Montag, 22. Februar 2010

"Rent a Rüttgers" nicht mehr im Angebot

Sponsoring-Affäre verhagelt Rüttgers den Wahlkampf

Parteifreunde und Koalitionspartner distanzieren sich von der Sponsoring-Praxis der NRW-CDU. Jetzt opfert Jürgen Rüttgers seinen Generalsekretär Hendrik Wüst. Ausgestanden ist die Affäre für den Ministerpräsidenten damit nicht - denn es gibt weitere fragwürdige Angebote für Unternehmen.
Berlin/Hamburg - Die Fotos machen sich in jeder Imagebroschüre gut: Jürgen Rüttgers blättert interessiert in einem Unternehmensprospekt, posiert lächelnd mit der Geschäftsführung - alles vor einem gut sichtbaren Firmenlogo. Es sind Bilder vom 3. Zukunftskongress der nordrhein-westfälischen CDU im Jahr 2007. Harmlose Bilder auf den ersten Blick, schließlich ist es üblich, dass sich Firmen am Rande von Parteitagen oder Parteiveranstaltungen präsentieren.
 
Doch seit dem Wochenende erscheinen die Aufnahmen in einem anderen Licht. Es stellt sich die Frage: Haben die Firmen womöglich dafür bezahlt, dass der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende persönlich an ihrem Stand vorbeischaute?
Der SPIEGEL hatte am Wochenende aufgedeckt, dass die NRW-CDU bei ihrem Landesparteitag am 20. März in Münster nicht nur Ausstellungsfläche an Sponsoren vermietet, sondern für 20.000 Euro außerdem auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" verspricht. Für 14.000 Euro bot die Partei einen "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" an.
Den Vorwurf der Käuflichkeit hat Rüttgers am Wochenende als "absurd und völlig unzutreffend" zurückgewiesen. Da aber die Existenz der Werbebriefe nicht zu leugnen war, muss nun der Generalsekretär der NRW-CDU gehen.Rüttgers selbst hatte erklärt, die Werbebriefe nicht zu kennen und seinen General angewiesen, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Hendrik Wüst trat nach Angaben der Partei am Montag zurück. Der 34-Jährige hatte die Verantwortung für die Sponsorenangebote übernommen und sich sogar öffentlich bei seinem Parteichef entschuldigt.

Wüst machte immer wieder Negativ-Schlagzeilen

Die scharfe Rüge belegte, dass es um das Verhältnis zwischen Rüttgers und Wüst nicht mehr zum Besten bestellt war. Schließlich sorgte der junge, konservative Aufsteiger nicht zum ersten Mal für Negativ-Schlagzeilen. Im vergangenen Sommer musste er auf Geheiß von Rüttgers die Video-Beobachtung öffentlicher Auftritte von SPD-Herausforderin Hannelore Kraft stoppen. Im vergangenen Dezember geriet Wüst in Erklärungsnot, weil er monatelang von der CDU und vom Landtag in Düsseldorf gleichzeitig Zuschüsse für seine private Krankenversicherung kassiert hatte.
Als Wüst nun wegen der fragwürdigen Werbepraxis als öffentliche Demütigung vor Rüttgers auf die Knie musste, war klar, dass der Sturz des Generalsekretärs allein eine Frage der Zeit ist. Nur zweieinhalb Monate vor der NRW-Wahl hat sich der Landeschef damit zur radikalen Lösung entschlossen und seinen Wahlkampfmanager geopfert - in der Hoffnung der Geruch der Käuflichkeit möge damit schnell verfliegen.
Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Denn dass Rüttgers von der Werbepraxis nichts gewusst hat, darf zumindest angezweifelt werden. Offenbar ist das Angebot an Sponsoren, gegen ein paar Tausend Euro mehr am Rande von Parteiveranstaltungen persönlich mit dem Parteichef in Kontakt treten zu können, seit Jahren gang und gäbe. Der SPIEGEL berichtete schon im Jahr 2004 über eine entsprechende Einladung zur Firmenpräsentation auf dem Zukunftskongress der NRW-CDU jenes Jahres. Im Sponsorenpaket für 14.000 Euro war seinerzeit eine "Roadshow" enthalten, bei der Rüttgers, damals noch Spitzenkandidat, den Stand der Sponsorenfirma besuchen würde.
Für 16.000 Euro kommt der Ministerpräsident

Geändert hat sich an dieser Praxis bis heute nichts. Im Gegenteil: Nach SPIEGEL-Informationen gibt es auch zum diesjährigen CDU-Zukunftskongress, der zwei Wochen vor dem Landesparteitag am 5. März in einem Hotel in Düsseldorf stattfindet, entsprechende Offerten.
Interessierte Geschäftsleute können zwischen drei "Partnerpaketen" wählen - für 5000, 8000 oder 16.000 Euro. Nur zum Paketpreis von 16.000 Euro aber kommt Jürgen Rüttgers im Rahmen der "moderierten Roadshow" gemeinsam mit dem Träger des Zukunfts- und Innovationspreises der NRW-CDU an den Ausstellungsstand. Zusätzlich bekommt die zahlende Kundschaft auch einen eigenen "Firmentisch während der Abendveranstaltung". Ein Unternehmensvertreter darf gar am "Top-VIP-Tisch" Platz nehmen. Das geht aus dem Sponsorenkonzept der CDU für den Zukunftskongress hervor, das ein Unternehmen über eine PR-Agentur von der Partei erhalten hat.
Der Start in den Wahlkampf ist für Rüttgers damit verpatzt. Am Montag musste er sich deutliche Schelte anhören. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim sagte der "Neuen Presse", wenn man die Schreiben der CDU ernst nehme, "dann hat das nicht nur ein 'Geschmäckle', sondern grenzt an Korruption". Rüttgers' Koalitionspartner ging auf Distanz. "Unsensibel, ungeschickt und unangemessen" nannte FDP-Generalsekretär Christian Lindner das Sponsoren-Angebot.
Scharfe Kritik kam aus der Opposition, die sich mit dem Wüst-Rücktritt nicht zufrieden geben will. SPD-Landeschefin Kraft wertet den Rücktritt als "Schuldeingeständnis", dass es bei der CDU zu Gesprächen gegen Geld gekommen sei. Sie legte Rüttgers sogar den Rücktritt nahe. Immer neue Enthüllungen legten den Schluss nahe, "dass Rüttgers die Unwahrheit gesagt" habe, sagte Kraft am Montag in Düsseldorf. Sollte sich dies bestätigen, sei Rüttgers als Ministerpräsident "nicht mehr tragbar".

Die Grünen wollen die Käuflichkeitsvorwürfe gegen den Ministerpräsidenten vor den Landtag bringen. Die Regierung müsse vor dem Parlament darlegen, "ob wirklich ausgeschlossen ist", dass Rüttgers gegen Bezahlung Gespräche mit Sponsoren geführt habe, sagte Fraktionschefin Sylvia Löhrmann im WDR. Auch nach dem Rücktritt von Rüttgers' Generalsekretär sieht die Öko-Partei Aufklärungsbedarf. Rüttgers bleibe als Chef der NRW-CDU "in der Verantwortung für die Geschehnisse in der CDU-Geschäftsstelle".
Lammert nennt Briefe "selten dämlich"
Auch die NRW-Linke forderte Rüttgers' Rücktritt: "Sollte er von dem Verkauf seiner Termine gewusst haben, kann er nicht Ministerpräsident bleiben, weil er sich käuflich macht. Wenn er aber tatsächlich nicht wusste, was Hendrik Wüst treibt, dann stellt sich die Frage, welche Führungsqualifikationen ihn dazu befähigen, Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes zu bleiben", erklärte NRW-Landeschef Wolfgang Zimmermann.
Selbst die Solidaritätsadressen für Rüttgers aus den eigenen Reihen klangen am Montag vorsichtig. "Ich glaube, dass er da die richtigen Antworten gegeben hat", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch zur Anweisung des NRW-Amtskollegen, die Briefe zu stoppen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff nannte das Gebaren einen "kleinen Fehler, der zu einer Affäre aufgebauscht wird". Für den Rücktritt Wüsts hat Wulff kein Verständnis: "Da sage ich, dass wir noch viele Rücktritte erleben werden, wenn wir diese Maßstäbe weiter durchhalten", sagte er bei N24.
Von gekauften Audienzen will man in Wulffs Landesverband dennoch nichts wissen. Unternehmen und Organisationen hätten die Möglichkeit, sich auf dem Landesparteitag der Niedersachsen-CDU zu präsentieren. "Die Preise für die Messestände richten sich ausschließlich nach deren Größe und Lage", sagte Generalsekretär Ulf Thiele. "Eine Verbindung mit Besuchen oder Gesprächsterminen mit Mitgliedern der Bundes- oder Landesregierung wird dabei nicht hergestellt. Ein solches Angebot gibt es nicht."
Im Fall NRW prüft jetzt die Bundestagsverwaltung, ob die CDU möglicherweise gegen das Parteiengesetz verstoßen hat. Sein politisches Urteil hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), selbst aus dem nordrhein-westfälischen CDU-Landesverband, in der "Saarbrücker Zeitung" allerdings schon gefällt.
Die Werbebriefe seien "selten dämlich".

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