Montag, 7. September 2009

Gewaltloser palästinensischer Widerstand

Eine internationale Petition prangert die Gewalt der israelischen Armee gegen friedliche palästinensische Demonstranten an – und fordert ihren Schutz.

Junger Palästinenser protestiert gegen Trennungsmauer (Foto: AP)
Von Rebecca Hillauer

Ein internationales Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen hat eine Petition lanciert, in der die Zivilgesellschaft und die Regierungen aufgefordert werden, den gewaltfreien Widerstand in Palästina zu unterstützen. Zu den Initiatoren gehören unter anderem die frühere Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Luisa Morgantini, die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges und die Internationale Liga für Menschenrechte. Seit die Regierung von Benjamin Netanjahu ihr Amt übernommen habe, nähme von israelischer Seite die Gewalt gegen die friedlich demonstrierenden Palästinenser massiv zu, sagt Liga-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin. Sie spricht von einer Eskalation, "die keinen Zweifel daran lässt, dass genau dieser Widerstand, der eine so große internationale Akzeptanz findet, zerschlagen werden soll."


Friedlicher Protest

Bei ihrer Aussage hat Reisin das Dorf Bil´in im Westjordanland im Auge. Dessen Bewohner demonstrieren seit vier Jahren jeden Freitag friedlich gegen die israelische Trennungsmauer, die auf ihrem Grund und Boden errichtet worden ist. Für seinen gewaltfreies Engagement erhielt das Bürgerkomitee von Bil´in im vergangenen Jahr die Carl-von-Ossietzky Medaille durch die Internationale Liga für Menschenrechte. Reisin war deshalb eine der ersten, die die aktuelle Petition zur Unterstützung des Bürgerkomitees unterzeichnet hat. Im Mai wurde ein Mitglied des Bürgerkomitees bei einer Demonstration von israelischen Soldaten erschossen. Nach Ansicht von Fanny-Michaela Reisin war dies wohl kalkuliert, denn "für diejenigen, die diesen gewaltfreien Widerstand praktizieren, ist es - angesichts der Besatzung und des Elends der palästinensischen Bevölkerung - auch innerhalb der palästinensischen Gesellschaft nicht das Einfachste, für diese Form des Widerstands zu streiten."


Falsche Anschuldigungen?

Seit dem Amtsantritt von Benjamin Netanjahu berichtet das Bürgerkomitee von Bil´in von zunehmenden Inhaftierungen und Entführungen, nächtliche Razzien und Hausdurchsuchungen durch israelische Soldaten. Ausgangssperren erschwerten zudem die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten. In der Nacht vom 3. auf den 4. August wurde dann auch der Vorsitzende des Bil´iner Bürgerkomitees Mohamed Khatib verhaftet. Der Vorwurf: Er hetze die Jugendlichen zur Gewalt und zum Steine werfen auf. Fanny-Michaela Reisin hält dies für ausgeschlossen. Mohamed Khatib wisse genau, dass er damit sein Bemühen, dem gewaltfreien Widerstand zum Sieg zu verhelfen, verwirken würde. Bei der Gerichtsverhandlung wurde ein Foto vorgelegt, auf dem zu sehen sein sollte, wie er mit den Jugendlichen spricht. "Anhand des Datums auf der Rückseite des Fotos konnte sein Anwalt jedoch nachweisen, dass Mohamed Khatib zu dem Zeitpunkt gar nicht in Bil´in, sondern in Kanada war."


Passive Reaktion

Demonstrant in Bil´in(Foto:AP)

Angesichts dieser Vorfälle wandte Fanny-Michaela Reisin sich an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier um Unterstützung. Der ließ ihr inzwischen mitteilen, die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Israel habe die israelischen Behörden um Aufklärung gebeten. So froh die Liga-Präsidentin über die Reaktion des Außenministeriums ist, so enttäuscht ist sie über die Passivität der Abgeordneten. Im Gegensatz zu Parlamentariern aus Schweden, Frankreich, Italien, Kanada und vielen anderen Ländern, ist bis heute noch keine Delegation des Bundestags vor Ort in Bil´in gewesen.

Fanny-Michaela Reisin hofft immer noch, Bil´in und das Nachbardorf Nil´in, das sich dem gleichen gewaltfreien Widerstand verschrieben hat, könnten zum Modell für das gesamte Palästina werden. Umso wichtiger wäre es ihrer Ansicht nach, wenn Bundesregierung und Abgeordnete endlich Flagge zeigten. Solange sie den bewaffneten Widerstand der Palästinenser ablehnen, ohne den gewaltlosen Widerstand zu schützen, trieben sie die Palästinenser wissentlich in die Ausweglosigkeit. "Die europäischen Regierungen müssen sich endlich klar darüber werden, welche Kräfte innerhalb der palästinensischen Gesellschaft sie stützen wollen."

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