2300 Schüler nahe Philadelphia erhielten Laptops. Lehrer haben sich damit ein Guckloch in die Privatsphäre von Jugendlichen verschafft, spielte die Schule Big Brother? Erboste Eltern klagen jetzt gegen eine Spionage-Attacke per Webcam.
Der Schulbezirk ist in Aufruhr.
Der Schulbezirk ist in Aufruhr.
Eine High School nahe Philadelphia soll einen Schüler zu Hause ausspioniert haben - indem eine Webcam in dessen Laptop aus der Ferne aktiviert wurde. Die Eltern des 15-Jährigen haben eine Klage gegen die Schule eingereicht. Der Schulbezirk Lower Merion im US-Bundestaat Pennsylvania hatte den rund 2300 Schülern von zwei High Schools Laptops von Apple zur Verfügung gestellt, in die eine Webcam eingebaut ist.
Nach Angaben der Eltern warf die stellvertretende Schulleiterin dem Schüler vor, er habe sich zu Hause unanständig verhalten. "Als Beweis führte sie ein Foto an, das von der Webcam des Laptops geschossen wurde, der vom Bezirk ausgehändigt worden war", stand laut "Philadelphia Inquirer" in der Anklage. Darin gibt es keine näheren Angaben, was genau mit dem unangemessenen Verhalten gemeint ist.
Den Klägern zufolge soll die Pädagogin später bestätigt haben, dass die Schule die Webcams der Laptops aktivieren kann, ohne dass die Schüler zustimmen oder überhaupt etwas davon merken. Die Eltern vermuten, dass die Kameras Schüler und Familienangehörige "in unangenehmen Situationen" fotografierten.
Wer einen Laptop klaut, soll per Foto überführt werden
Douglas Young, Sprecher des Schulbezirks, räumte ein, die Laptops seien mit einer Sicherheitsfunktion ausgestattet, "um verlorene, geklaute und vermisste Laptops wiederzufinden". Es sei möglich, aus der Ferne Fotos in Richtung Nutzer und Screenshots zu machen. Die Funktion sei am Donnerstag abgeschaltet worden. "Der Bezirk würde sie niemals aus einem anderen Grund nutzen, als verlorene Laptops zurückzubekommen", sagte Young.
"Wenn uns gemeldet wurde, dass ein Laptop gestohlen wurde, konnten wir ihn so einstellen, dass er ein Foto macht und die IP-Adresse übermittelt, wenn er das nächste Mal geöffnet wurde", sagte Virginia DiMedio, die bis zum letzten Sommer für die Laptop-Initiative zuständig war, dem "Inquirer". Anhand der IP-Adresse konnte geortet werden, woher das Signal kam. Die Funktion sei einige Male genutzt worden.
"Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Schulbezirk irgendetwas anderes damit gemacht hat", so DiMedio. Der Bezirk habe die Schüler über diese Funktion nicht informiert, "weil es um die Sicherheit der Computer geht, und nur dafür wurde sie genutzt". Bezirkssprecher Young kündigte eine Untersuchung an: "Wir nehmen das sehr ernst."
Geschockte Schüler, empörte Eltern, verblüffte Datenschützer
In Philadelphia sorgt der Fall unter Schülern, Eltern und Datenschützern für große Empörung. "Wir sind ziemlich geschockt", sagte etwa Tom Halpern, ein 15-jähriger Schüler. Jugendliche würden nun mit Klebeband die Kameras und Mikrofone bedecken. "Ich finde es wirklich abscheulich, dass sie die Möglichkeit haben, mich die ganze Zeit zu beobachten."
Ein Mutter sagte dem "Inquirer", sie sei aus allen Wolken gefallen. "Mein erster Gedanke war, dass meine Tochter ihren Laptop fast rund um die Uhr in ihrem Schlafzimmer aufgeklappt stehen hat. Wurde sie ausspioniert?"
Lillie Coney vom Informationszentrum für elektronischen Datenschutz in Washington sagte dem "Inquirer", sie habe noch nie von einem derartigen Fall gehört. "Wenn die Anschuldigung wahr ist, wäre das eine abscheuliche Verletzung der individuellen Privatsphäre." Mitarbeiter von Schulen dürften "noch weniger als die Polizei in die Privatsphäre einbrechen, sei es elektronisch oder physisch", so der Bürgerrechtler Witold J. Walczak.
Der Schulbezirk hatte im letzten Schuljahr mit Hilfe von staatlichen Zuschüssen Laptops an Schüler der beiden Highschools verteilt, um "intensives und aktives Lernen zu fördern und die Leistungen der Schüler zu verbessern", so Schulinspektor Christopher McGinley. Von der Initiative schwärmte die frühere Leiterin DiMedio. "Es gibt Kids in ärmeren Gegenden, die weniger Mittel zur Verfügung haben als andere." Dafür sei das Programm gedacht - "Kindern eine Chance zu geben".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen