Montag, 5. Juli 2010

Am Ende des Regenbogens: Schwarz-Rot-Gold

"Fahnenpracht" beim Kölner CSD

Der Kölner Christopher Street Day sollte eigentlich eine Protestdemonstration von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) gegen Homophobie und Polizeigewalt sein und an den Stonewall-Riot vom 28. Juni 1968 in der New Yorker Christopher Street erinnern. Damals hatten sich Schwule und Transsexuelle gegen einen Polizeiüberfall auf die Bar Stonewall Inn erstmalig in den USA militant zur Wehr gesetzt.

Doch diese Erinnerung an eine Zeit von rebellischer Gegenkultur, Afro-amerikanischer Bürgerrechtsbewegung und Antikriegsdemonstrationen ist durch die heutige rosa Brille gesehen zur Grundlage einer bunten Multikulti-Standort-Beliebigkeit geworden, die in sexualisiertem Massenkonsum die wahre Befreiung des Homo sapiens erkennen will.

Bei der diesjährigen Kölner Regenbogenparade, die der gewohnt langweilige Mix aus Loveparade und Karneval war, fielen jedoch die unzähligen Träger_innen von kleinen und großen Deutschlandfahnen auf, die ihr Schwarz-Rot-Gold in den bunten Reigen erfolgreich integriert haben – ohne dass es zu antinationalen Protesten gekommen ist.
Auch freuten sich einige, dass neben SPD, Grünen, Linkspartei, Piratenpartei und FDP dieses Mal auch die CDU mit ihren „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU) vertreten war, die sogleich die Homo-Ehe einforderte. Aber selbst bei Konservativen und Marktradikalen kennt in der Domstadt kaum jemand Berührungsängste, auch homosexuelle Christ_innen und die rosa Polizei sind ja beim Cologne Pride immer gern gesehen...

In den Jahren zuvor stand die Regenbogen-Demo ja noch unter einem halbwegs emanzipatorischen Motto („Unsere Freiheit hat Geschichte – 40 Jahre CSD“; „Null Tolerenz – für Null Toleranz“). Dass das Motto des bunten Umzuges 2010 ausgerechnet „Stolz bewegt“ lautete, ist in Zeiten von Fussball-Nationalismus jedoch kaum als Zufall anzusehen (Zum Glück hatte ein Unwetter am Tag zuvor dem Halbfinale-PublicViewing ein vorzeitiges Ende bereitet). Sexuelle Dissidenz wird also nicht als Chance für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung angesehen, sondern es gilt die Regenbogenfamilie ins Herz der Nation zu schließen und solange zu integrieren bis sie ihre Freiheit in Tarnhosen am Hindukusch verteidigt.

Der QueerStudies-Papst Judith Butler hingegen war am 19. Juni 2010 so konsequent, den ihr verliehenen Zivilcourage-Preis des Berliner CSD zurückzuweisen - mit dem Hinweis auf den verbreiteten Rassismus und die Islamfeindlichkeit vieler westlicher LGBT-Aktivist_innen:

„Die veranstaltenden Organisationen weigern sich, antirassistische Politiken als wesentlichen Teil ihrer Arbeit zu verstehen. In diesem Sinne muss ich mich von dieser Komplizenschaft mit Rassismus einschließlich antimuslimischen Rassismus distanzieren.
Wir haben alle bemerkt, dass Homo-, Bi-, Lesbisch-, Trans-, Queer-Leute benutzt werden können von jenen, die Kriege führen wollen, d. h. kulturelle Kriege gegen Migrantinnen durch forcierte Islamophobie und militärische Kriege gegen Irak und Afghanistan. Während dieser Zeit und durch diese Mittel werden wir rekrutiert für Nationalismus und Militarismus. Gegenwärtig behaupten viele europäische Regierungen, dass unsere schwule, lesbische, queer Freiheit beschützt werden muss und wir sind gehalten, zu glauben, dass der neue Hass gegen Immigrant_innen nötig ist, um uns zu schützen. Deswegen müssen wir nein sagen zu einem solchen Deal.“
(siehe auch  
http://nohomonationalism.blogspot.com)

Deutschland-Bilder vom Kölner CSD:
 http://www.flickr.com/photos/npx/4763212040/
 
http://www.flickr.com/photos/chrisgrossman/4762491501/
 
http://www.flickr.com/photos/npx/4762580237/
 
http://www.flickr.com/photos/npx/4763229528/
 
http://www.flickr.com/photos/npx/4763212642/
 
http://www.flickr.com/photos/rotwang/4760220599/
 
http://www.flickr.com/photos/fotografm/4762700065/

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