Donnerstag, 25. Februar 2010

Bilfinger fühlt sich bei U-Bahn-Pfusch unschuldig

Von Carsten Dierig und Nikolaus Doll
 
Fehlende Stahlträger in U-Bahn-Tunnels, Ärger um eine ICE-Strecke, Der Baukonzern Bilfinger Berger rutscht immer tiefer die Krise. Auch an der Börse wird das Unternehmen bitter abgestraft. Der Chef des Baukonzerns hält sich dennoch für nicht den Skandal verantwortlich.
U-Bahn-Baustelle am Kölner Heumarkt. Weil leitende Bauarbeiter angeblich Stahlteile an Schrotthändler verkauft haben, gilt der Schacht als unsicher.
Herbert Bodner reichte bislang ein einziger Satz, um seinen Konzern zu beschreiben: „Wir sind ein Unternehmen, das bei seinen Kunden für höchste Qualität bekannt ist“, sagt der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern Bilfinger Berger. Doch das war ein Mal, denn, seit Tagen reißen die Nachrichten über Unregelmäßigkeiten auf Baustellen der Mannheimer Firma nicht ab. Von gefälschten Bauprotokollen ist die Rede. Und von krummen Geschäften mit Stützeisen. Wie ein Kartenhaus stürzt Bodners heile Welt in sich zusammen. Nun suchen weitere Auftraggeber des Konzerns auf Baustellen und an fertigen Gebäuden nach Mängeln. „Die Sache ist sehr ärgerlich“, kommentiert ein Konzernsprecher.
Mit „ärgerlich“ meint er unter anderem die jüngsten Ereignisse in Köln und Düsseldorf. Dort wird Bilfinger Berger Pfusch beim Bau von U-Bahnstrecken vorgeworfen. In Düsseldorf geht es um die so genannte „Werhrhahn-Linie“, in Köln ist die „Nord-Süd-Stadtbahn“ betroffen. In beiden Städten gibt es Anzeichen, dass Bauprotokolle gefälscht oder zumindest nicht ordnungsgemäß erstellt wurden. In Köln sollen darüber hinaus an der Haltestelle Heumarkt mehr als 80 Prozent der vorgeschriebenen Stahlbügel zur Sicherung sogenannter Schlitzwandlamellen nicht eingebaut worden sein. Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen leitende Bauarbeiter, die einen Teil dieser Bügel an Schrotthändler verkauft haben sollen. Ermittler in Bayern beschäftigen sich zudem mit möglichen Unregelmäßigkeiten beim Bau der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt. Dort geht es offenbar um die Sicherheit von sogenannten Erdankern bei Pfählen am Rand der Trasse.



In den kommenden Wochen und Monaten könnte die ganze Angelegenheit noch ärgerlicher werden. Zumindest hat die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige technische Aufsichtsbehörde für den Bau von Straßen- und U-Bahnen in Nordrhein-Westfalen offiziell die Oberbürgermeister von zehn großen Städten an Rhein und Ruhr angeschrieben. Die Briefe gingen nach Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Herne, Essen und Mühlheim/Ruhr. Die Oberbürgermeister sollen nun auflisten, welche Firmen beim Bau von Straßen- und U-Bahnen beteiligt waren – und zwar in den vergangenen 40 Jahren. „Sämtliche Protokolle sollen auf ihre Plausibilität hin untersucht werden“, sagt ein Sprecher der Behörde. Damit solle sichergestellt werden, dass noch einmal alles getan wurde, um Mängel auszuschließen. Gelsenkirchen,

Nicht nur in NRW sind die Behörden hellhörig geworden. Zwar hat bislang keine weitere Bauaufsicht – etwa aus anderen Bundesländern – Sonderprüfungen angekündigt. „Wir verfolgen die Vorgänge allerdings sehr genau“, sagt ein Sprecher der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Der Finanz- und Bauminister des Landes, Carsten Kühl, hat derzeit den Vorsitz der Bauministerkonferenz inne. Möglicherweise werde der Fall Bilfinger Berger sogar Thema auf der Tagung der Minister im Herbst.


Für das Unternehmen ist die Entwicklung dramatisch. Das zeigt sich zum Beispiel an der Börse. Binnen weniger Tage hat die im M-Dax notierte Aktie kräftig an Wert verloren. Teilweise gab es Kursabschläge von bis zu zehn Prozent. Damit wurden in kurzer Zeit mehrere Hundert Millionen Euro an Firmenwert vernichtet. Hinzu kommt ein erheblicher Imageschaden. „Der negative Nachrichtenfluss wird sehr großen Einfluss auf das Ansehen von Bilfinger haben, und das könnte die Position des Unternehmens bei künftigen Ausschreibungen belasten“, sagt zum Beispiel der Equinet-Analyst Ingbert Faust. Er rechnet weiter damit, dass „die Unsicherheit bezüglich der Infrastrukturprojekte noch einige Zeit andauern wird“. Das befürchtet auch Konzernchef Bodner. Natürlich bestehe die Gefahr, dass das Image von Bilfinger Berger für solche Bauwerke nun angekratzt ist, räumt der 62-Jährige ein. Um zu retten, was noch zu retten ist, will sein Unternehmen intensiv mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten und die Verdachtsfälle umfassend und vorbehaltlos aufklären. „Da wird nichts beiseite geschoben“, versichert Bodner, nachdem sein Krisenmanagement zuletzt stark in die Kritik geraten ist.


Und doch bleibt der Eindruck, dass bei Bilfinger Berger die Dimension der jüngsten Ereignisse noch nicht vollständig wahrgenommen wird. In der Konzernpressestelle etwa ist von „überschaubaren Problemen“ die Rede. Und Bodner meint sogar, dass sich das Unternehmen nicht hinterfragen müsse., begründet der Manager. „Weil wir uns nichts vorzuwerfen haben“

Wichtige Teile nicht verbaut

Damit aber stellt sich die Frage, wie es passieren kann, dass bei einem Weltkonzern, der unter Aufsicht der Behörden ein Großprojekt vorantreibt, sondern für sich abzweigen und verhökern können. „Ich kann das nicht nachvollziehen“, kritisiert Manfred Tiedemann, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Prüfingenieure. Denn eigentlich muss jeder Arbeitsschritt genau festgehalten und protokolliert werden. Doch offenbar hat gerade in Köln das System der Mehrfach-Protokolle versagt. Und eine weitere Gruppe von Verantwortlichen hat ganz offensichtlich nicht richtig hin- oder gleich ganz weggesehen „Da ist ohne Frage etwas gründlich schiefgelaufen“, sagt Heiko Stiepelmann, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB). Er sieht die Schwachstelle bei der Bauaufsicht.


Im Fall Köln liegt die bei den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) und damit beim Bauherrn. Denn offenbar hat die Bezirksregierung die Aufgabe an die Kommune weitergereicht und die wiederum an die KVB. „Unabhängig vom aktuellen Fall muss es so sein, dass eine dritte unabhängige Instanz die Bauaufsicht übernimmt“, fordert Stiepelmann. In etlichen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern oder Rheinland-Pfalz ist das bereits so. NRW zieht nun umgehend nach. Künftig dürfte die Bauaufsicht nur noch von unabhängigen Ingenieuren übernommen werden. Das zumindest hat das zuständige Landesministerium für Bauen und Verkehr gestern angekündigt.


Dass sich darüber hinaus an dem derzeitigen System der technischen Bauaufsicht grundlegend etwas ändern wird, ist indessen wenig wahrscheinlich. auch im Fall der Bundesregierung sieht man nach den Vorfällen in Köln und Düsseldorf keinen Grund aktiv zu werden. Die derzeit üblichen Regelungen der technischen Bauaufsicht, auch in Nordrhein-Westfalen sei „bereits seit Jahrzehnten bundesweit in Kraft und hat sich gut bewährt“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesbauministeriums gegenüber der WELT. „Es liegt in der Verantwortung der Länder, dafür zu sorgen, dass die technische Aufsicht einwandfrei erfolgt. Sie enthebt also nicht von der Verantwortung. Insofern sieht der Bund keinen Änderungsbedarf.

Bilfinger Berger hilft derweil auch die Gelassenheit der Politik nicht weiter. Denn immer wieder steht der Firmenname nun im Zusammenhang mit Pfuschverdächtigungen und kriminellen Machenschaften einzelner Mitarbeiter. Branchenexperten sagen dem Unternehmen nun sogar eine der größten Krisen in seiner mittlerweile 130-jährigen Geschichte voraus. Bodner dagegen hofft auf eine baldige Rückkehr zur heilen Welt. Hilfreich dürfte dabei das Fehlen von Konkurrenz sein. „Projekte wie in Köln oder Düsseldorf kann nicht jedes beliebige Bauunternehmen übernehmen. Da sind Spezialkenntnisse gefragt. Und über die verfügt nur eine relativ kleine Zahl von Unternehmen. Und das wissen die Auftraggeber“, heißt es in der Baubranche. Aktuell ist der Schaden für den Bauriesen enorm.

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