Samstag, 20. Februar 2010

Für Geld mit Rüttgers reden

Die NRW-CDU verkauft zahlungskräftigen Sponsoren exklusive Gesprächstermine mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers - für mehrere Tausend Euro. Die Treffen sollen auf dem Landesparteitag der Partei im März stattfinden.

Wie Spiegel-Online am Samstag (20.02.10) berichtete, belegen Briefe der NRW-Union, dass Unternehmen für den Landesparteitag Mitte März in Münster nicht nur Ausstellungsfläche erwerben können, sondern auch vertrauliche Unterredungen mit den Mitgliedern der Landesregierung.
Für 20.000 Euro können Kunden demnach ein sogenanntes Partnerpaket für den Parteitag kaufen, das neben einem mehr als 15 Quadratmeter großen Stand auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" verspricht. Für 14.000 Euro bietet die Partei eine Ausstellungsfläche von zehn bis 15 Quadratmetern, eine vertrauliche Unterredung ist dafür allerdings nicht mehr drin, sondern nur noch ein "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen".

CDU-Brief: "Möglichkeit, in einen Dialog zu treten"

Das Schreiben an potenzielle Sponsoren beginnt mit den Worten: "Die CDU Nordrhein-Westfalen bietet Ihnen wieder die Möglichkeit, sich mit Ihrem Unternehmen auf unserem Landesparteitag zu präsentieren und mit Politik und Medien in einen Dialog zu treten." Dabei geht es offenbar nicht nur um Kontakte zu Landespolitikern: "Als besonderen Höhepunkt können wir auf die Teilnahme unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Mitglieder der Bundesregierung verweisen", heißt es in dem Schreiben der Partei.

Informant: Übliche Praxis schon 2006

Die NRW-CDU kassiert offenbar schon länger für Gesprächskontakte mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Beim WDR hat sich inzwischen ein Vertreter eines kommunalen Unternehmens gemeldet und davon berichtet, dass für Messestände bei CDU-Parteitagen und -Kongressen deutlich höhere Gebühren fällig wurden, als bei anderen Parteien. Diese Angebote seien stets mit exklusiven Besuchen am Stand von Ministerpräsident oder Kabinettsmitgliedern verbunden gewesen. Gelegentlich habe man im Anschluss an Veranstaltungen gegen erhebliche Geldbeträge Abendessen am Tisch von Jürgen Rüttgers buchen können.
Diese Spendenpraxis reiche weit zurück: "Wir wurden aufgefordert, uns zum Beispiel am Zukunftskongress der CDU in Bonn 2006 mit einem Stand zu beteiligen", berichtet dem WDR ein Verantwortlicher eines kommunalen Unternehmens aus Nordrhein-Westfalen. "Uns wurde auch zugesagt, dass Jürgen Rüttgers zu uns an den Stand kommt." Am Ende kam nicht nur Jürgen Rüttgers, auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch, der als Hauptredner auf dem Kongress aufgetreten war, besuchte das Unternehmen. "Die waren beide sehr locker", erinnerte sich der Informant.
Für eine fünfstellige Summe mit Rüttgers zu Abend essen
Nach Ende des CDU-Kongresses 2006 gab es offenbar ein Abendessen im kleineren Kreis. "Für eine fünfstellige Summe wurde man sogar am Tisch von Rüttgers platziert", heißt es aus der Quelle. Die CDU warb mit entsprechenden Arrangements demnach nicht nur für die Zukunftskongresse, auch bei Parteitagen wurden ähnlich strukturierte Angebote gemacht. "Die traten sehr aggressiv auf", urteilt der Vertreter des kommunalen Unternehmens.
Sein Unternehmen war nach Angaben des Informanten auch bei Parteiveranstaltungen der SPD vertreten. Die Preise der Sozialdemokraten hätten jedoch um knapp die Hälfte niedriger gelegen. Außerdem gab es nach diesen Informationen keinerlei Angebote für vertrauliche oder andere Gespräche mit SPD-Spitzenpolitikern.
Spiegel-Online berichtete, auch für den Landesparteitag 2008 habe die Geschäftsstelle der Partei ein "Partnerpaket" angeboten, das ein Gespräch mit Rüttgers einschloss.

Wüst bedauert "falschen Eindruck"

Der Sprecher der NRW-CDU, Matthias Heidmeier, räumte die Existenz der Werbebriefe für den Parteitag 2009 ein und sprach von einem falschen und ungeschickten Sprachgebrauch einzelner Mitarbeiter. Generalsekretär Hendrik Wüst bedauere, wenn mit den Schreiben ein "falscher Eindruck" entstehe, so Heidmeier. "Die Miete für die Stände auf dem Landesparteitag orientiert sich ausschließlich an deren Größe." Außerdem präsentierten sich Unternehmen, Verbände und Vereine seit vielen Jahren auf Parteitagen der verschiedenen Parteien. "Dies steht in vollem Einklang mit den strengen Regeln des Parteiengesetzes."

SPD: Stellflächen vermieten ja - Gespräche verkaufen nein

Die Sozialdemokraten kritisieren den "Verkauf von Gesprächsterminen" mit dem Ministerpräsidenten: "Das hat den Beigeschmack, dass Politik käuflich ist", sagte Michael Groschek, Generalsekretär der NRW-SPD zu WDR.de. "Bisher hieß es bei der CDU immer 'Privat vor Staat', jetzt geht die CDU unter dem Motto 'Privat macht Staat' noch einen Schritt weiter." Mit der Einnahme von Sponsorengeldern für Ausstellungsflächen auf Parteitagen hat die NRW-SPD allerdings kein Problem: "Es ist seit Jahren üblich, dass Parteien Stellplätze an Firmen und Sponsoren für Stände auf Parteitagen vermieten", sagte NRW-SPD-Sprecher Dirk Borhart zu WDR.de. "Das machen alle." Einzelgespräche mit SPD-Politikern habe es aber "noch nie" geben. "Wir beabsichtigen auch nicht, so etwas einzuführen."
Die NRW-Jusos nannten Rüttgers "käuflich". Wer für eine Audienz beim CDU-Ministerpräsidenten mehr als 20.000 Euro auf den Tisch lege, könne wahrscheinlich auch gleich seine eigenen Gesetzesentwürfe mitbringen, erklärte am Samstag der Juso-Landesvorsitzende Christoph Dolle. Es sei ein schmaler Grad zwischen "geschmackloser Lobbyarbeit, verkauften Gesetzten und Korruption".

Grüne: "Ministerpräsident zum Mieten"

Kritik kommt auch von den Grünen: "Die CDU und Jürgen Rüttgers beschädigen das Amt des Ministerpräsidenten, indem sie es zu Markte tragen", sagte Sylvia Löhrmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. "Was nach einem verspäteten Karnevalsscherz klingt - den NRW-Ministerpräsidenten kann man mieten -, ist in Wahrheit ein weiterer Baustein im Sittengemälde der Amtsführung von Jürgen Rüttgers und seiner schwarz-gelben Koalition."
Was die Liberalen von dem Vorgehen ihres Koalitionspartners CDU halten, ist bisher nicht bekannt: Die NRW-FDP war bis zum Samstagnachmittag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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