Ein junger Mann starb in Brandenburg durch eine Polizeikugel, der Schütze will aus Notwehr gehandelt haben. Diese Version hat ein Gericht nicht überzeugt: Der Beamte wurde zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt - im Gerichtssaal kam es zu Tumulten.
Neuruppin - Kaum hatte der Richter am Samstag den Urteilsspruch im Verfahren gegen einen Berliner Polizisten verlesen, entluden sich in dem Gerichtssaal die Spannungen. Angehörige des in der Silvesternacht 2008 durch die Waffe des Beklagten getöteten Dennis J. beschimpften die Richter und den zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Polizeibeamten. "Wir kriegen dich irgendwann draußen, du Schwein", drohten die Männer, bevor sie festgenommen und aus dem Saal gebracht wurden.
Das Landgericht Neuruppin hatte den 36-jährigen Beklagten zuvor wegen Totschlags in einem minderschwerem Fall zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Gegen zwei mitangeklagte Kollegen wurden wegen versuchter Strafvereitelung im Amt Geldstrafen von 10.800 und 8400 Euro verhängt. Dem Hauptangeklagten war zur Last gelegt worden, in der Silvesternacht vor zwei Jahren in der Gemeinde Schönfließ am Berliner Stadtrand während einer missglückten Festnahme achtmal auf den unbewaffneten Dennis J. geschossen zu haben. Das Gericht verurteilte ihn wegen des ersten, zugleich tödlichen Schusses.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der auf den Oberkörper gerichtete Schuss "zumindest mit bedingtem Tötungswillen" abgegeben worden sei. "Wer einen Menschen töten will, schießt entweder auf Kopf oder Brust", sagte der Vorsitzende Richter Gert Wegner. Der Polizist habe deshalb mit einem solchen Ausgang rechnen können.
Die Kammer widersprach in der Urteilsbegründung auch der Notwehrversion, wie sie der Angeklagte über seinen Verteidiger verbreiten ließ. Der 26-jährige Dennis J. sei weder bewaffnet gewesen, noch habe er die am Einsatz beteiligten Beamten angegriffen, sagte der vorsitzende Richter. Es habe sich daher nicht um einen "finalen Rettungsschuss" gehandelt.
"Große Schuld auf sich geladen"
Mit der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wurde dem Angeklagten zugute gehalten, dass er bisher ein unbescholtener Bürger gewesen sei und die Schüsse in einer aufgeheizten Stimmung gefallen seien. Wegner sprach von einer falschen Entscheidung, die der Polizist binnen weniger Sekunden aus seiner subjektiven Sicht von Angst, Schrecken und akuter Gefahr getroffen habe. Gleichwohl habe der Mann eine "große Schuld auf sich geladen".
Auch der Polizistenstatus sei strafmildernd berücksichtigt worden, sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Als Polizist sei er "extrem haftempfindlich", im Falle einer Inhaftierung hätte er sich "unter jenen einordnen müssen, die er sonst verfolgt hat". Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Bei dieser Strafe hätte der Mann auch seinen Beamtenstatus verloren.
Die beiden mitangeklagten Polizisten wurden zu Geldstrafen von 120 Tagessätzen verurteilt. Sie hatten behauptet, von den Schüssen des Kollegen nichts mitbekommen zu haben. Zeugen hatten jedoch ausgesagt, die Schüsse als solche erkannt zu haben. "Es herrschte nicht der kriegsähnliche Zustand mit Böllern in der Feldahornstraße, wie die Angeklagten behaupteten", sagte der Richter. Nach dessen Ansicht hatten es die Angeklagten von Anfang an vermieden, Aussagen zu machen, um ihren Kollegen so "vor der gerechten Bestrafung zu schützen", kritisierte der Richter. Die Entscheidung zur Verurteilung sei der Kammer daher "nicht schwergefallen".
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nebenklage und Verteidigung kündigten noch im Gerichtssaal Revision an.
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