Freitag, 26. Februar 2010

Berlusconi und der Bus-Stopp

Empörung über verlegte Haltestelle

Von Richard Meusers

Busverkehr direkt vor seinem Palazzo in Rom? Das wollte Italiens Ministerpräsident Berlusconi nicht dulden - die Haltestelle wurde geschlossen. Jetzt regt sich Protest, und ein Oppositioneller höhnt: "Die Prostituierten kommen ja eh mit dem Taxi."

Rom: Ärger in der Via del Plebiscito

Eigentlich könnte Ministerpräsident Silvio Berlusconi wie seine Amtsvorgänger im römischen Palazzo Chigi, direkt neben dem Parlament, amtieren und auch wohnen. Doch das behagt dem Premier offenbar nicht.

Stattdessen bezog Berlusconi schon vor geraumer Zeit den Palazzo Grazioli. Das barocke Gemäuer aus dem 17. Jahrhundert dient dem Politiker oft genug zur Erholung von anstrengenden Regierungsgeschäften, dort sollen nächtens ausgelassene Partys gefeiert werden, die in Rom Gesprächsstoff sind.

Der Palazzo liegt in der Via del Plebiscito, in unmittelbarer Nähe zur Piazza Venezia und dem Kapitol. Beide Sehenswürdigkeiten sind umbrandete Touristenmagnete, umso mehr hält Berlusconi auf Privatsphäre und den Schutz seiner Person.

Und so verfügte die römische Stadtverwaltung Ende vergangenen Jahres ganz plötzlich, dass die direkt am Palazzo gelegene Bushaltestelle nicht mehr angefahren werden dürfe. Offizielle Erklärung: Sicherheitsmaßnahmen.

Viel mehr als diese dürre Begründung gaben die römischen Verkehrsbetriebe Atac nicht preis. Weder wurden die anliegenden Bewohner und Geschäftsleute zuvor von der Maßnahme informiert - noch die eigenen Fahrgäste.

Nacht-und-Nebel-Aktion

Kurz vor Silvester, noch am Tag der Mitteilung, erschienen unangekündigt städtische Angestellte vor Ort, um die Fahrpläne abzumontieren und die Neuigkeit den verblüfften Fahrgästen zu verkünden.

Die reagierten ebenso erbost wie die anliegenden Geschäftsleute und Pendler, die zu Hunderten in den umliegenden Büros an der Piazza Venezia arbeiten. Immerhin 18 Buslinien legten an der Via del Plebiscito bislang einen Zwischenstopp ein, bis zur nächsten Haltemöglichkeit müssen die Fahrgäste beinah einen halben Kilometer zu Fuß zurücklegen.

Schon zuvor hatte es rund um den Palast Berlusconis umfangreiche Einschränkungen für den Straßenverkehr gegeben. Große Blumenkübel verhindern in den Seitenstraßen die Durchfahrt von Autos und Motorrädern.

In einer weiteren Erklärung der Atac hieß es, man wolle den Durchfluss der Touristenströme künftig effektiver gestalten. Die Zettel an den Fahrplansäulen mit dem Satz "Diese Haltestelle ist abgeschafft" sind jedoch bloß auf Italienisch verfasst. Hinweise und Empfehlungen für Auswärtige und Touristen - Fehlanzeige. Da war der Zorn entsprechend groß, denn ohnehin müssen sich die Römer, egal ob im eigenen Auto oder im Bus, jeden Tag durch den kollabierenden Verkehr der Hauptstadt quälen.

"Die Prostituierten kommen sowieso mit dem Taxi"

Für die politischen Gegner des Regierungschefs war das Ereignis ein gefundenes Fressen.

Via Twitter ätzte Berlusconis Intimfeind, Ex-Staatsanwalt Antonio di Pietro, eine Bushaltestelle sei gänzlich überflüssig: "Die Prostituierten kommen sowieso mit dem Taxi."

Auch Oppositionspolitiker Pino Sgobio flüchtete sich in Ironie: "Und wann wird eine Mauer errichtet? Eine Politik, die Angst vor den Bürgern hat und sich in einem Elfenbeinturm einschließt, gibt kein gutes Beispiel."

Doch auch ganz normalen Bürgern wollte sich der Sinn der Nacht-und-Nebel-Aktion nicht recht erschließen. Die lokalen Geschäftsleute, Friseure, Schuhverkäufer und Haushaltswarenläden befürchten einen Rückgang ihrer Umsätze. Und legten Unterschriftenlisten gegen die als Schikane empfundene Maßnahme aus.

Damit nicht genug, gründete der römische Stadtrat Massimo Lucà umgehend eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "Wiederinbetriebnahme der Bushaltestelle an der Via del Plebiscito". Obwohl nur von äußerst lokalem Bezug, hat sie mittlerweile weit über 5000 Mitglieder. Und die machen in den Kommentaren aus ihren Herzen keine Mördergrube.

"Kann man die Residenz des Premiers nicht an den Stadtrand verschieben?"

"Alessandro" weist darauf hin, dass es beim Senat der Republik eine gleichartige Haltestelle gibt. "Offensichtlich ist die 'Sicherheit' von 350 Senatoren und eines Verfassungssymbols nicht so wichtig." "Don Campisi" fügt zornig an: "Kann man die Residenz des Premiers nicht an den Stadtrand verschieben?" Und ein Dritter erregt sich: "Der Palazzo Grazioli ist Berlusconis Privatwohnsitz, er kann nicht einfach das Zentrum von Rom privatisieren."

Die Causa Busstopp hat inzwischen sogar eine Schülerinitiative mobilisiert. Immerhin 400 Unterschriften kamen von Schülern, deren Eltern und den Lehrern des nahe gelegenen Visconti-Gymnasiums. Außerdem drehten sie einen Filmbericht und stellten den Videoclip online.

Bislang war die römische Verwaltungsspitze den Forderungen der Haltestellenfreunde gegenüber völlig unnachgiebig aufgetreten. Präfekt Giuseppe Pecoraro hatte sich wochenlang jedem Gesprächsansinnen verweigert und ansonsten eisern zur Angelegenheit geschwiegen. Am vergangenen Wochenende wurden der Stadtverwaltung schließlich die Petition mitsamt 10.000 Unterschriften überreicht. Federico Catania, einer der Initiatoren der Unterschriftensammlung, erklärte dabei, er habe dabei auch einen Brief an Behördenchef Pecoraro übergeben. "Wir sind zuversichtlich, dass sich am Ende der gesunde Menschenverstand durchsetzen wird."

Via del Plebiscito heißt auf Deutsch übrigens "Straße der Volksabstimmung".

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen