Donnerstag, 25. Februar 2010

Soda-Club-Urteil stellt Israel bloß

Streit um Siedlungsgebiete

Jüdische Siedlung Maale Adumim: Nach EU-Zollrecht weder Israel noch Palästina

Jüdische Siedlung Maale Adumim: Nach EU-Zollrecht weder Israel noch Palästina
Es ist ein simpler Gebührenstreit, aber das Urteil des Europäischen Gerichtshofs könnte Folgen haben: Weil die Sprudelgeräte der Firma Soda-Club aus den von Israel besetzten Gebieten stammen, müssen sie beim EU-Import verzollt werden - ein herber Rückschlag für die Siedlungspolitik Jerusalems.
Hamburg - Die Israelis sind stolz auf ihren Wassersprudler. Das Unternehmen Soda-Club verkauft das Gerät seit fast 20 Jahren. Kunden in aller Welt sind dankbar, keine Kisten mehr schleppen zu müssen. Stattdessen können sie per Knopfdruck ihr Leitungswasser mit Kohlensäure aufpeppen. Soda-Club-Gründer Peter Wiseburgh hat die Devise, dass Export für die Firma keine Kür, sondern eine Pflicht ist. Von Anfang an setzte das Unternehmen auf die Ausfuhr seiner Produkte.
 
Doch nun hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Wassersprudler beschäftigt. In der Sache geht es um Zölle, doch der Fall hat eine brisante politische Dimension. Denn es geht um die Frage, ob israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten als Teil des israelischen Staatsterritorium anerkannt werden.
Der Streitfall liegt einige Jahre zurück. Der deutsche Wasserfilterhersteller Brita hatte 2002 Sprudler von Soda-Club nach Deutschland eingeführt. Am Zoll wurden dafür 19.155 Euro und 46 Cent fällig.
Als Israel gilt nur, was in den Grenzen von 1967 liegt
Das Geld forderte das Unternehmen vom Hamburger Zoll zurück, denn für Produkte aus Israel gelten bevorzugte Handelsbedingungen mit der EU, der Import israelischer Waren ist zollfrei. Brita klagte also vor dem Finanzgericht Hamburg. Da es sich um Europarecht handelt wurde man an den EuGH verwiesen.
Auf den ersten Blick sah der Fall einfach aus: Das Unternehmen konnte nachweisen, dass die Ware aus Israel kam, denn israelischen Behörden hatten den Wassersprudler mit "Made in Israel" gekennzeichnet. Seit 2001 gibt es jedoch die Verpflichtung, dass der genaue geografische Ursprungsort auf dem Produkt angegeben werden muss. Und so pochte das Hauptzollamt Hamburg-Hafen darauf, bei den israelischen Behörden zu klären, wo die Ware genau herkam.
Das Ergebnis: Soda-Club produziert nicht in Kern-Israel, sondern in der israelischen Siedlung Maale Adumim im Westjordanland. Für die EU-Kommission gilt als Staat Israel aber nur das, was in den Grenzen von 1967 liegt. Nicht dazu zählen die von Israel seitdem besetzten Gebiete wie das Westjordanland, der Gaza-Streifen, die Golanhöhen und Ostjerusalem. Also auch nicht die Siedlung, in der Soda-Club produziert.
Neben israelischen Produkten dürfen auch palästinensische Waren aus dem Westjordanland, Gaza und Ost-Jerusalem zollfrei oder zu ermäßigten Einfuhrzöllen in die EU eingeführt werden. Für Produkte aus den jüdischen Siedlungen gibt es dagegen keine Abkommen mit der EU.
"Eine ganz neue Situation"
An diesem Donnerstag hat der EuGH nun klargestellt, dass für Produkte, die aus jüdischen Siedlungen in besetzten Gebieten wie dem Westjordanland stammen, weder israelische noch palästinensische Präferenzzölle gelten. Der Generalanwalt beim EuGH hatte sich bereits zuvor zuungunsten des Unternehmens Brita ausgesprochen.
Mit dem Urteil straft die EU nun erstmals die israelische Siedlungspolitik ab. Zwar fordert Brüssel schon länger einen endgültigen Baustopp für die jüdischen Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem, bisher ist es jedoch bei Worten geblieben.
Indirekt deuten die Richter mit dem Urteil zudem an, dass die israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland illegal sind. Eine Aussage von höchster politischer Brisanz, denn die Siedlungsfrage ist einer der zentralen Streitpunkte im Nahost-Konflikt. "Es ist eine ganz neue Situation, dass die EU im klassischen Wirtschaftsrecht mit hochpolitischen Fragen konfrontiert wird", sagt Frank Schorkopf vom Institut für Völkerrecht und Europarecht an der Universität Göttingen.
Eine besondere Bedeutung bekommt das Urteil zudem, weil die EU in dem Prozess zum ersten Mal als Völkerrechtssubjekt auftritt. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verpflichtet sich die EU dazu, das Völkerrecht nicht nur strikt einzuhalten, sondern auch weiter zu entwickeln und die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zu wahren. "Die EU hat hier eine Mission", sagt Schorkopf. "Sie setzt sich geschlossen für den Weltfrieden ein." Das könne nun auf die Völkerrechtspraxis anderer Staaten enormen Einfluss haben, so der Wissenschaftler. "Alle anderen werden auf das Urteil schauen und sich daran orientieren."
Demütigende Sicherheitkontrollen und Hungerlöhne
Waren aus den besetzten Gebieten sorgen schon seit einiger Zeit für heftige Diskussionen. Eine Augenzeugin berichtete etwa kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung" von palästinensischen Arbeitern, die zu Hungerlöhnen in israelischen Unternehmen in den Siedlungen beschäftigt würden, demütigende Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen müssten und schnell gefeuert werden könnten.
Die britische Regierung hat sogar jüngst die Supermärkte des Landes aufgefordert, Lebensmittel, die aus jüdischen Siedlungen stammen, zu kennzeichnen. 27 Firmen produzieren derzeit in den Siedlungen Exportgüter, neben Lebensmitteln auch Kosmetik, Arzneimittel, Plastik-, Metallprodukte und Textilien. Die EU ist hinter den USA der zweitgrößte Absatzmarkt Israels. Schätzungsweise ein Drittel der Waren wird ganz oder teilweise in den besetzten Gebieten hergestellt. Auch in Deutschland kritisieren Menschenrechtsverbände seit längerem, dass diese Waren häufig das Siegel "Made in Israel" tragen.
Was das Urteil für deutsche Soda-Club-Kunden bedeutet war am Donnerstag noch nicht absehbar. Fest steht jedoch, dass das nun gesprochene Urteil Präzedenzwirkung für andere israelische Produkte aus den Siedlungsgebieten haben dürfte, die bisher größtenteils zollfrei nach Europa exportiert wurden. Darunter fallen etwa Weine der besetzten Golanhöhen oder Kosmetika vom Toten Meer.
Für die israelische Wirtschaft ein Rückschlag
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für Menschenrechtler ein Stück weit Gerechtigkeit.

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