Internationale Presse zum Deutschlandspiel
Die internationalen Zeitungen überschlagen sich im Lob für das Spiel der deutschen Mannschaft. Für Argentinien haben sie nur Häme. Und Maradona sei nicht mehr als ein überhebliches "Pummelchen".
ARGENTINIEN:
Olè: "Argentinien zerschellte an der deutschen Standfestigkeit."
"20 Jahre, ohne unter die besten Vier zu kommen. Und nun eine der schlimmsten Niederlagen der Geschichte. Die Weltmeisterschaft von Maradona und Messi endete mit einer Tracht Prügel. Und wie die uns allen wehtut. Es wird Jahre dauern, das zu vergessen. Aus dem Titeltraum wurde binnen einer Stunde ein Alptraum."
Clarin: "Deutschland hat überlegen gewonnen. Sie besetzten das Mittelfeld geschickt, griffen öfter und besser an und Schweinsteiger war einfach formidabel. Argentinien hingegen? Wille und Drang, ja, ansonsten chaotische Taktik. Die Kanonen der argentinischen Stürmer schwiegen dieses Mal, mit der die Mannschaft ihre Schwächen zuvor überdeckt und die Illusion auf Größeres am Leben erhalten hatte. Ohne Tor und ohne Strategie stand die Elf entblößt da. Den Einzug ins Halbfinale schafften deshalb auch nur die, die als einzige auf dem Platz wirklich eine Mannschaft bildeten."
La Nación: "Ein schmerzhaftes Ausscheiden: Deutschland hat Argentiniens Schwächen offengelegt und der WM beraubt"
BRASILIEN:
Terra: "Deutschland hat Maradonas Argentinien nicht zur Kenntnis genommen und mit einem Massaker in Kapstadt seine Qualifikation fürs WM-Semifinale gesichert."
O Globo: "Deutschland demütigt Argentinien. Unter dem Kommando von Schweinsteiger gewinnt die deutsche Auswahl und schickt die Hermanos nach Hause. Deutschland hat das Maradona-Team verdroschen."
Lance!: "Deutschland spielt nicht wie früher. Es ist schnell, zielstrebig und geschmeidig. Deutschland steht im Halbfinale als größter Favorit auf den Titel."
La Repubblica: "Deutschland zerrupft Argentinien. Die Südamerikaner kamen nie ins Spiel, Messi war nicht zu sehen."
Corriere della Sera: "Argentinien k.o. und gedemütigt. Vier Ohrfeigen für das Argentinien Maradonas, Deutschland fliegt ins Paradies."
La Stampa: "Nach Brasilien fällt auch der andere südamerikanische Gigant. Das Argentinien von Diego Maradona tritt nach der Schmach den Rückweg an."
FRANKREICH:
Le Parisien: "Deutschland auf einem anderen Planeten. Nach dem 4:1-Sieg gegen England haben die Deutschen noch eins draufgesetzt und Argentinien gedemütigt. Die Spielweise schlägt alle Fußballliebhaber in ihren Bann. Deutschland ist das Symbol einer neuen Ära, die vor zwei Jahren von Spanien eröffnet wurde. Technisch gesehen sind sie nicht die Besten. Im Strategischen und Physischen sind sie der Konkurrenz voraus."
L'Équipe: "Zusammenhalt, Begeisterung und Talent - die deutschen Spieler sorgen bei der Weltmeisterschaft für Enthusiasmus. Das ist eine Mannschaft. Mit wieder vier Toren und einem beeindruckend flüssigem Spiel hat sie Argentinien weggeputzt."
Le Journal du Dimanche: "Wunderbar! Ein fantastisches Deutschland hat Argentinien vernichtet. Ihm gehört die Zukunft. Deutschland spielt schnell und offensiv - dank der jungen Spieler, die eine Bewegungstechnik haben, die der der Lateinamerikaner in nichts nachsteht."
TÜRKEI:
Fanatik: "Fliegende Panzer. Ein Sturm bläst aus Deutschland."
SERBIEN:
Blic: "Das Team von Joachim Löw hat Wissen, Macht, Kraft, Disziplin und Effektivität demonstriert. Das war noch so ein Spiel, das einem den Atem raubte. Wo waren Messi & Co.? Jedenfalls nicht auf dem Platz, weil sie im Stil eines Blitzkrieges ausgelöscht wurden".
Press: "Die Deutschen haben Maradona erniedrigt. Sie haben Argentinien zerlegt."
USA:
Boston Globe: "Streitet nicht mit Deutschland, weder auf dem Platz noch außerhalb. Nach Trashtalk vor dem Spiel lässt Deutschland mit eindrucksvollem Kantersieg Taten folgen."
Los Angeles Times: "Bittere Pille für Argentinien. Die Deutschen mit temporeichem flüssigen Stil jetzt WM-Favorit."
Miami Herald: "Weine um Argentinien. Europäische Präzision und Organisation schlägt südamerikanisches Flair."
New York Times: "Argentinien von Deutschland demontiert."
SCHWEIZ:
NZZ am Sonntag: "Die Mannschaft von Trainer Joachim Löw hat mit einer eindrücklichen Vorstellung ein Kapitel WM-Geschichte geschrieben, an dessen Ende die Titel-Hoffnung in Erfüllung gehen könnte. Für Argentinien und Diego Maradona ist dieses Kapitel Geschichte geschlossen."
SonntagsBlick: "Die Messi ist gelesen! Dabei sollte es seine WM werden. Er wollte die Albiceleste zum Titel führen, wie es sein großes Vorbild Diego Maradona 1986 in Mexiko getan hat. Jetzt fliegt Lio-null Messi nach dem Viertelfinale nach Hause. Ohne den Pott, sogar ohne einen einzigen Treffer."
Sonntag: "Das Bild vom deutschen Panzer ist längst vergilbt. Deutschland ist jung, dynamisch, offensiv und vor allem sympathisch. Dafür brauchte es einen positiv verrückten Trainer wie Löw."
BULGARIEN:
Telegraf: "Großes Spektakel in Kapstadt. Keiner stoppt Deutschland. Das Team brachte Argentinien und Maradona zum Weinen."
Standart: "Deutschland zertrampelt Versager Argentinien. Deutschland zeigte es dem seit WM-Beginn überheblichen Diego Maradona."
Trud: "Deutschland zerschmetterte die Argentinier so, wie es England mit 4:1 in der vorausgegangenen Runde verweht hatte."
DÄNEMARK:
Politiken: "Joachim Löw hat erneut bewiesen, dass er ein Klassetrainer ist und in einer Woche die Nr. 1 auf der Welt sein kann. Die Deutschen zogen Maradonas Männer einfach aus."
Fyens Stiftstidende: "Deutschlands multiethnische Elf ist jetzt der absolute Titelfavorit. Seit Netzer und Beckenbauer 1972 hat es keine bessere Mannschaft gegeben."
SCHWEDEN:
Expressen: "Man kann das einfach nur genießen. Diese herrliche deutsche Mannschaft lässt das Schwere kinderleicht aussehen."
NORWEGEN:
Dagbladet: "Die ersten sechs Minuten der deutschen Elf rund um das 1:0 waren vielleicht der beste Fußball, der jemals gespielt wurde. Der Hunger in der Löw-Mannschaft macht sie jetzt zum klaren WM-Favoriten."
BELGIEN:
La Dernière Heure: "Wer kann diese Mannschaft aufhalten, die mit 13 Toren in fünf WM-Spielen zu einer Traumfabrik geworden ist? Joachim Löw hat gut daran getan, das Durchschnittsalter seiner Auswahl auf 24 Jahre zu senken. Die deutsche Kultur des Siegens ist von einer zur nächsten Generation problemlos weitergereicht worden. Die Deutschen haben das Etikett der kalten Effizienz hinter sich gelassen und einen Fußball voller Kreativität geschaffen."
De Morgen: "Und Maradona? Er guckt zu, greift aber taktisch nicht ein. In den ersten WM-Wochen hat "Pummelchen" noch den Vorteil des Zweifels genießen können, aber am Samstag ging er völlig unter. Niedergestreckt von Jogi Löw, der bei unseren östlichen Nachbarn allmählich den Status eines Volkshelden bekommt. Der charismatische Trainer hat aus einer langweiligen, berechnenden und grundsoliden Mannschaft ein neues Ganzes geformt, das sexy, sinnlich und innovativ ist."
ISRAEL:
Haaretz: "Joachim Löw war sicherlich nie ein Fußballer wie Maradona, aber als Coach hat er ihn spektakulär übertroffen. Wenn alles darauf aufgebaut ist, alle fünf Minuten zu beten und sich bei Messi einzuschleimen, wie Maradona es während des Turniers getan hat, dann können die Dinge nur in Tränen enden."
INDIEN:
The Sunday Times: "Argentinien auf allen Vieren - Maradonas Traum zerplatzt, als seine Mannschaft von den Deutschen verprügelt wird."
Hindustan Times: "Deutscher Blitzkrieg fegt Argentinien beiseite und sichert einen Platz im Halbfinale. Maradonas Stars sind Deutschland nicht gewachsen."
The Hindu: "Deutschland vernichtet Argentinien - Präziser, flüssiger Angriff und unüberwindliche Abwehr zerschmettern Maradonas Traum."
SINGAPUR:
Straits Times: "Cry for me Argentina. Maradonas Team wurde - obwohl es angeblich mit Messi den besten Spieler der Welt in seinen Reihen hat - von einer jungen Mannschaft bloß gestellt, die mehr Disziplin zeigte und bessere Tricks drauf hatte."
Quelle: DPA
Fußballfans in Argentinien: Zu schockiert, um zu weinen
Von Daniel Sander, Buenos Aires
Zehn Minuten vor Anpfiff: Die Kanonen schießen weiß-hellblaues Konfetti in die Luft, Tausende Menschen vor der Großleinwand auf der Plaza San Martín in Buenos Aires reißen die Arme hoch. "Vamos Argentina!", schreien sie und schwenken ihre Fahnen. Viele angespannte Gesichter, aber die meisten lachen. Vier Jahre lang haben sie auf diesen Tag gewartet, jetzt ist er da. Tag der Abrechnung, die große Revanche.
Die Niederlage im Elfmeterschießen gegen Deutschland im Viertelfinale von 2006 hat sich als schwarzer Tag in das nationale Bewusstsein eingegraben, die Menschen fordern Rache. "Das war eine Ungerechtigkeit damals", sagt der 34-jährige Gabriel, der mit Ehefrau an der Seite und dem vierjährigen Sohn auf den Schultern aus dem Wohnviertel Villa del Parque in die Innenstadt gekommen ist, um seine Mannschaft siegen zu sehen. Alles andere ist unvorstellbar. "Wir waren vor vier Jahren die viel bessere Mannschaft, Deutschland hatte Glück, nichts anderes", sagt er. "Heute kann nur Argentinien gewinnen. Wir haben Messi. Wir haben Tévez. Wen hat Deutschland?"
Drei Minuten nach Spielbeginn die Antwort: Müller. Der Ball liegt im argentinischen Tor. Ein kurzer, schmerzerfüllter Aufschrei geht über die Plaza, danach Totenstille. Die TV-Kommentatoren versuchen zu beruhigen: "Argentinien hat noch viel Zeit für den Ausgleich." Gabriel sieht nicht mehr so sicher aus. Ratlosigkeit überall.
So hatte sich diesen Tag niemand vorgestellt. Die wenigsten haben Freude daran, den Deutschen dabei zuzusehen, wie sie immer wieder auf den argentinischen Strafraum zu stürmen. Dann kurz die Hoffnung in der 36. Minute: Tor für Argentinien, Jubelschreie, die Fanfest-Verantwortlichen reagieren sofort und zünden die Konfetti-Kanonen. Aber auch im weiß-blauen Papierregen kann man auf der Leinwand ziemlich gut die Abseitsfahne des Linienrichters erkennen.
"Wo ist bloß Messi die ganze Zeit?"
"Das darf nicht wahr sein", sagt eine junge, von Kopf bis Fuß in den Nationalfarben angemalte Frau. "Es bleibt immer noch Zeit", beschwören die Kommentatoren. Sie sagen aber auch: "Deutschland ist besser." Ein Sakrileg, Buhrufe aus der Menge. Aber nicht von allen. "Die sind wirklich verdammt gut", sagt einer. "Wo ist bloß Messi die ganze Zeit?", fragt ein anderer. Alle hatten sich so sehr auf das erste Tor des Wunderspielers gefreut, sie lieben ihn in diesem Land fast so sehr wie sie Diego Maradona lieben. Es gibt aber kein Tor.
Nach der Halbzeit erwacht kurz die Hoffnung, Argentinien scheint sich gefangen zu haben. Doch nicht lang.
2:0. Kopfschütteln.
3:0. Die ersten gehen nach Hause.
4:0. Fassungslosigkeit.
Es ist eine Demütigung, die Leute sind zu schockiert, um zu weinen. Nach dem Abpfiff applaudieren einige dem deutschen Team. "Es ist so traurig", sagt die 54-jährige Sonia, die sich mit ihrem Mann, ihrem Vater, zwei von ihren Kindern und noch ein paar von deren Kindern das Spiel im Freien anschaut. "Aber Deutschland war toll. Argentinien hat mit Herz gespielt, aber sie sind eben keine richtig funktionierende Mannschaft." Ihr Vater sieht es auch so: "Ich hätte nach 2006 nie gedacht, dass ich das mal sagen würde: Aber wenn die Deutschen so weiterspielen, gönne ich ihnen auch den Titel."
Nach dem Abpfiff trotten die Massen geknickt davon. Die Sonne scheint, für einen argentinischen Winter ist es in Buenos Aires geradezu frühlingshaft warm, trotzdem legt sich eine schwere Melancholie über die Stadt. Ein Straßengitarrist in der Calle Florida macht mit einer Endlosschleife aus traurigen Tangos das Geschäft seines Lebens.
Einige ziehen weiter zum berühmten Obelisken auf der Avenida 9 de Julio, wo man immer hingeht, wenn es etwas zu feiern oder zu betrauern gibt. Aber viel ist dort nicht los. Ein paar versuchen, zu tanzen und sich gegenseitig aufzumuntern. Hoffnungslos. Aber es ist keine Wut, so wie 2006, einfach nur Traurigkeit. "Es war wie ein Traum bis hierhin", sagt ein Mann Mitte zwanzig. "Ich hätte es Maradona so sehr gegönnt, ich hätte es diesen Spielern so sehr gegönnt. Aber es war eben nur ein Traum. Die Gegner bislang waren zu schwach. Deutschland, das ist die Wirklichkeit."
"Wir können eben doch verlieren"
Kaum jemand fordert ernsthaft die Absetzung Diego Maradonas. "Er ist eben noch kein richtiger Trainer, aber er hat das Team doch trotzdem weit gebracht", sagt Sonia. "In vier Jahren schafft er es", sagt ihr Mann. "Ich glaube nicht, dass ihm das Spiel heute zu sehr schadet. Er wird immer ein Mythos sein, ein Gott. Wir alle glauben an ihn, auch wenn er manchmal ein bisschen albern wirkt."
Die Online-Auftritte der hiesigen Zeitungen halten sich mit Rücktrittsforderungen auch noch zurück. Die größte Zeitung, "Clarin", beweint "den demütigenden Abschied" von der WM, "La Nación" betrauert das "schmerzhafte Ausscheiden". In den nächsten Tagen wird endlos diskutiert werden, woran es lag, aber an diesem Tag noch nicht so sehr. Der gehört der Trauer.
Die Menschen kehren in ihre Häuser zurück und versuchen, Haltung zu bewahren. Immerhin sei Brasilien auch schon raus, hört man oft, das tröste sehr. Und immer wieder: "Glückwunsch, Deutschland."
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