wechselspiel zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Regierung perfekt.

Seit seinem Volontariat vor 22 Jahren ist Seibert beim ZDF. Der bekennende Wechselwähler moderierte an verschiedensten Sendeplätzen, war Korrespondent in Washington, wurde für seine Moderation am 11. September 2001 nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York ausgezeichnet, präsentiert seit 2003 die 19-Uhr-Nachrichten im ZDF, seit 2007 auch das «heute journal». An Wahlabenden ist Seibert Dauergast im Wohnzimmer der Zuschauer.

Die neue Rolle schränkt den Spielraum freilich ein, frisch, frank und frei aufzutreten. Das ist schon Seiberts erster Stellungnahme anzumerken: «Ich nehme diese Aufgabe gerne an, weil ich überzeugt bin, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern.»

Doch nicht nur der staatstragende Ton ist typisch für die neue Rolle. Vor allem kann ein Regierungssprecher nur die Politik vermitteln, auf die sich eine Koalition verständigt - das Regierungshandeln, wie es den Journalisten in Berlin von der Sprecherriege immer wieder beschieden wird. Klaus Bölling, der das Amt unter Helmut Schmidt ausübte, schreibt in der «Süddeutschen Zeitung»: «Der Glorienschein der Angela Merkel ist nun sehr verblasst. Da ist der 'Verkäufer' machtlos.»

Beim ZDF zeigt man sich enttäuscht, «dass Steffen Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus gesehen hat», wie Chefredakteur Peter Frey sagt. Seine bei «heute» und dem «heute-journal» erworben Glaubwürdigkeit nehme er mit in seine neue Aufgabe. Seiberts Einsätze in der 19-Uhr-Sendung werden von Petra Gerster und Barbara Hahlweg mitübernommen, im «heute journal» kommen Marietta Slomka und Claus Kleber öfter auf Sendung. Seibert wird nach Wilhelms Weggang Ende Juli dann am 11. August sein Amt antreten. Von Atom über Bundeswehr bis zu den Steuern dürften ihm genügend Baustellen übrigbleiben, deren Bearbeitung er der Öffentlichkeit schönreden muss.

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