Dienstag, 27. Juli 2010

Loveparade: Sitzungsprotokoll belastet Duisburgs OB Sauerland

Ein Protokoll zur Sicherheit belegt: Das Konzept der Loveparade war lange Streitthema, die Veranstalter übten Druck aus. Auch Oberbürgermeister Sauerland wusste Bescheid.
Neue Erkenntnisse in der Schuldfrage von Duisburg: Bereits vier Wochen vor der Loveparade hat das Bauordnungsamt massive Einwände gegen das vorgelegte Sicherheitskonzept der Loveparade erhoben. Das geht aus einem Sitzungsprotokoll hervor, das den Zeitungen der WAZ-Gruppe vorliegt. Demnach mussten die Sicherheitsbedenken auch dem Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland im Detail bekannt gewesen sein. Dies geht aus dem Verteiler hervor, der handschriftlich auf dem Protokoll vom 18. Juni vermerkt ist und das Kürzel OB trägt.
Sauerland hatte zuvor darauf beharrt, nichts von Sicherheitsbedenken vor der Loveparade gewusst zu haben. Kritische Stimmen gebe es vor solchen Veranstaltungen immer, die Stadt habe aber alles genau geprüft. Wie mehrere Regionalzeitungen berichten, unterschrieb Sauerland die ordnungsbehördliche Erlaubnis für die Veranstaltung allerdings erst kurz vor Beginn der Loveparade.
Lopavent bestand dem Papier zufolge auf 155 Meter Fluchtweg, da es ihrer Erfahrung nach "ausreichend sei, wenn ein Drittel der Personen entfluchtet werden können".
 
Aus dem Schriftstück geht weiter hervor, dass der Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, der an dem Gespräch teilnahm, Druck ausübte. "Herr Rabe stellte in dem Zusammenhang fest, dass der OB die Veranstaltung wünsche, und dass daher hierfür eine Lösung gefunden werden müsse. Die Anforderungen der Bauordnung, dass der Veranstalter ein taugliches Konzept vorlegen müsse, ließ er nicht gelten", so das Protokoll. Rabe forderte das Bauordnungsamt, das normalerweise nur Kontrollfunktion hat, auf, "an dem Rettungswegekonzept konstruktiv mitzuarbeiten".

Der Leiter des Baudezernats Jürgen Dressler kommentierte das Schreiben handschriftlich: "Ich lehne aufgrund dieser Problemstellung eine Zuständigkeit und Verantwortung (...) ab. Dieses entspricht in keinerlei Hinsicht einem ordentlichen Verwaltungshandeln und einer sachgerechten Projektstellung."

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hatte auch die Duisburger Polizei schon früh vor Mängeln im Sicherheitskonzept gewarnt. Sie sei aber auf politischen Widerstand in der Stadt gestoßen. Vor allem der mittlerweile in Ruhestand gegangene Polizeipräsident Rolf Cebin soll sich heftig gegen die Austragung der Veranstaltung gewandt und damit den Unmut der Lokalpolitik zugezogen haben. Der SZ zufolge verlangte der Duisburger CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg gar die Absetzung Cebins.

Deswegen sieht die Polizei die Verantwortung bei der Stadtverwaltung. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, Frank Richter, sagte, die Stadt sei als Genehmigungsbehörde zuständig gewesen, und habe trotz kritischer Stimmen aus der Polizei "darauf bestanden, das in dieser Art und Weise durchzuführen".

Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen hat unterdessen empört auf die Kritik von Love-Parade-Veranstalter Rainer Schaller an ihrem Vorgehen vor der Katastrophe in Duisburg regiert. "Die neuen Schuldzuweisungen gegen die Polizei durch die Veranstalter sind eine Frechheit", erklärte die Gewerkschaft. "Er meldete 500.000 Teilnehmer an, erhielt eine Genehmigung der Stadt für 250.000 Teilnehmer und feierte bereits mittags öffentlich über eine Million Teilnehmer."

Loveparade-Organisator Rainer Schaller hatte der Einsatzleitung vorgeworfen, sie habe alle Schleusen vor dem westlichen Tunneleingang öffnen lassen, wodurch der Hauptstrom der Besucher unkontrolliert in den Tunnel gelangt sei. Zuvor hätten die Veranstalter 10 der 16 Schleusen geschlossen gehalten, weil bereits zu viele Menschen in dem Tunnel waren.

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