Montag, 22. Februar 2010

ACTA: Internet-Provider sollen kontrollieren

Der Internet-Abschnitt des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA ist durchgesickert. Demnach sollen die Internet-Provider für die Inhalte verantwortlich gemacht werden, die in ihren Netzen transportiert werden.

Wie das Fachmedium "Computerworld", der kanadische Copyright-Experte Michael Geist und die deutsche Bürgerrechtsorganisation Netzpolitik.org melden, ist einmal mehr ein Dokument aus den geheimen Verhandlungen über das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) an die Öffentlichkeit gelangt.

In dem Kapitel des Abkommens, das sich mit der Kontrolle des Datenverkehrs im Internet befasst, geht es - wie auch schon von der EU-Kommission zugegeben - vor allem um die Verantwortlichkeit der Internet-Provider.

Die Unterzeichnerstaaten des Abkommens sollen demnach die Provider zivilrechtlich gegenüber Ansprüchen der Medienindustrie haftbar machen. Sie sollen technische Maßnahmen dafür treffen, dass in ihren Netzen keine unlizenzierten Inhalte verbreitet werden.

Das liefe auf eine permanente und völlige inhaltliche Kontrolle des Datenverkehrs im Internet hinaus, denn die Provider müssen gegenüber den Rechteinhabern stets nachweisen können, dass in ihren Netzen keine unlizenzierten Kopien transportiert werden. Auch "Three Strikes Out"-Maßnahmen, mit denen Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen vom Netz getrennt werden sollen, sieht das Papier vor.

Intransparente Verhandlungen

Auch die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen aller Art soll laut ACTA kriminalisiert werden. Die nächste ACTA-Verhandlungsrunde wird im April in Neuseeland stattfinden. Die Verhandlungspartner, darunter die EU-Kommission und die US-Regierung, konnten sich noch nicht darauf einigen, die Verhandlungen transparent zu machen, so dass die Öffentlichkeit in ihrer Berichterstattung über das Abkommen weiterhin auf die wenig substanziellen offiziellen Mitteilungen der Regierungen und unautorisierte Dokumente angewiesen ist.

Bürgerrechts- und Konsumentenschutzorganisationen aus den betroffenen Staaten haben die Verhandlungspartner wiederholt dazu aufgefordert, die Verhandlungen öffentlich zu machen. Bisher werden nur Lobbyorganisationen der Industrie von den Regierungen minuziös über die Verhandlungen informiert, wie die US-NGO Knowledge Ecology International herausfinden konnte.

EU-Datenschützer warnt vor ACTA

In einer ungewöhnlich direkt formulierten Aussendung hat der oberste EU-Datenschutzbeauftrauftragte Peter Hustinx am Montag davor gewarnt, dass das Anti-Piraterie-Abkommen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) tief in die Datenschutz- und Konsumentenrechte der EU-Bürger eingreifen könnte.

"Der Europäische Datenschutzbeauftragte bedauert, dass er von der EU-Kommission nicht über die Inhalte eines Abkommens informiert worden ist, welches zentrale Fragen aufwirft, die die Grundrechte der Bürger berühren, speziell deren Recht auf Privatsphäre und Datenschutz", heißt es in Hustinx' Aussendung vom Montag. Die EU-Kommission weigert sich seit zwei Jahren, die Öffentlichkeit über die Verhandlungen präzise und zeitgerecht zu informieren. Das Abkommen sei möglicherweise inkompatibel zu den Datenschutzbestimmungen der Europäischen Union, so Hustinx.

* Stellungnahme von Peter Hustinx zu ACTA (PDF)

Kommission soll Verhandlungen öffnen

Hustinx fordert von den Verhandlungsführern aus EU, USA und anderen Industrieländern, endlich einen öffentlichen und transparenten Dialog über ACTA zu führen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die vereinbarten Maßnahmen mit dem EU-Recht konform gingen. Die EU-Kommission verhandelt auf ein Mandat des Rats hin seit 2007 über ACTA.

Hustinx warnt in seiner Stellungnahme ausdrücklich davor, bei der Bekämpfung der Content-Piraterie im Netz auf "Three Strikes Out"-Ansätze zu bauen. Bei "Three Strikes Out" werden Bürger auf Zuruf der Rechteinhaber aus der Medienindustrie vom Internet getrennt. Anstatt den Datenverkehr aller Bürger permanent auf nicht-lizenzierte Kopien zu prüfen, sollten zielgerichtete Prüfungen auf berechtigten Verdacht hin durchgeführt werden.

Weiters warnt Hustinx davor, dass ACTA auch grenzüberschreitende Übertragungen persönlicher Daten von EU-Bürgern - auch an Drittstaaten - erfordern könnte, und zwar nicht nur zwischen staatlichen Behörden, sondern auch "privaten Organisationen".


Mehr zum Thema:

* Diskussionsprotokoll zu ACTA veröffentlicht

ICANN wird Pornodomain nochmals prüfen

Neue Chance für .xxx

Die Internet-Adressverwaltung ICANN hat am Sonntag (Ortszeit) bekanntgegeben, dass der Vorstand der Organisation bei seinem nächsten Treffen am 12. März in Nairobi den bereits abgelehnten Antrag auf Einrichtung einer Top-Level-Domain (TLD) für Sex-Websites unter dem Kürzel .xxx erneut prüfen wird. Die ICANN wird ihr nächstes Meeting von 7. bis 12. März in der Hauptstadt Kenias abhalten.

Fragen der inhaltlichen Kontrolle

Die Revision der ursprünglichen Entscheidung zu .xxx durch das Gremium geht auf einen am 19. Februar veröffentlichten Bericht unabhängiger Gutachter zurück, der dem Vorstand empfohlen hatte, in dieser Frage nochmals über die Bücher zu gehen, obwohl sich zahlreiche Organisationen gegen eine Einführung dieser TLD ausgesprochen hatten. Die ICANN hatte die Einführung der Pornodomain zuletzt auch deshalb abgelehnt, weil damit Fragen der Kontrolle von Inhalten verbunden sind.

Die Registry ICM, die seit 2004 für die Einführung der .xxx-Domain wirbt, hatte nach einer abschlägigen Entscheidung des ICANN-Vorstands im März 2007 eine unabhängige Prüfung dieser Entscheidung verlangt. Der Prüfbericht sei zwar für den ICANN-Vorstand nicht bindend, allerdings werde man sich trotzdem an das Ergebnis halten, so ICANN-CEO Rod Beckstrom.

Beckstrom sieht das Ergebnis des Schiedsprozesses auch nicht als Niederlage für die ICANN, sondern als wichtiges Symbol für Verantwortungsbewusstsein und erfolgreiche Selbstregulierung der Organisation.

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