Samstag, 5. September 2009

US-Talibanjäger rücken in Bundeswehr-Sektor ein

Verteidigungsminister Jung wurde spät informiert und ist nun verärgert: Die "US Special Forces", für ihr ruppiges Vorgehen bekannt, haben Quartier im deutschen Afghanistan-Stützpunkt Masar-i-Scharif bezogen. Die Bundeswehr selbst steht nach dem Nato-Angriff auf Tankwagen international in der Kritik.

Hamburg - Die "Special Forces" der USA sind berüchtigt für die "Kollateralschäden", die sie bei ihren Einsätzen anrichten. Immer wieder sterben Zivilisten, wenn die amerikanischen Spezialisten im Einsatz sind. Ausgerechnet im deutschen Stützpunkt Masar-i-Scharif rückt nun aber nach SPIEGEL-Informationen deren "Task Force 373" mit etwa 300 Mann ein. Sie sollen im Rahmen der Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" gezielt Jagd auf Taliban und Terroristen machen.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erfuhr davon aber erst vergangene Woche - obwohl die Anfrage der USA schon Anfang August in Berlin eingegangen war und erste "Special Forces" bereits Quartier genommen haben. Jung sei verärgert über Staatssekretär Peter Wichert, hieß es in Berlin, weil eine Vorlage der Militärs in dessen Büro liegengeblieben sei.

Jung selbst muss sich inzwischen internationale Kritik für den von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff in Afghanistan anhören. Der französische Außenminister Bernard Kouchner hat das Bombardement in Afghanistan als "großen Fehler" kritisiert. Er betonte am Samstag in Stockholm, er wolle keine Schuld zuweisen, forderte aber eine gründliche Untersuchung. Bei dem Nato-Angriff am Freitag wurden nach afghanischen Angaben bis zu 72 Menschen getötet.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, er verstehe nicht, dass Bomben so einfach und so schnell abgeworfen werden könnten. "Es muss doch auch in der Nato Regeln geben. Und darum bin ich natürlich dafür, dass die Sache genau untersucht wird", fügte er hinzu. "Auch wenn nur ein Zivilist dabei war, ist diese Aktion eine Aktion, die nicht hätte stattfinden dürfen." EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sprach von einer "großen Tragödie".

Jung verteidigte den Einsatz dagegen und verwies auf eine "sehr konkrete Gefahrenlage". Die Bundeswehr hatte die Nato-Luftunterstützung nach einem Taliban-Überfall auf zwei ihrer Tanklastzüge angefordert, um einem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr vorzubeugen, wie Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey erklärte. Der Bundeswehr zufolge wurden ausschließlich 57 Aufständische getötet. Der Gouverneur der betroffenen Region, Mohammed Omar, gab die Zahl der Opfer dagegen mit mindestens 72 an. Etwa 30 von ihnen seien als Aufständische identifiziert worden. Nato und Uno haben inzwischen eine Untersuchung eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den verantwortlichen deutschen Offizier eingeleitet werden muss, berichtet die "Bild am Sonntag".

Die radikalislamischen Taliban setzen inzwischen ihre Angriffe fort. Am Samstag verübten sie einen Anschlag auf einen Konvoi der Bundeswehr nahe der afghanischen Stadt Kunduz. Dabei gab es nach jüngsten Angaben fünf verletzte deutsche Soldaten. Es handele sich um leichte Verwundungen, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam. Die Soldaten seien inzwischen wieder im Camp des Regionalen Wiederaufbauteams in Kunduz. Neben den Soldaten wurde auch ein afghanischer Dolmetscher bei dem Anschlag drei Kilometer nordöstlich des Bundeswehr-Camps leicht verletzt.

Der Gouverneur der Provinz Kunduz, Mohammed Omar, sagte SPIEGEL ONLINE, seinen Informationen zufolge sei ein Auto explodiert, als eine Patrouille der Bundeswehr nahe dem Ort Baghie Milie daran vorbeifuhr. Die Taliban bekannten sich zu der Tat.

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